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    Wie Greenpeace Nahrungshilfe stoppt - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 21.08.02 12:31:32 von
    neuester Beitrag 04.07.03 15:14:17 von
    Beiträge: 28
    ID: 622.851
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      schrieb am 21.08.02 12:31:32
      Beitrag Nr. 1 ()
      Es darf wohl sehr angezweifelt werden, ob den Aktionen von Greenpeace eine angemessene Abwägung von Gefahren und Nutzen zugrunde liegt:


      Haben Hungernde Angst vor Gentech-Essen?

      Gen-Angst: Wie Greenpeace Nahrungshilfe stoppt


      Das Geschäft mit der Angst hat Greenpeace seit seiner Gründung perfektioniert. Aus einer Bürgerinitiative ist ein multinationaler Betroffenheitskonzern geworden. Wie andere Konzerne, etwa Nike, bietet Greenpeace nicht unmittelbar Wahrheiten an, sondern verkauft Botschaften. Wären die Aussagen der Organisation im Wortsinn wahr, dürfte es längst keine Bäume mehr geben, wären Wale nur noch im Museum zu besichtigen. An der Werbung von Nike ist durchaus richtig, daß es sich bei den Produkten um reale, zum Sport geeignete Turnschuhe oder Kleidungsstücke handelt. Niemand aber würde behaupten, daß jeder mit jenen Turnschuhen so hoch springen könne wie der Basketballspieler Michael Jordan. An den Kampagnen von Greenpeace ist richtig, daß die Menschheit schlimme Umweltprobleme verursacht und zu lösen hat - ein Blick in die Elbauen genügt. Daß dabei aber Lösungen die richtigen sind, die auf ein Banner passen, darf bezweifelt werden.

      Ganz wie die Turnschuhentwickler von Nike sitzen auch die Strategen von Greenpeace zusammen und überlegen, mit welchen Themen und Aussagen sie den Zeitgeist ebenso ansprechen können wie die Emotionen einer kaufkräftigen Klientel. Im Bemühen, Werbebotschaften im Dienste der "Kampagnenfähigkeit" zuzuspitzen, agiert Greenpeace beim Konflikt um die Gentechnik derart radikal, daß bei Verbrauchern die Angst entsteht, gentechnisch veränderte Lebensmittel könnten gesundheitsschädlich sein. Die Dämonisierung geht so weit, daß die Organisation fordert, Hühnchen sollten nicht gentechnisch veränderter Soja verfüttert werden - als könnten irgendwelche (nicht vorhandenen) Killergene aus dem Soja über den Hühnermagen in den Menschen gelangen. Bislang gibt es keinen Fall, bei dem negative gesundheitliche Folgen von transgenen Lebensmitteln nachgewiesen werden konnten. Problematisch mag es sein, wenn sich genetische Merkmale unkontrolliert in der Natur verbreiten oder wenn Kleinbauern von multinationalen Saatgutkonzernen abhängig werden. Dies sind indes rein ökologische Fragen.

      Die emotionale Botschaft der Organisation hat nun aber im südlichen Afrika Abnehmer gefunden - und gefährdet Hilfslieferungen an Menschen, die vom Hungertod bedroht sind. Während in unseren Breiten große Gebiete von Fluten heimgesucht werden, herrscht südlich der Sahara Dürre. Kriegerische Konflikte, Aids und korrupte Politiker erschweren die angemessene Versorgung der Bevölkerung zusätzlich. In dem Erdteil, in dem von kommender Woche an Zehntausende Delegierte zum Umweltgipfel der Vereinten Nationen zusammenströmen, sind rund 14 Millionen Menschen akut unterernährt. Doch die Regierungen von Zimbabwe und Sambia weigern sich, Nahrungslieferungen aus Amerika zu akzeptieren, weil diese teilweise aus gentechnisch verändertem Mais bestehen - im Gegensatz zu Ländern wie Lesotho und Malawi.

      In der reichsten Industrienation, Amerika, ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen inzwischen auf weiten Teilen der Anbaufläche selbstverständlich. Eine Trennung von konventionellen und gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln wird dort nur in Ansätzen vollzogen, auch, weil die zuständige Sicherheitsbehörde keine Hinweise auf gesundheitliche Gefahren gefunden hat. Die für das südliche Afrika gedachten Hilfsgüter sind auch in amerikanischen Supermärkten zum Verkauf zugelassen. Doch für Afrikaner sollen diese Waren plötzlich gefährlich sein. Der Präsident von Sambia, Levy Mwanawasa, ist auf die Greenpeace-Werbebotschaft hereingefallen: "Wir werden eher hungern, als unseren Leuten etwas Giftiges zu geben", sagte er.

      Die Expertin von Greenpeace Deutschland für Gentechnikfragen reagiert, angesprochen auf den Konflikt um die Hilfslieferungen, zunächst mit der Aussage, dies seien die Ziele von Greenpeace: keine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen, keine Gentechnik in Lebensmitteln. Die Menschen im südlichen Afrika müßten natürlich unbedingt Hilfslieferungen bekommen. Doch sollten sie dabei doch nicht neben ihrem Hunger zusätzlichen Gefahren ausgesetzt werden, wie jenen, die möglicherweise noch unerkannt in gentechnisch veränderten Lebensmitteln lauerten. Ganz schlimm fände sie es, wenn die Bauern im südlichen Afrika den Mais nicht nur essen, sondern anbauen würden. Denn dann könnten sich die Merkmale, etwa eine Resistenz gegen ein bestimmtes Pestizid, vererben. Amerika solle konventionelle Hilfsgüter zur Verfügung stellen.

      Diese Ansichten werfen die Frage auf, ob die 1,7 Millionen hungernden Einwohner von Sambia auf Hilfslieferungen aus dem Ökolandbau bestehen würden, und ob sie von der Angst geplagt werden, vielleicht in zehn Jahren eine Allergie zu entwickeln. Die Menschen wollen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einfach etwas zu essen. In Afrika werden die beiden Produkte des Greenpeace-Konzerns, die Angst und das gute Gewissen, nun unter ähnlich fragwürdigen Bedingungen hergestellt wie mancher Turnschuh in südostasiatischen Fabrikhallen.

      CHRISTIAN SCHWÄGERL

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.08.2002, Nr. 193 / Seite 37
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 12:34:58
      Beitrag Nr. 2 ()
      Die FAZ mag ja einen guten Wirtschaftsteil haben, aber alles was in Richtung Umweltschutz geht kannste bei denen vergessen.

