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    Hans Herbert von Arnim: Die Angst der Politiker vor der Wählermacht - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 25.06.08 20:15:23 von
    neuester Beitrag 26.06.08 14:34:19 von
    Beiträge: 7
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      schrieb am 25.06.08 20:15:23
      Beitrag Nr. 1 ()
      Er gilt als einer der schärfsten Parteienkritiker Deutschlands: Hans Herbert von Arnim. In seinem Buch "Deutschlandakte" nimmt der Politologe die etablierten Parteien, die Politikfinanzierung und das Diätensystem ins Visier. Auf WELT ONLINE erklärt er, warum Politiker sich vor zuviel Demokratie fürchten.



      Der Parteienstaatskritiker und Autor Hans Herbert von Arnim wirft Politikern demokratische Defizite vor

      WELT ONLINE: Ihre jüngste Buchveröffentlichung – "Deutschlandakte" – hat in der Öffentlichkeit, namentlich in einer Hamburger Wochenzeitung, ein zum Teil sehr ablehnendes, Sie persönlich inkriminierendes Echo gefunden. Was denken Sie darüber?


      Hans Herbert von Arnim: Ich bin so etwas bisher vor allem von Politikern gewöhnt, die sachlich nichts gegen meine Analysen einzuwenden wissen und dann oft unter die Gürtellinie hauen. Aber auch bei manchen Journalisten gibt es eine Form der Political Correctness, die nicht bereit ist, an die Wurzel gehende Defizite unseres demokratischen Systems zu thematisieren. Denen reicht es völlig aus, die Vorurteile, die ich gerade zu widerlegen suche, und die politischen Formeln, die ich entzaubere, einfach nur zu wiederholen, ohne auf meine Sachargumente einzugehen. Das ist auch sehr viel bequemer und verlangt keinen Durchblick.

      WELT ONLINE: Sie schreiben als wissenschaftlicher Autor in einem Ton, der für Fachveröffentlichungen in Deutschland ungewöhnlich ist. Sie erscheinen als ein Solitär – wie sehen Sie sich selbst?

      von Arnim: Vom Parteienrecht, von Politikfinanzierung, Diäten und Stiftungsfinanzierung verstehen nicht viele politikwissenschaftliche und staatsrechtliche Kollegen wirklich etwas. Und die meisten arbeiten entweder mit der einen oder anderen politischen Seite zusammen und können deswegen – schon um diese Zusammenarbeit nicht zu gefährden – Mängel, die die politische Klasse insgesamt betreffen nicht wirklich aufspießen. Das dürfte ein Grund sein, warum bisweilen der Eindruck entsteht, bei Missständen, die die politische Klasse insgesamt betreffen, gäbe es nur einen einzigen "Parteienkritiker“. Und der muss sich einer klaren Sprache bedienen, um Gehör zu finden.

      WELT ONLINE: Da klingt der Generalvorwurf heraus, die Politikwissenschaft und Journalismus in Deutschland seien nicht unabhängig?

      von Arnim: Ein Pauschalvorwurf wäre nicht gerechtfertigt. Aber nehmen Sie das Gros der Europa-Journalisten. Da haben Oldag und Tillack, damals selbst Brüsseler Journalisten, in einem Buch ihren Kollegen vorgehalten, viele seien eigentlich nur ein Sprachrohr der Kommission und unterdrückten auch berechtigte Kritik, weil das die Europa-Idee angeblich gefährde. Auch Landespressekonferenzen fehlt oft die Distanz. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: 1988 hatte der hessische Landtag eine verrückte Diäten- und Versorgungsregelung beschlossen, und fast alle damaligen Wiesbadener Journalisten hatten Beifall geklatscht. Nachdem ich alles gründlich untersucht hatte und darlegen konnte, dass die Regelung völlig überzogen und verfassungswidrig war, war das Gesetz schließlich aber nur dadurch aus den Angeln zu heben, dass ich mit ZDF und "Spiegel" überregionale Öffentlichkeit herstellen konnte. Der CDU-Präsident des hessischen Landtags, Lengemann, und der SPD-Vizepräsident Dr. Lang, die das Gesetz ausgekungelt hatten, mussten zurücktreten. Das Problem mangelnder Distanz gibt es natürlich auch auf Bundes- und auf Gemeindeebene.

