Meinung
Zypern – Und täglich grüßt das Murmeltier
Inzwischen liegt der Entwurf eines Memorandums of Understanding für Zypern vor. Er ist vertraulich, doch können Sie ihn hier auf der Seite einer zypriotischen Tageszeitung einsehen. Inhaltlich
unterscheidet er sich nur wenig von den Maßnahmen, die mit Spanien, Portugal oder Griechenland vereinbart wurden. Der Bankensektor soll frisch finanziert und saniert, die Vertragsfreiheit im
Arbeitsmarkt wiederhergestellt, Steuern erhöht und Ausgaben gekürzt werden. Die Rezepte gleichen sich. Auch die in vorigen Rundbriefen im Zusammenhang mit anderen Programmen angesprochenen Probleme
bleiben gleich.
So stellt die Troika fest, dass Zypern ein Problem mit einer „Überexpansion auf dem Immobilienmarkt“ habe. Ich spreche lieber von einer Immobilienblase. Man muss die Fakten beim Namen nennen.
Immobilienblasen gab es vor allem auch in Irland und Spanien. Die Preise in Frankreich liegen auf einem ähnlichen Niveau. Deutschland hat sich abgekoppelt, doch inzwischen ziehen die Preise in den
Metropolen mit ungesund großen Schritten an. Die Troika will von Zypern nun die Einführung einer Grundsteuer auf Immobilien ab 2014. Diese soll sich anhand eines Bewertungsregisters bemessen, das
Zypern einrichten soll. Interessanterweise erkennt die Troika, dass eine Grundsteuer negative Auswirkungen auf die Immobilienpreise haben wird. Deshalb will sie eine Verringerung der zypriotischen
Grunderwerbssteuer bis 2016. In Summe handelt es sich um eine Steuererhöhung, die aus der Substanz bezahlt werden muss. Das wird sich negativ auf die Immobilienpreise auswirken und den Abwärtstrend
verstärken. Die Immobiliensteuer wird sich daher wie in Italien zyklusverstärkend auswirken. Die Preise werden noch stärker fallen als erwartet.
Damit wird sich auch der Druck auf die Bankbilanzen erhöhen. Schon jetzt sind jede Menge „zahlungsgestörte Vermögensposten“ (non-performing assets) in den Bilanzen vorhanden. Wenn der laufende
Ertrag aus Immobilien oder deren Verkaufspreise wegen der Grundsteuern weiter vermindert werden, dann dient dies der Sanierung des maroden zypriotischen Haushalts. Doch steigt die Zahl der faulen
Kredite. Steuererhöhungen mitten in einer Krise sind das falsche Rezept. Das hat auch Harvard-Ökonom Alberto Alesina festgestellt. Es macht einen Unterschied, ob Staatsdefizite durch
Steuererhöhungen oder durch Ausgabenkürzungen saniert werden. Steuerhöhungen führen tendenziell zu einer langen und tiefen Rezession. Ausgabenkürzungen dagegen führen allenfalls zu kleinen und
kurzlebigen Rezessionen. Die Idee mancher Ökonomen aus dem politisch linken Lager, es gebe keinen Unterschied zwischen Kürzung von Staatsausgaben und Steuerhöhungen, ist falsch.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Ausgabenkürzungen von Strukturreformen begleitet werden. Strukturreformen steigern den Anreiz für private Investitionen, mit denen der Rückgang der
staatlichen Ausgaben kompensiert werden kann. Das ist in der Theorie sehr einfach, doch praktisch sehr schwierig. Das Beispiel Griechenland belegt dies. Es ist schwierig, Strukturreformen
gegen Interessengruppen durchzusetzen. Gewerkschaften wollen keine Lohneinbußen für ihre Klienten. Der Beamtenapparat verfolgt zunächst seine eigenen Interessen. Unternehmen wollen auf Subventionen
nicht verzichten. Die daraus resultierenden politischen Widerstände verzögern die Sanierung. Die Wirtschaft bricht stärker ein als sie müsste. Weitere Reformen müssen folgen, um den Verzug
auszugleichen. Auch hier ist die jüngste Anpassung des griechischen Programms das schlechte Beispiel. Zypern soll seinen Wohlfahrtsstaat einschränken, verschlanken und auch – das ist enorm wichtig
– den Arbeitsmarkt öffnen, indem es auf ein Instrument zur Lohnindexierung verzichtet. Man kann jetzt schon gespannt sein, wie dies funktionieren soll. Ein schlechtes Zeichen ist, dass Zyperns
Mindestlöhne unangetastet bleiben.
Lesen Sie auch
Und eines sollte man auch nicht aus dem Blick verlieren: Die Troika operiert nur an den Symptomen der Krise. Dabei deuten die Vergleichbarkeit der strukturellen Probleme in den Krisenländern und
die analogen Entwicklungen auf ihren Immobilienmärkten und im Banksektor auf gemeinsame Ursachen hin. Diese müssen endlich angegangen werden. Die EZB als Mitglied der Troika spielt sich inzwischen
als großer Krisenbekämpfer auf. Völlig außer Betracht bleibt, dass ihre Dauerniedrigzinspolitik und die übermäßige Bereitstellung von Liquidität die Krise ausgelöst haben. Das ist das eindeutige
Ergebnis des so genannten De Laroisiere-Reports (S. 7), der von der EU-Kommission selbst in Auftrag gegeben worden ist. Der Report kommt auch zu dem Ergebnis, dass eine einheitliche Bankenaufsicht
auf keinen Fall bei der EZB angesiedelt werden dürfe. Doch trotz rund 50.000 Beamten in Brüssel kann sich daran heute niemand mehr erinnern. Stattdessen feiert man die EZB für ihre katastrophalen
Anleihenaufkaufprogramme, mit denen sie noch viel mehr Liquidität ins System gibt. Wenn Währungskommissar Olli Rehn nun froh verkündet, dass der Höhepunkt der Krise überstanden sei, dann liegt er
falsch. Solange die Ursachen der Krise nicht angegangen werden, wird die Krise weiter anhalten und uns noch auf Jahre begleiten. Die Rückkehr zu gesundem Geld und die Wiederherstellung der
marktwirtschaftlichen Ordnung bleibt die drängendste Aufgabe der nächsten Jahre.