      Schon der erste Satz ("Das Geschäft mit der Angst hat Greenpeace seit seiner Gründung perfektioniert..." ) sagt alles darüber aus, was die FAZ von Greenpeace hält.

      Brauch´ man gar nicht zu lesen.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 12:40:40
      Beitrag Nr. 3 ()
      #2
      wie wärs der Inhalt des Artikel steht im Vordergrund, nicht die Herkunft des Papiers, auf dem er steht?

      Vorurteilsfreie Analysen des Problems, das zur Diskussuion steht, sind herzlich willkommen.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:00:12
      Beitrag Nr. 4 ()
      Das Problem des Hungers auf der Welt ist nicht eine Frage der Produktion oder der vorhandenen Menge, sondern eine Frage der Verteilung.

      Der Hunger auf der Welt war schon immer ein Vorwand der Gentechnik und der Lebensmittelchemie, um uneingeschränkt experimentieren und entwickeln zu können. Ich bin kein Öko-Freak, habe aber keine Lust, mich von den Food-Designern so langsam vergiften zu lassen.

      Und weil man in Europa das gentechnisch veränderte Zeug nicht haben will, haben sich die Food-Ingenieure Afrika als neue Spielwiese ausgesucht. Natürlich aus ganz selbstlosen und humanitären Gründen.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:02:31
      Beitrag Nr. 5 ()
      leary, der Artikel ist leider sehr tendenziös geschrieben. Das macht eine sachliche Diskussion von vorneherein schwierig.
      Es gilt tatsächlich abzuwägen:
      was bedeutet die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen? Das weiß bis heute niemand.
      Noch vor kurzem wurde weltweit mit Antibiotika jede kleine Krankheit niedergebombt - bis man lernte, daß man damit äußerst resistente und aggressive neue Varianten der Erreger `züchtet`.
      Diese Gefahr sieht man nun auch bei gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln. Man kann befürchten, daß resistente Schädlinge herangezüchtet werden. Man kann aber auch befürchten, daß andere Folgen des veränderten Erbmaterials zum Tragen kommen. Es ist ja nicht möglich, eine Pflanze so zu verändern, daß sie nur resistent gegen irgendwelche Krankheiten ist. Es gilt nicht das Prinzip `ein Gen - ein Phänomen`, sondern es greift die Vielschichtigkeit der Epigenetik. Die Veränderung eines Gens (zur Erhöhung der Resistenz, zum Beispiel) kann durchaus andere Veränderungen bewirkt haben, die - hypothetischer Fall - zum Beispiel Krebs beim Verzehr auslösen können.
      Daher ist die Diskussion problematischer, als die FAZ es sehen will.

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      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:16:45
      Beitrag Nr. 6 ()
      #1 Sollen doch die USA ihre leckeren Genmanipulierten Nahrungsmittel selbst Essen.Die Schlechtere Nahrung wird doch wohl weiterhin dort Willkommen sein,wo ist das Problem
      für Dich.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:16:47
      Beitrag Nr. 7 ()
      Erinnert mich an frühe Kindheitstage und an eine damals oft gehörte Weisung meiner Eltern: "Eß gefälligst, was auf dem Tisch steht, und stell keine Fragen beim Essen!" ;)

      TT
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 13:24:10
      Beitrag Nr. 8 ()
      #physik
      klar, der artikel will provozieren. trotzdem bleibt die leitfrage berechtigt.

      die problematik des anbaus genveränderten, schädlingsresistenten getreides ist mir wohl bewußt.
      unterschieden werden muß aber zwischen den zunächst nicht vorhersagbaren ökologischen wirkungen eines solchen anbaus (veränderte artenvielfalt, etc.) und den gesundheitlichen wirkungen beim menschen eines konsums solcher nahrungsmittel.

      es gibt zwar keine langzeit-untersuchungen über gesundheitliche schäden aus dem konsum gentechnisch veränderter nahrungsmittel(wie auch?), jedoch gibt es bis heute aus den vorhandenen daten keinerlei anzeichen von schädigungen durch den konsum.

      hier geht es nur um hilfslieferungen, also waren für den konsum, also muß die abwägungsfrage sein: sollen den hungernden menschen diese produkte vorenthalten werden oder kann man ihnen zumuten, produkte zu essen, die jeder amerikaner im supermarkt kaufen kann (mit der gefahr, daß potentielle, bisher unbekannte schädliche langzeitwirkungen auftreten)?

      die ökologische frage des anbaus ist ein anderes thema.

      mir scheint tatsächlich, daß greenpeace hier mehr an die ökologische problematik des anbaus, denn an die akute hungerproblematik der betroffenen menschen denkt.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 14:00:33
      Beitrag Nr. 9 ()
      Eine ähnliche Diskussion fand wohl damals statt, als es um die Lieferung verstrahlten Molkepulvers an die Dritte Welt ging.

      Vezwickte Thematik.

      Greenpeace halte ich, nebenbei, für einen ziemlich unseriösen und dubiosen Verein. Man denke nur an die Versenkung der Brent Spar. Da hat Greenpeace mit üblen Lügen gearbeitet, was die angeblichen Rückstände anging. und medienwirksam durchgesetzt, dass die Brent Spar an Land verschrottet wird. Mit entprechender Umweltbelastung.
      Greenpeace musste sich ja später bei Shell für diese unsägliche Lügenkampagne entschuldigen.
      in der Öffentlichkeit ist aber wohl nur hängen geblieben, wie "selbstlos" sich die Greenpeace-Kämpfer für die Umwelt und gegen den bösen Ölmulti eingesetzt haben.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 14:17:57
      Beitrag Nr. 10 ()
      "Der Präsident von Sambia, Levy Mwanawasa, ist auf die Greenpeace-Werbebotschaft hereingefallen: "

      Klingt ein wenig arrogant.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 15:08:23
      Beitrag Nr. 11 ()
      #9 Rainer ist zwar richtig bei Brent Spar gewesen, aber wegen des Molkpulvers hatten sie doch Recht.Man darf getrost bei der Lieferung von Genmanipulierten Nahrungsmitteln die beabsichtigte Akzeptanz für Saatgut
      des selbigen Unterstellen,quasi Friss oder Stirb.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 15:13:32
      Beitrag Nr. 12 ()
      @oktopodius:

      Deswegen schrieb ich ja "verzwickte Thematik". Da ich hierfür kein Fachmann bin, kann ich mir auch kein Urteil darüber erlauben, ob genmanipulierte Pflanzen zur Bekämpfung des Hungers geeignet wären.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 15:50:39
      Beitrag Nr. 13 ()
      #12 Im Prinzip Ja,nur muss das Saatgut immer Neu gekauft bzw. Lizenz bezahlt werden.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 16:06:38
      Beitrag Nr. 14 ()
      @Okto:

      Ist das nicht beim "normalen" Saatgut auch schon so? Mein Biologieunterricht ist zwar schon verdammt lang her, aber ich meine mich zu erinnern, dass modernes Saatgut aus Hybridpflanzen (?) besteht, d.h. die aus dem Saatgut wachsenden Früchte können nicht wieder als Saatgut eingesetzt werden.