      WELT ONLINE: Überschreiten Sie damit nicht die Grenze zwischen Wissenschaft und politischer Intervention?

      von Arnim: Ich meine sogar, dass die Unabhängigkeit, die ein Wissenschaftler genießt, die staatlich finanzierte Unabhängigkeit eines deutschen Professors, nur dadurch überhaupt zu rechtfertigen ist, dass er ohne Scheu auch Missstände, auf die er bei seiner Arbeit stößt, öffentlich macht.

      WELT ONLINE: In Amerika sorgt gerade ein parteienkritisches Buch von Joe Klein ("The New Yorker") für Aufsehen. Klein macht die Medienvervielfachung mit für Vordergründigkeit und Unernsthaftigkeit der Politiker verantwortlich. Sie auch?


      von Arnim: Die Entwicklung der Medien, gerade auch der elektronischen, hat natürlich gewaltige Rückwirkungen auf die Politik. Das verführt Politiker etwa dazu, Dinge in den Medien zu präsentieren, noch bevor man das in den zuständigen Gremien beschlossen hat. Man weiß, dass die Medien Wert darauf legen, ganz früh informiert zu werden, und kann dann als Politiker damit groß rauskommen. Die politischen Regeln und Abläufe werden dadurch vielfach unterlaufen. Zum Beispiel ist es für Parteimitglieder gar nicht mehr interessant, von Politikern in Parteigremien informiert zu werden. Sie haben alles schon in der Zeitung gelesen. Das ist auch ein Grund für Leute, die nicht unbedingt Politkarrieristen sind, nicht mehr in die Parteien zu gehen.

      WELT ONLINE: Warum alarmiert der Mitgliederschwund die Parteieliten nicht?

      von Arnim: Der politischen Klasse – das sind voll alimentierte Mandats- und Funktionsträger, die zwar nur zwei Prozent der Parteimitglieder ausmachen, aber in den Parteien das Sagen haben – tut der Verlust von Mitgliedern und der Rückgang der Wahlbeteiligung nicht wirklich weh, denn sie finanzieren sich über die selbst bewilligte staatliche Parteienfinanzierung. Dabei wird oft gar nicht gesehen, dass die Finanzierung der eigentlichen Parteien, also diese 133 Millionen Euro, die sie auch beim Rückgang der Wahlbeteiligung ungeschmälert erhalten, nur ein kleiner Teil ist. Der Betrag wurde vom Verfassungsgericht gedeckelt. In der Folge hat die politische Klasse den staatlichen Geldstrom auf ihre Hilfsorganisationen umgeleitet: auf Parteistiftungen und Parlamentsfraktionen. Auf diese Weise haben die Parteien sich gegen den Rückgang ihrer Mitglieder und der Wahlbeteiligung finanziell immunisiert.

      WELT ONLINE: Entparlamentarisierung, Mediatisierung der Politik, Selbstimmunisierung der politischen Klasse – glauben Sie ernsthaft, das was Sie beklagen, könne irgendwie wieder rückgängig gemacht werden?

      von Arnim: Eine Hoffnung könnte auf der Verfassungsrechtsprechung liegen, denn viele Fehlentwicklungen sind verfassungswidrig. Dazu gehört die grassierende Parteibuchwirtschaft, die sich nicht auf Abgeordnete und Regierungen beschränkt, wo sie grundsätzlich legitim ist, sondern auch Gerichte, Verwaltungen und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten erfasst.

      Die Haupthoffnung stürze ich auf Elemente der direkten Demokratie, also Volksbegehren und Volksentscheid, die in den Ländern schon überall möglich ist. Die Direktwahl der Bürgermeister die es nun in allen 13 deutschen Flächenländern gibt, wurde auf diesem Weg durchgesetzt. Auch etwa Amtszeitbegrenzungen dürften nur durch Volksbegehren und Volksentscheid zustande kommen.