      Irrtum allerdings nicht ausgeschlossen.
      Avatar
      schrieb am 21.08.02 17:09:00
      Beitrag Nr. 15 ()
      #14 kein Irrtum Rainer bei Hybridpflanzen.Sicher kann hier ein Landwirt genaueres Sagen ob es in Afrika auch so ist
      (sein muss).Mich Stört Hauptsächlich das zum Gelderwerb
      in Armen Ländern Nahrung für unsere Tiere zu Spottpreisen eingeführt wird wo sonst Hunger herrschst.Anschliessend zu Dumpingpreisen dort wieder eingeführt wird, z.B. Fleisch etc.Staatlich Subventioniert.Anschliessend bieten wir ihnen
      die sogenannte Hilfe an zum Beispiel Gentechnische Nahrungsmittel,sehe ich hier etwas falsch?
      Avatar
      schrieb am 22.08.02 10:15:39
      Beitrag Nr. 16 ()
      @okto:

      Nein, das siehst Du m.E. nicht falsch.
      Nur freier Welthandel kann die Probleme der sog. Dritten Welt lösen. Was die hoch industrialisierten Nationen im Bereich der Agrarpolitik anstellen, ist schon verbrecherisch.
      Avatar
      schrieb am 22.08.02 11:09:21
      Beitrag Nr. 17 ()
      Jeder kennt das Beispiel mit dem Jorgut-Becher:

      Dessen Bestandtteile (einschl. Inhalt) haben erst 40.000 Km

      Transportleistung generiert - und schon ist er beim Verbraucher.

      Bevor nicht auf 80.000 Km erhöht wird, kann vom freien Welthandel nicht gesprochen werden.

      Green Peace? Auch hier weiß man doch Bescheid:

      Erst verhindern sie den freien Welthandel, und dann geht es gegen Israel.
      Avatar
      schrieb am 22.08.02 12:35:55
      Beitrag Nr. 18 ()
      @amtmann
      und du meinst, daß es durch eine Amtmännische Verordnung a la joghurt-vorprodukte-dürfen-nur-im-umkreis-von-x-km-bezogen-werden allen besser geht?

      was sagt uns das joghurtbeispiel? soll wohl kopfschütteln über seltsame, schädliche Auswüchse der Marktwirtschaft hervorrufen. dabei zeigt die km-angabe nur, daß offensichtlich die verschiedenen joghurtbestandteile jeweils in unterschiedlichen teilen der welt am günstigsten hergestellt werden können. mehr nicht.
      Avatar
      schrieb am 22.08.02 12:38:14
      Beitrag Nr. 19 ()
      Oder wollen wir zukünftig Bananenjoghurt verbieten?
      Das wird die betroffenen Bauern in Südamerika aber nicht freuen.
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 01:50:02
      Beitrag Nr. 20 ()
      Ja, ihr spin-doctors aus #18,19,

      um einen Dollar Tageslohn.(Leistung muß sich ja schließlich lohnen.)

      Dafür werden dann noch pro Dose 5 l Kerosin verbrannt zur Höheren Ehre Milton Friedmanns und zur besseren Bilanz der "sieben Schwestern", oder ist es nur noch Eine?

      Kaum ist Umweltschutz Staatsziel geworden, erhält das Umweltbundesamt einen Bußgeldbescheid wegen Diskriminierung von entfernten "Anbietern". Es hatte dazu aufgerufen Produkte aus der Region zu kaufen.

      Schließlich hat sich der Staat ja aus der Wirtschaft herauszuhalten.

      Hattet Ihr Brüssel darauf aufmerksam gemacht, daß sich die schrecklichen Deutschen ausnahmsweise an das Grundgesetz halten wollten?
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 12:59:17
      Beitrag Nr. 21 ()
      @Amtmann

      Wäre schön, wenn Du mal ein Buch von K.R. Popper zur Wissenschafts- oder Aussagentheorie in die Hand nähmst.

      Dann bestünde vielleicht eine Chance, daß in Deinen Postings wenigstens hin und wieder mal ein Satz auftauchte, der die Möglichkeit der Falsifikation zuließe.

      Oder einer, den nicht nur Kryptiker interessieren.

      5l Kerosin pro Dose :laugh: ? Joghurt als bestandteil der herstellungskosten ist bei den bestehenden Joghurtpreisen auf jeden fall schon mal ne starke these, deren widerlegung sich im einzelnen wohl erübrigt.
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 16:50:31
      Beitrag Nr. 22 ()
      @Amtmann

      passend für Dich erschien heute dieser Artikel von Horst Siebert.

      Die Angst vor der Globalisierung

      Eine Abschottungsstrategie ist kein Ausweg / Wirtschaftliche Grundzusammenhänge lassen sich nicht aus der Welt schaffen / Sieben Thesen von Horst Siebert


      Wachstum ist nicht alles. Vor wenigen Tagen hat die Weltbank - im Vorgriff auf das am Montag in Johannesburg beginnende Gipfeltreffen der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung - ihren neuen Weltentwicklungsbericht vorgelegt. Darin mahnt sie, der Schutz der Umwelt und die Entwicklung sozialer Strukturen dürften nicht aus dem Blick geraten, wenn man die Lebensverhältnisse der Menschen in Entwicklungsländern zu verbessern suche. Aber auch wenn Wachstum nicht alles ist: sein durch die Globalisierung weiter zunehmendes Potential ist auch für die Entwicklungsländer noch lange nicht ausgeschöpft, ohne daß mit den natürlichen Ressourcen Raubbau getrieben werden müßte. Doch an den Rahmenbedingungen wäre einiges zu ändern. So ruft die Weltbank die "reichen" Länder auf, ihre Märkte weiter zu öffnen und protektionistische Agrarsubventionen abzubauen. Horst Siebert, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, skizziert in seinem Beitrag, wie Industrie- und Entwicklungsländer von der internationalen Arbeitsteilung profitieren können. Er räumt unbegründete Ängste vor der Globalisierung aus und warnt vor jeder Form der Abschottung: Das wäre der sichere Weg in die Armut. (orn.) Nichtregierungsorganisationen der Industrieländer haben in den vergangenen Jahren gegen die internationale Arbeitsteilung massive Kritik vorgebracht, teilweise mit einer erheblichen Militanz. Bei ihnen geht die Angst um, daß die Länder Wohlstand einbüßen, wenn sie sich auf freien Handel und Kapitalverkehr einlassen. Es wird befürchtet, daß das typische Industrieland verliert; es wird aber auch bemängelt, daß die Dritte Welt bei der internationalen Arbeitsteilung unter die Räder gerät. In den Industrienationen würden sich die Realeinkommen der Arbeitnehmer ungünstiger gestalten; gleichzeitig jedoch wird die Sorge artikuliert, daß die Arbeitnehmer in den Entwicklungsländern unter der internationalen Arbeitsteilung leiden. Schließlich wird gefordert, weltumfassende Belange wie den Schutz globaler Umweltgüter wie der Erdatmosphäre und der Biodiversität stärker in die nationalen wirtschaftlichen Entscheidungen zu integrieren. All diese Sorgen, die häufig emotional - mit Wut und Haß - vorgetragen werden, sind ernst zu nehmen. Sie machen jedoch noch kein Gegenmodell zur internationalen Arbeitsteilung aus und beruhen zu einem großen Teil darauf, daß wesentliche wirtschaftliche Grundzusammenhänge nicht zur Kenntnis genommen werden. Im Folgenden werden daher in sieben Thesen zentrale Aussagen der internationalen Arbeitsteilung festgehalten, an denen die Antiglobalisierer nicht vorbeikommen.

      Erstens: Jede Volkswirtschaft kann durch den internationalen Güteraustausch Wohlstand gewinnen.

      Die Grundidee der internationalen Arbeitsteilung ist in mehr als zweihundert Jahren Wirtschaftswissenschaft von vielen Autoren ausgearbeitet worden. Indem sich ein Land auf die Produktion desjenigen Gutes spezialisiert, bei dem es relative Preisvorteile hat, die in seinen Nachfrage- und Produktionsbedingungen im Vergleich zum Ausland begründet sind, kann es Güter kostengünstiger vom Ausland beziehen, als es sie selbst zu produzieren in der Lage ist. Eine Volkswirtschaft kann durch Austausch einen Konsumraum erreichen, der außerhalb ihrer eigenen Produktionsmöglichkeiten liegt. Die größeren Konsummöglichkeiten bedeuten Gewinne für das einzelne Land, im Vergleich zur Autarkie.

      Jede Volkswirtschaft kann durch internationalen Güteraustausch gewinnen.

      Die internationale Arbeitsteilung ist kein Nullsummenspiel, bei dem das eine Land lediglich dann einen Nutzenzuwachs erfährt, wenn das andere Land verliert. Sie ist vielmehr ein Positivsummenspiel, bei dem alle Volkswirtschaften Vorteile haben. Technisch heißt dies, daß sich nach Aufnahme von Handel die "Terms of Trade", definiert als Verhältnis des Preisindex der Exportgüter zum Preisindex der Importgüter des jeweiligen Landes, für beide Länder verbessern. Für die Industrieländer beispielsweise zahlt es sich aus, verstärkt humankapitalintensiv hergestellte Produkte zu erzeugen, für die Schwellenländer lohnt sich die Herstellung arbeitsintensiver Produkte.

      Manche wird vielleicht eher die Idee überzeugen, daß für jedes der an der Arbeitsteilung partizipierenden Länder über den heimischen Absatzbereich hinaus zusätzliche Absatzmöglichkeiten - also neue Märkte - entstehen, die beispielsweise die von den Industrieländern hergestellten Investitionsgüter aufnehmen. Zusätzlich stiftet die These des intrasektoralen Handels Hoffnung für die Weltwirtschaft: Beim intersektoralen Handel, also bei einem Austausch unterschiedlicher Güter - etwa europäische Investitionsgüter gegen asiatische Textilien -, müssen Länder für Vorteile aus der internationalen Arbeitsteilung in Kauf nehmen, daß jene Sektoren, die einen relativen Preisnachteil aufweisen, schrumpfen - etwa die Textilwirtschaft in Industrienationen. Die Volkswirtschaften haben dennoch einen gesamtwirtschaftlichen Vorteil durch die Spezialisierung auf ihr Exportgut.

      Dagegen bedeutet intrasektoraler Handel, daß die Nachfrager Produktvielfalt wollen und daß ähnliche Güter zwischen Ländern ausgetauscht werden, etwa europäische Autos gegen koreanische. Dies heißt, daß der gleiche Sektor in verschiedenen Ländern durch eine intensivere Arbeitsteilung expandieren kann, wenn auch in anderen Produktsegmenten. Der überwiegende Anteil des Welthandels ist heutzutage intrasektoraler Handel. Dies gilt zwar vor allem für den Austausch zwischen den Industrienationen, aber mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung werden auch die Schwellenländer am intrasektoralen Handel partizipieren.

      Im Gegensatz zu den komparativ-statischen Wohlstandsgewinnen sind dynamische Effekte noch wichtiger: Offene Volkswirtschaften lassen sich auf den Wettbewerb ein und messen sich an anderen Ländern. Der Wettbewerb erweist sich für die Unternehmen, aber auch für den Staat als ein Entdeckungsverfahren, mit dem neue technologische und neue organisatorische Lösungen gefunden werden. Offene Volkswirtschaften haben einen größeren Ansporn für Innovationen; eine starke Exportexpansion ist mit höherem wirtschaftlichen Wachstum und größerem Wohlstandsgewinn verbunden.

      Nun wird man die Globalisierungsverängstigten vielleicht nicht mit solchen grundsätzlichen Erwägungen überzeugen können. Ins Gewicht fallen sollte aber, daß die historische Entwicklung der Industrieländer hinreichender Beleg dafür ist, daß eine offene Volkswirtschaft erhebliche Wohlstandsgewinne aus der internationalen Arbeitsteilung ziehen kann. Bestes Beispiel dafür ist Deutschland, das sich nach dem Zusammenbruch 1945 in die internationale Arbeitsteilung eingegliedert hat - auch in die europäische Integration - und dadurch eine wichtige Grundlage für den Anstieg seines Wohlstands geschaffen hat.

      Zweitens: Auch die Entwicklungsländer insgesamt haben durch die internationale Arbeitsteilung Wohlstand gewonnen.