      WELT ONLINE: Von welchem Thema könnte in Deutschland ein Impuls für mehr direkte Demokratie ausgehen?


      von Arnim: Gewiß, für Veränderungen muss ein Thema die Wähler auch emotional berühren. Von der Diätenfrage kann so ein Impuls ausgehen, wie vom gesamten Komplex der Politikfinanzierung. Womit man aber vor allem beginnen könnte, ist ein Umbau der Landesverfassungen: Direktwahl des Ministerpräsidenten und bürgernahes Landtagswahlrecht. Dann wäre es zum Beispiel nicht mehr möglich, dass die Nachfolger von Stoiber oder Milbradt im Hinterzimmer ausgekungelt werden, ohne jede Mitwirkung der Wähler. Auch in Hessen hätten wir klare Verhältnisse. Eine solche Reform wäre wiederum nur gegen den Widerstand der politischen Klasse durchsetzbar, aber die Menschen wollen das. Auch in der Staatsrechtslehrer und der Politikwissenschaft geht die große Mehrheit der Stellungnahmen in dieser Richtung.

      WELT ONLINE: Dafür müssten Sie größere Bevölkerungsteile politisch in Bewegung bringen. Ginge das mit einem Populismus der Mitte, gibt es so etwas überhaupt?

      von Arnim: Man sollte durchaus, auch wenn man in der Mitte steht, das harte, direkte Wort nicht scheuen. Ernst Fraenkel, einer der Väter der bundesrepublikanischen Politikwissenschaft, hat schon vor Jahrzehnten gefordert: Als Wissenschaftler solle man sich nicht scheuen, gerade die Dinge zu thematisieren, über die man nicht spricht. Fraenkel hat das vor Jahrzehnten geschrieben. Man sollte das auch heute noch beherzigen, ohne Rücksicht auf die politische Korrektheit und auch auf die Gefahr des Populismusvorwurfs hin. Das auch extremistische Kräfte mal einen meiner Kritikpunkte aufgreifen, ist doch nur ein Argument mehr, die Mängel abzustellen, um jenen Kräften das Wasser abzugraben.

      WELT ONLINE: Sind Sie ein Idealist?

      von Arnim: Ein bisschen schon, wahrscheinlich. Aber nicht in dem Sinn, dass ich die Realität nicht sehe. Wir müssen darum kämpfen, die Kluft zwischen Norm und Wirklichkeit nicht allzu groß werden zu lassen. Und dazu kann und muss auch die Wissenschaft ihren Beitrag leisten. Sie muss sich einmischen.

      http://www.welt.de/politik/article2144535/Die_Angst_der_Poli…
      Avatar
      schrieb am 25.06.08 20:43:34
      Beitrag Nr. 2 ()
      "Es gilt als ganz normal und selbstverständlich, dass ein Abgeordneter neben seinem Einkommen, das er vom Steuerzahler bezieht, auch noch Einkommen von an der Gesetzgebung interessierten Unternehmen oder Verbänden bezieht, sich also quasi in die bezahlten Dienste eines Lobbyisten begibt, das gilt als ganz normal, obwohl es eigentlich ein Skandal ist."
      "Wenn ein Politiker sich in die Dienste eines Interessenten begibt, sich von ihm bezahlen lässt, manchmal sehr hoch, ist das für mich eine Form der Korruption."


      Jeder Deutsche hat die Freiheit, Gesetzen zu gehorchen, denen er niemals zugestimmt hat; er darf die Erhabenheit des Grundgesetzes bewundern, dessen Geltung er nie legitimiert hat; er ist frei, Politikern zu huldigen, die kein Bürger je gewählt hat, und sie üppig zu versorgen – mit seinen Steuergeldern, über deren Verwendung er niemals befragt wurde. Insgesamt sind Staat und Politik in einem Zustand, von dem nur noch Berufsoptimisten oder Heuchler behaupten können, er sei aus dem Willen der Bürger hervorgegangen.“

      http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Herbert_von_Arnim

      Guter Mann, ich würe ihn wählen :D
      Avatar
      schrieb am 26.06.08 08:16:48
      Beitrag Nr. 3 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.375.855 von Blanchefort am 25.06.08 20:43:34Guter Mann, ich würe ihn wählen