      Betrachtet man den Zeitraum von 1975 bis 2000, so ist es den ( nicht erdölexportierenden) Entwicklungs- und Schwellenländern gelungen, ihren Anteil am gesamten Weltexport von 18 Prozent auf etwa 30 Prozent zu steigern. Beispielhaft ist der Erfolg der vier asiatischen Tiger (Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan), die ihren Anteil von 3 Prozent am Welthandel 1975 inzwischen - nach einem Einbruch in der Währungskrise von 1997 - auf etwa 10 Prozent erhöht haben. Eine ganze Reihe von Schwellenländern weist heute eine Exportpalette auf, in der Industriewaren dominieren. In Mexiko, Südkorea, Hongkong und Singapur beispielsweise machen sie 85 Prozent des Gesamtexports aus, in Brasilien sind es 55 Prozent; diese Länder sind längst zu Industrienationen geworden. Die Entwicklungsländer insgesamt haben sich erfolgreich in die internationale Arbeitsteilung integriert.

      Von 1975 bis 1998 haben alle Entwicklungs- und Schwellenländer - bis auf eine Ausnahme - einen Anstieg ihres Produktionsergebnisses je Einwohner erfahren, gemessen in Kaufkraftparitäten. Lediglich die Demokratische Republik Kongo - ein durch Kriegswirren gezeichnetes Land - hat heute eine geringere Produktionsleistung je Kopf als vor 25 Jahren. Zu den Gewinnern zählen selbst Länder wie Bangladesh, Ghana, Nicaragua und Sudan. Die Behauptung, die Dritte Welt habe durch die internationale Arbeitsteilung verloren, ist schlichtweg falsch.

      Im gleichen Zeitraum haben wichtige Länder der Erde ihren relativen Abstand zu den Vereinigten Staaten verringert, so die bevölkerungsreichen Staaten China und Indien, aber auch Indonesien, Bangladesh, Sri Lanka, Marokko und Chile. Allerdings hat sich für andere Staaten - so in Lateinamerika mit der verlorenen Dekade der achtziger Jahre - trotz einer absolut besseren Situation als 1975 der relative Abstand zu den Vereinigten Staaten vergrößert, darunter Argentinien, Brasilien und Mexiko. Dies gilt auch für Afrika südlich der Sahara.

      Drittens: Für die Arbeitnehmer bietet die internationale Arbeitsteilung Chancen auf höhere Realeinkommen.

      Eine große Sorge ist, das Hereindrängen der reichlich mit Arbeitskräften ausgestatteten Länder in Mittel- und Osteuropa und Chinas in die internationale Arbeitsteilung habe negative Auswirkungen für Realeinkommen und Beschäftigung der Arbeitnehmer in den Industrienationen. Zwar ist es richtig, daß Wohlstandsgewinne für ein Land nicht implizieren, daß sämtliche Produktionsfaktoren Vorteile haben. Es gewinnt der Faktor, der nach der Öffnung intensiver genutzt wird. Und es ist auch richtig, daß im Gedankenexperiment das Arbeitsangebot der Welt steigt; stellt man sich einen Weltarbeitsmarkt vor, so nimmt mit der Integration Chinas das Arbeitsangebot der Welt etwa um ein Fünftel zu. Im Modellfall (Ökonomen sprechen nach seinen Erfindern von einem Heckscher-Ohlin-Modell) müßten folglich die Reallöhne in den Industrieländern zurückgehen.

      Aber: Der Produktionsfaktor Arbeit ist in der Realität anders als im Modell nicht homogen. Die Arbeitnehmer in den Industrieländern sind mit besserer Technologie und höherwertigem Sachkapital ausgestattet, und sie sind besser qualifiziert, so daß sie über eine deutlich höhere Produktivität verfügen. Unterscheidet man traditionelle Arbeit und qualifiziertes Humankapital, so nimmt die Realentlohnung des Humankapitals in den Industrienationen auf Grund der verstärkten internationalen Arbeitsteilung zu, denn humankapitalintensive Produkte werden dort vermehrt hergestellt und exportiert. Es kommt hinzu, daß der Reallohn deshalb steigt, weil Importgüter günstiger zu haben sind, der Nominallohn in realer Rechnung also mehr wert ist. Dieser Gedanke lag der im 19. Jahrhundert heftig umstrittenen Abschaffung der Corn Laws in Großbritannien zugrunde. Indem der protektionistische Schutz der Landwirtschaft abgeschafft wurde, konnten die Industriearbeiter in den Städten kostengünstiger mit Nahrungsmitteln versorgt werden.

      Wohlstandsgewinne setzen einen wachstumsgerechten Ordnungsrahmen voraus.

      Wichtig ist ferner, daß der intrasektorale Handel nicht die gleichen Implikationen für die Arbeitskräfte hat wie der intersektorale Handel, da Sektoren im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung nicht schrumpfen müssen und deshalb auch Arbeitskräfte bei dieser Anpassung an veränderte Bedingungen nicht freigesetzt werden. Zudem ist zu bedenken, daß ein Land wie China derzeit einen Weltmarktanteil von nur etwa 3 Prozent hat, und selbst wenn durch China andere bisher arbeitsintensive Anbieter wie Taiwan und Südkorea in höherwertige Produktionen gedrängt werden, so dürfte der mengenmäßige Einfluß auf die Arbeitsmärkte der Industrieländer gering sein.

      Auf keinen Fall läßt sich argumentieren, daß die Arbeitnehmer in den Industrieländern verlieren, weil Arbeitskräfte in den Schwellenländern verstärkt für die Exportproduktion eingesetzt werden und zugleich auch die Arbeitskräfte in den Schwellenländern Realeinkommen einbüßen. Denn die Arbeitskräfte in den Schwellenländern werden vermehrt nachgefragt, ihr Realeinkommen steigt. Die von den Nichtregierungsorganisationen vorgebrachten Sorgen in bezug auf die Arbeitnehmer in den Schwellenländern sind nicht gerechtfertigt.

      Viertens: Über den Güteraustausch hinaus erzielen Länder Vorteile, wenn sie international mobile Produktionsfaktoren anziehen.

      Staaten können auch gewinnen, wenn sie mobile Produktionsfaktoren anlocken und dadurch die Produktivität ihrer immobilen Faktoren steigern. Dies gilt für mobiles Sachkapital, für mobiles technisches Wissen und für mobile hochqualifizierte Arbeitskräfte. Länder können auf diese Weise ihre komparativen Vorteile für den Güteraustausch positiv gestalten.

      Der Vorteil aus Kapitalimport besteht darin, daß ein Land seinen Kapitalstock schneller akkumulieren kann und dadurch nicht auf Konsum verzichten muß. Bei diesem intertemporalen Wohlstandsgewinn kann die Finanzierungsrestriktion einer geschlossenen Volkswirtschaft - nationale Investitionen müssen durch nationale Ersparnisse gespeist werden - zunächst einmal aufgehoben werden. Zudem besteht besonders für Entwicklungs- und Schwellenländer die Chance, schnell Zugang zu neuen Technologien zu finden. So ist es den mittel- und osteuropäischen Transformationsländern gelungen, einen Teil ihrer Bruttoinvestitionen durch ausländische Direktinvestitionen zu finanzieren, beispielsweise Polen gut 15 Prozent von 1995 bis 1999.

      Die Kehrseite des Kapitalimports liegt darin, daß man den zugewanderten Produktionsfaktoren eine Prämie zahlen muß. Realwirtschaftlich lohnt sich Kapitalimport nur, wenn die Produktivität jeder zusätzlichen Einheit Kapital über der Prämie liegt, die für dessen Überlassung zu zahlen ist. Diese Bedingung ist nicht erfüllt, wenn sich der Staat im Ausland verschuldet, um damit staatlichen Konsum oder soziale Programme zu bezahlen. In diesem Fall wird sich aber die intertemporale Budgetrestriktion später bitter bemerkbar machen: Dem heute aus Neuverschuldung finanzierten Konsum steht morgen eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber, das heißt, es müssen aus Exporten zusätzlich Devisen verdient werden, die aber nicht für die Finanzierung von Importen zur Verfügung stehen. Dann erweist sich der frühere Kapitalimport als eine Fessel, die den Bewegungsspielraum der Volkswirtschaft einschränkt.

      Fünftens: Es gibt klare Bedingungen dafür, daß ein Land Wohlstandsgewinne aus der internationalen Arbeitsteilung zieht.

      Die internationale Arbeitsteilung kann Restriktionen einer Volkswirtschaft überwinden und einen größeren Konsum- und Investitionsraum schaffen. Es wäre aber naiv und illusionär, zu meinen, man könne volkswirtschaftliche Zwänge aus der internationalen Arbeitsteilung vollständig verbannen. Ein Land kann im Wert nicht mehr importieren, als es exportiert - es sei denn, es finanziert seinen Import aus seinem im Ausland angesammelten Vermögen, aus seinen akkumulierten Devisenreserven, oder es verschuldet sich. Man mag es mögen oder auch nicht, Ökonomie ist und bleibt die Lehre vom Mangel und von der Knappheit, auch in der Globalisierung.

      Wohlstandsgewinne aus der internationalen Arbeitsteilung sind nicht zum Nulltarif zu haben. Es gibt Bedingungen dafür, daß sie eintreten. Diese Voraussetzungen sind ausführlich in der Literatur der Entwicklungsländer erörtert worden. Wichtige Aspekte sind, daß sich ein Land an veränderte Wettbewerbsbedingungen, zum Beispiel negative Terms-of-Trade-Schocks, anpassen und neue Exportgüter erschließen kann, daß Monokultur und Abhängigkeit von einem einzigen Exportgut vermieden werden und daß der Exportbereich auf die gesamte Volkswirtschaft ausstrahlt.

      Eine weitere Voraussetzung sind stabile, wachstumsadäquate institutionelle Rahmenbedingungen. Kriegerische Auseinandersetzungen, aber auch abrupte Änderungen in den institutionellen Rahmenbedingungen sind der wirtschaftlichen Entwicklung abträglich. Daß Afrika südlich der Sahara das Armenhaus der Erde ist, liegt unter anderem daran, daß ein stabiles politisches Umfeld nicht gegeben ist. Eine weitere wichtige Bedingung lautet, daß langfristige volkswirtschaftliche Interdependenzen nicht auf dem Altar des Populismus geopfert werden dürfen. So ist die seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verfolgte Strategie der Importsubstitution Lateinamerikas mit dem Schutz der heimischen Sektoren gescheitert.

      Sechstens: Finanz- und Währungskrisen lassen sich nur durch eine glaubwürdige Stabilitätspolitik vermeiden.

      Auch vom Geldwesen können Verwerfungen ausgehen. Es gibt reichhaltige Erfahrung mit Hyperinflationen lateinamerikanischen Typs. Wenn wie in Brasilien die Geldmenge - wie von 1991 bis 1995 - mit 219,9 Prozent im Jahr zunimmt, darf man sich nicht wundern, daß die jährliche Inflationsrate bei 223,7 Prozent liegt, daß also von stabilem Geld keine Rede sein kann. Daß dann die heimische Währung gegenüber stabileren Währungen abgewertet werden muß, darf ebenfalls nicht überraschen. Und wenn diese Abwertung zeitweise hinausgezögert wird - zum Beispiel wenn die gleitende Anpassung die Inflationsdifferenz zum Ausland nicht hinreichend widerspiegelt -, kommt es zwangsläufig zu einer Währungskrise. Deren Ursache liegt in der mangelnden monetären Stabilität. Der Auslöser ist in aller Regel, daß die Teilnehmer auf dem internationalen Kapitalmarkt schlagartig das Vertrauen verlieren und daß der kurzfristige Kapitalzustrom ausbleibt oder sich sogar ins Negative wendet. Es kommt zu einem "currency run", zu einer Flucht aus der Währung. Ohne eine solide nationale Stabilitätspolitik sind solche Krisen nicht zu vermeiden.

      Die Globalisierungsgegner können nicht argumentieren, Länder sollten sich um monetäre und finanzielle Stabilität nicht scheren. Dies würde sich in der mittleren Frist bitter rächen und zu Lasten der Menschen in diesen Ländern gehen. Währungs- und Finanzkrisen wären dann vorprogrammiert, die Länder würden in ihrer Realwirtschaft schmerzlich getroffen.

      Eine Steuer auf kurzfristige Kapitalbewegungen (Tobin-Steuer), mit der man Sand in das Getriebe der internationalen Finanzmärkte streut und die Transaktionskosten erhöht, kann Währungskrisen nicht vermeiden. Selbst wenn eine solche Steuer den Zustrom von Portfoliokapital etwas verringern könnte, vermiede sie nicht das Ausbleiben von Kapitalzustrom und die Kapitalflucht, also die Umkehr von Kapitalbewegungen, wenn Vertrauen verlorengegangen ist. Zudem sind die Kosten beachtlich: Kurzfristiger Kapitalverkehr dient auch zur Finanzierung von Exporten und Importen; die Tobin-Steuer würde die Vorteile aus Handel verringern, die gerade den Entwicklungsländern eine Wohlstandsmehrung bringen können. Auch der erwünschte reale Kapitalimport würde eingeschränkt.