      Nur wäre er dann bei bestehendem System in nullkommanix kein guter Mann mehr, sondern Teil des Systems.
      Also besser, weiter dran bleiben! Schließlich hat er einen Namen.
      Avatar
      schrieb am 26.06.08 08:52:40
      Beitrag Nr. 4 ()
      er spricht mir aus der seele,
      aber
      in D gibt es kaum wählermacht.
      je dümmer sie (in der schule) von den politikern gemacht oder gehalten werden, desto mehr entwickeln sich die wähler zum stimmvieh.

      kei wähler sollte so klug sein wie ein politiker,
      undas ist bei dem werdegang und niveau vieler unserer politiker schwer zu erreichen
      Avatar
      schrieb am 26.06.08 10:08:05
      Beitrag Nr. 5 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.375.702 von Blanchefort am 25.06.08 20:15:23Einige Bücher von ihm zieren mein Bücherboard. Ändern wird er aber nichts. Denn zusehr haben sich einzelne dem Lobbyismus Politiker ausgeliefert. Zu weit sind jene verhängnisvolle Bande geknüpft, jene Seilschaften, die vom Journalismus, hin zu den Unternehmen, die Banken und Versicherungsszene, bis hin zur Justiz reichen.

      Seilschaften, (Beispiel Kölner Klüngel) die eigentlich unangreifbar geworden sind. Sie agieren ungeniert und ungehemmt zum Schaden ihres Landes und ihrer Bewohner. Dieses satanische Treiben wird sich sogar noch verstärken und ihren Erguß im Zusammenbruch unserer Wertegesellschaft münden.

      Man kann es gut beobachten. Vom Jahre 2000 an verstärkt sich dieser Trend sogar. Heute wird Ehrlichkeit und Charakter belächelt und als Schwäche abgetan. Zivilcourage z.B. grundsätzlich von den Anderen gefordert und insgeheim ebenfalls als Dummheit abgetan.

      Die Medien haben da eine große Schuld auf sich geladen, vor allem in der Vorstandschaft, bei den öffentlich- rechtlichen Sendern werden scheinmoralistische Bilder gezeichnet, die in keinster Weise mehr der realität entsprechen.

      Eigentlich ist jede Sekunde, inder man sich mit solchen Themen beschäftigt, vertane Zeit. Klar ist aber auch, daß das nur eine gewisse Zeit so laufen kann in einer Demokratie, die irgendwann mündet in einem gigantischen Sumpf, der in sich selbst ersickt.

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      schrieb am 26.06.08 13:21:05
      Beitrag Nr. 6 ()
      die irgendwann mündet in einem gigantischen Sumpf, der in sich selbst ersickt

      Richtig, und bei unserem Herkommen und Mentalität rufen dann alle nach dem starken Mann oder dem Terminator.
      Die derzeitige Erosion der Volksparteien und die Umfragen, nach denen nur annähernd knapp über 50% die Demokratie für das richtige System halten, sprechen eine deutliche Sprache. Die derzeitigen Akteure zerstören langfristig unsere Grundlage.
      Avatar
      schrieb am 26.06.08 14:34:19
      Beitrag Nr. 7 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 34.379.810 von Blanchefort am 26.06.08 13:21:05Folglich kann man davon ausgehen, daß sie im Kollektiv kriminell handeln.

      Aber mal was anderes:

      Ich fürchte nämlich, auf einen Systemfehler gestoßen zu sein. Die Staatsanwaltschaften sind nämlich weisungsgebunden. Genau von Denen sind sie abhängig, Die so in der Kritik stehen.

      Ohne eine solche Entbindung und Trachtung auf UNABHÄNGIGKEIT kann sich überhaupt nichts ändern. Im Gegenteil! Diese Drecksbagage zieht sie sogar mit in den Sumpf hinab!


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