      Es gilt die internationalen Regelmechanismen rund um die WTO auszubauen.

      In der Praxis bedürfte es eines komplizierten Überwachungssystems, um die verschiedenen Formen der Kapitalbewegungen abzugrenzen, wenn man nur Portfoliobewegungen besteuern wollte. Schließlich kann man sich schwerlich vorstellen, daß einzelne Staaten länderspezifische Tobin-Steuern anwenden würden. Länder, die dies täten, würden die Entwicklung eines heimischen Finanzmarktes beschädigen. Es müßte also eine solche Steuer von allen Ländern angewandt werden. Dies setzt eine Übereinkunft unter allen Staaten voraus, was kaum realisierbar sein dürfte.

      Siebtens: Ein weltumspannender Ordnungsrahmen für die internationale Arbeitsteilung gewinnt größere Bedeutung.

      Auch wenn es erwünscht ist, daß sich Volkswirtschaften einem Standortwettbewerb um die mobilen Faktoren stellen und daß sie in diesem institutionellen Wettbewerb nach geeigneten nationalen Regelungen suchen, wird man in einzelnen Bereichen aus einer Reihe von Gründen auf ein internationales Regelwerk für souveräne Staaten setzen müssen. Dabei geht es darum, daß Staaten (teilweise) auf ihre Souveränität verzichten und sich für ihr Verhalten an bestimmte international vereinbarte Regeln binden. Ein sehr simpel erscheinender Ansatz lautet, mit diesen internationalen institutionellen Regelungen die Transaktionskosten zu senken.

      Trotz der vermeintlichen Simplizität trägt dieser Ansatz weit: Er vermeidet strategisches Verhalten einzelner Länder (vor allem der großen) zum Nachteil der anderen (gerade der kleinen), etwa in der Handelspolitik; er reduziert negative externe Effekte (dazu zählen in einer weiten Interpretation auch Kriege); und er schöpft positive externe Effekte aus. Damit umfaßt dieser Ansatz auch öffentliche Güter. Das sind für den Ökonomen Güter, die von allen in gleicher Intensität genutzt werden - wie die Verläßlichkeit von Handelsregeln, die Stabilität des internationalen Finanzsystems, globale Umweltmedien und die Biodiversität.

      Dementsprechend sollte sich, unabhängig von der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das internationale Regelwerk auf die internationale Handelsordnung im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO (einschließlich der Dienstleistungen), die internationale Wettbewerbspolitik, auf die internationale Finanzordnung und auf globale Umweltgüter beziehen. Es ist unverständlich, daß die Globalisierungsgegner diese bereits bestehenden Regelmechanismen militant bekämpfen. Gerade wer globale - also nationalistische Ziele überwindende - Belange befördern will, muß am bereits entwickelten institutionellen Rahmen ansetzen.

      Die vorstehenden Punkte können nicht beanspruchen, die gesamte Thematik der Globalisierungsängste abzudecken. Drei wichtige Aspekte dürfen bei der derzeitigen Orientierungsdebatte jedoch nicht unter den Teppich gekehrt werden. Zum ersten würde eine Abschottungsstrategie dazu führen, daß die Länder auf die möglichen Vorteile aus der internationalen Arbeitsteilung verzichten, wie die Erfahrung Lateinamerikas mit der fehlgeschlagenen Politik der Importsubstitution in den vier Jahrzehnten seit 1950 und der Fehlschlag der Arbeitsteilung des Comecon zeigen. Abschottung wäre für die Menschen Wohlstandsverlust, der Weg in die Armut. Dies kann nicht gewollt sein. Protektionismus ist kein Ausweg.

      Zum zweiten müssen die Globalisierungsgegner wirtschaftliche Grundzusammenhänge zur Kenntnis nehmen. Auch in offenen Volkswirtschaften lassen sich Knappheiten, konkurrierende Verwendungen, Restriktionen und Zwänge nicht durch Illusionen und noch soviel Emotion aus der Welt schaffen. Und zum dritten wird wohl niemand eine geschlossene Gesellschaft anstreben wollen, in der - um Karl Poppers Formulierungen für die offene Gesellschaft analog anzuwenden - die Individuen sich persönlichen Entscheidungen nicht gegenübersehen, in der die Institutionen keinen Raum für die persönliche Verantwortlichkeit lassen und in der die kritischen Fähigkeiten der Menschen nicht in Freiheit gesetzt werden. Die Antiglobalisierer müssen die Verantwortung dafür übernehmen, welche Welt sie haben wollen.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.08.2002, Nr. 196 / Seite 13
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 17:08:38
      Beitrag Nr. 23 ()
      Seid ihr sicher, daß im Bananenjoghurt auch Banane drin ist? So wie ich die Lebensmittelindustrie kenne, ist da außer Aroma und undefinierbaren Stückchen, die ebenso eingefärbte Schimmelpilze sein können, entweder keine oder nur Spuren von Banane drin.

      Schließlich ist im Erdbeerjoghurt auch das Erdbeeraroma aus australischer Baumrinde.

      Wohl bekommts!
      Avatar
      schrieb am 24.08.02 21:02:08
      Beitrag Nr. 24 ()
      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 04.07.03 14:00:35
      Beitrag Nr. 25 ()
      Blendfeuer im Genkrieg
      Es kommt, was kommen muß: Europas neue Biotech-Epoche

      Auf den Verbraucher, dieses Instinkt-Vernunft-Fernsteuerungsmischwesen, zu dem ein Mensch mutiert, wenn er einen Supermarkt betritt, kommen neue Herausforderungen zu. Vom nächsten Jahr an, dies hat das Europäische Parlament soeben möglich gemacht, werden in Europa gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, in die Lebensmittelproduktion eingespeist und, bunt verpackt, in den Regalen beworben. Wer dann einen Supermarkt betritt, wird zur Projektionsfläche biopolitischer Anschauungen und Imperative. "Hergestellt aus genetisch veränderten Organismen" - dieser Satz, der dann die Hüllen von Joghurts, Cornflakes und Spaghetti zieren wird, macht die Grundfrage, wieviel Vertrauen den Gentechnikern zu schenken ist, für jeden zum Alltagsrätsel.

      Der multinationale Antikonzern Greenpeace setzt darauf, daß seine langjährige Anti-Kampagne verfängt und daß deren Botschaften ihren Weg in die Tiefenschichten der Verbraucherpsyche gefunden haben. Nichts als Verderben - ungesundes Essen, ihrer Natürlichkeit beraubte Landschaften, zu Lizenzgebührsklaven degradierte Bauern, konzernabhängige Entwicklungsländer - droht Greenpeace zufolge. Die Strategen in Hamburg sind sich sicher, daß die Verbraucher ihre Finger von der "manipulierten Ware" lassen werden.

      Greenpeace führt seit einer Weile vor, wie man irrationale Angst in ein Produkt verwandeln kann, das sich via kostenloser Sendezeit im Fernsehen und dem Fluß von Spendengeldern kommerziell rentiert. Nach allen Regeln der Manipulationskunst verbreitet der Anti-Konzern die Vokabel vom "Gen-Weizen", vom "Gen-Gemüse" und vom "Gen-Mais", die ungesund seien und deren Anbau und Verkauf es zu verhindern gelte. Diese Signalwörter erwecken den skurrilen Eindruck, als gebe es genfreie Lebensmittel. Bisweilen nimmt der Feldzug denn auch komische Züge an: "Bald genfreies Brasilien?", so wurde eine Pressemitteilung hoffnungsfroh betitelt. Der Begriff des "Gens", der inzwischen hundert Jahre alt ist und eine Grundeinheit des Lebens beschreibt, wird durch Greenpeace mit antiaufklärerischem Impetus zum Schreckens- und Kampfbegriff umfunktioniert.

      Es hilft nichts, die selbsternannten Hüter des Lebens zu einem Crash-Kurs in Biologie zu verdonnern: Hier wird bewußt verkürzt. Mit der Professionalität der Warenkultbegründer von Marlboro und Mercedes haben sie ein Geschäftsmodell darauf gebaut, daß den Bewohner der Moderne im grellen Licht des Supermarkts - dieses mit dem Lineal geordneten Wald-und-Wiesen-Ersatzes - ab und an das konkrete Verlangen nach einer abstrakten Natürlichkeit überfällt. Befriedigt aber ein Verbraucher, der bald im Supermarkt seinen Kopf oder die Waren dreht und wendet, um den "Gentechnik"-Hinweis zu entziffern, nicht sein natürliches, sondern vielmehr ein manipuliertes Bedürfnis?

      Es gibt sehr wenige Gründe, in den Chor der Gentech-Lobbyisten einzustimmen und jedes Produkt der Grünen Gentechnik zu glorifizieren, womöglich sogar alle Äcker damit zu bepflanzen. Amerika, wo sich im Südwesten eine der befremdlichsten und biologisch ärmsten Agrarsteppen der Erde erstreckt, liefert ein abschreckendes Beispiel, sowohl was die Landwirtschaft betrifft als auch die Eßkultur. Daß dort Detektive und Rechtsanwälte über die Felder wandern und Bauern aufspüren, die unerlaubt oder unabsichtlich von Konzernen entwickeltes Saatgut anbauen, macht keinen Appetit auf gentechnisch veränderte Lebensmittel.

      Es gibt aber gute Gründe dafür, das neue Wissen der Biologie mittels Gentechnik in der Landwirtschaft zum Einsatz zu bringen: Es macht Pflanzensorten möglich, die eine in vieler Hinsicht umweltschonendere Nahrungsversorgung sowie gesündere Lebensmittel ermöglichen. Die Dichotomie zwischen Industrie-Krankmach-Zerstörungs-Landwirtschaft und einer Öko-Sanftheit-Alleswirdgut-Landwirtschaft läßt sich nicht aufrechterhalten. Indem Greenpeace gerade in Europa den Fortschritt der Grünen Gentechnik verhindert und Versuchsfelder, die der Sicherheitsforschung dienen sollten, zerstört, wird verzögert, was die Beschlüsse des EU-Parlaments nun ermöglichen sollen: der Grünen Gentechnik in Europa ein eigenes und ökologisches Gepräge zu geben.

      Auch wenn es die Charakteristika der ersten Generation von gentechnisch veränderten Pflanzen nahelegen: Ökolandbau und Gentechnik sind per se kein Gegensatzpaar. Wenn es etwa gelingt, Pflanzen mit gentechnischen Eingriffen gegen Pilzbefall resistent zu machen, können sich Ökobauern die Anwendung giftiger Schwermetalle ersparen. Klug benutzt, wird die Gentechnik auch einen Anreiz bieten, die Artenvielfalt zu bewahren und zu konservieren, schließlich birgt sie Inspiration für den Gen-Ingenieur.

      Die von Greenpeace mantrahaftig wiederholten Bedenken haben eines gemeinsam: Es gibt für sie technische oder politische Lösungen. Daß Bauern von Konzernpatenten abhängig werden, läßt sich verhindern, wenn man die öffentliche Biotechnikforschung steigert und auch mittelständischen Saatzuchtbetrieben eine Chance gibt. Indien, wo soeben eine "frei verfügbare", unpatentierte Gentechnik-Kartoffel gezüchtet worden ist, macht dies vor. Ob gentechnische Merkmale sich in natürlichen Verwandten einer Pflanze ausbreiten, ist vielfach eine Frage der Konstruktion von Gensequenzen.

      Daß technische Eingriffe des Menschen am Erbgut per Definition unnatürlich sein sollen und einen Konsumverzicht begründen können, leuchtet nicht ein. Mit der Zeit wird die Gentechnik zur Natur des Menschen gehören. Sie zu verteufeln hieße, die biologische und kulturelle Evolution anhalten zu wollen. Man muß nicht gleich dem Genetikpionier James Watson zustimmen, der sagt, wer solle denn Gott spielen, wenn nicht der Mensch. Es reicht schon, dafür offen zu sein, daß menschliche Gedanken sich in neuartige Lebewesen transformieren.

      CHRISTIAN SCHWÄGERL

      Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.07.2003, Nr. 152 / Seite 38
      Avatar
      schrieb am 04.07.03 14:17:50
      Beitrag Nr. 26 ()
      wird schwägerl eigentlich von bush bezahlt?
      Avatar
      schrieb am 04.07.03 15:01:11
      Beitrag Nr. 27 ()
      @stocktr@in

      Du hast aber echt starke Argumente auf Lager :eek:
      Avatar
      schrieb am 04.07.03 15:14:17
      Beitrag Nr. 28 ()
      #27: Das Problem ist doch, daß viele Leute einerseits - vollkommen zu Recht! - die Aussagen der Industrie kritisch hinterfragen, andererseits die Aussagen von greenpeace völlig unkritisch übernehmen. Vielleicht sollte sich diese Leute mal die Mühe machen, eine eigene Meinung zu bilden und dabei auch den Argumenten von greenpeace mit einer gesunden Skepsis gegenüber treten?

      John D.


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