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    Inflation  3501  0 Kommentare Führt quantitative Lockerung zu höherer Inflation?

    Bei der Ausweitung der Geldmenge durch die Notenbank kommen unweigerlich  Erinnerungen an die Hyperinflation in der Weimarer Republik hoch.  Die Einzigen, die vom Anwerfen der Notenpresse profitieren, so heißt es oft, seien Schubkarren-Verkäufer, weil man Schubkarren brauchen wird, um den Lohn am Ende des Monats nach Hause zu tragen. Zwar erscheint das Risiko einer extremen Inflation außergewöhnlich gering. Doch es gibt Bedenken, wie sich die enorme Aufblähung der Geldmenge zukünftig auf die Inflation auswirken könnte. Eine Analyse der Zusammenhänge zwischen einer geldpolitischen Lockerung, dem sogenannten Quantitative Easing (QE), und einer Inflation ergibt zwei mögliche Ergebnisse. Aufgrund der geldpolitischen Lockerung sind Inflationswerte zwischen fünf und 15 Prozent genauso möglich wie, dass sich die Inflation trotz einer Verdreifachung  der Geldmenge lediglich zwischen null und fünf Prozent bewegt.
     
    Bei unserer Analyse haben wir uns auf die Beziehungen zwischen quantitativer Lockerung und Inflation konzentriert und andere wichtige Inflationstreiber wie einen potenziellen Rohstoff-Superzyklus und das Ende der importierten Deflation/Disinflation aus den Schwellenländern außer Acht gelassen. Es ist mittelfristig möglich, dass infolge von QE Inflationswerte im Bereich von fünf bis 15 Prozent zur neuen Realität werden. Allerdings zeigen wir ebenfalls auf, dass man die Geldmenge verdreifachen kann und sich die Inflation dennoch nur im Bereich von null bis fünf Prozent bewegt.
     
    Die tatsächlichen Folgen hängen stark von den politischen Maßnahmen, der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und auch den Inflationserwartungen ab. Diese drei Faktoren liefern neben den Importpreisen die frühesten Warnzeichen für eine bevorstehende länger andauernde Inflation – und man ist gut beraten, gerade auf diese Signale zu achten. Basierend auf diesen Indikatoren haben wir eine Inflationsampel (siehe Tabelle 1) erstellt und diese steht mit Ausnahme eines Feldes auf gelb und grün. Doch es gibt durchaus auch legitime Bedenken, wie sich ein enormes Aufblähen der Geldmenge zukünftig auf eine Entwertung des Geldes auswirken könnte  und die Politik stellt nach wie vor das größte Risiko dar – und deswegen zeigt die Ampel hier auch rot an Denn in der Theorie weiß der Staat sehr wohl, wann der geeignete Zeitpunkt zum Stoppen der Notenpresse gekommen ist.
     
    Die Praxis ist aber selten so einfach wie die Theorie. Ein durchdachter Plan für den Ausstieg aus der geldpolitischen Lockerung könnte dann einen Inflationsanstieg verursachen, wenn er zum falschen Zeitpunkt kommt. Ungenaue Daten führen zum Beispiel dazu, dass eine Abkehr  von der Geldlockerung zu spät –  also, dann, wenn sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes schon signifikant beschleunigt hat – geschieht.
     
     
    Die anderen Indikatoren der Inflationsampel stehen aus verschiedenen Gründen auf gelb und grün. Aktuell scheint das Risiko einer extremen Inflation damit dennoch niedrig zu sein. Denn eine monetäre Expansion allein wird vermutlich nicht zu einer stärkeren Inflation führen. Zudem ist das  derzeitige Quantitative Easing – also etwa der Kauf von Staatsanleihen durch die US-Notenbank Federal Reserve (fed) – eine kurzfristige Maßnahme. Eine Lohn-Preis-Spirale wie in den 70ern ist daher nicht wahrscheinlich. Mittelfristig könnte die quantitative Lockerung jedoch ein Nachlassen der Haushaltsdisziplin, finanzielle Repression und andere politische Fehler zur Folge haben. Auch wenn die Ausweitung der Geldmenge durch QE I und II bisher beispiellos ist, so hat sie dennoch zu einem deutlichen Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit geführt. [1]
     
    Die Geldmenge der USA hat sich mindestens verdoppelt, seit die US-Notenbank ihre erste quantitative Lockerungsrunde einläutete. Doch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist im gleichen Zeitraum um rund zwei Drittel gesunken. Angesichts einer so riesigen Ausweitung der Geldmenge könnte aber selbst eine Umlaufgeschwindigkeit weit unter den Werten von 2007 der US-Notenbank für ernste Kopfschmerzen sorgen.
     
     
     
     
     
     
    Wann setzt also eine Phase erhöhter Umlaufgeschwindigkeit ein, die der Politik signalisiert, sich von der quantitativen Lockerung zu verabschieden? Mit Blick auf die Vergangenheit und den gesunden Menschenverstandes ist die Kreditvergabe der Banken ein gutes Barometer für Veränderungen der Umlaufgeschwindigkeit. Auch wenn das Verhältnis in Großbritannien nicht ganz so stark ist: In den USA ist es sehr eng (Abbildung 2).
     
    In den USA sehen wir in diesem Bereich erste Anzeichen einer Erholung: Im letzten Quartal von 2011 zeigte sich die erste positive Wachstumsrate seit Mitte 2009 im Jahresvergleich. Um die Geschwindigkeit auf einen Wert zu bringen, der eine ernsthafte Inflationsbedrohung darstellen würde, wären allerdings kontinuierlich stärkere Steigerungen der Kreditvergabe nötig.
     
     
     
    Inflationserwartungen blieben standhaft
     
    Einer der beruhigenden Aspekte einer sehr lockeren Geldpolitik ist, dass sie die Inflationserwartungen nicht beeinflusst. Wenn sich die Inflationserwartungen nämlich hochschrauben, können sie nur durch eine glaubhafte Verpflichtung der Zentralbank zur Senkung der Geldentwertung wieder nach unten gedrückt werden. Anfang der 80er wurde erkannt, dass in der Regel  lediglich höhere Zinssätze und eine sich daran anschließende chronische Rezession die einzige Möglichkeit zur Rückkehr zu einer glaubwürdigen niedrigen Inflation sind. Die Erwartungen, sowohl in den USA als auch in Großbritannien, sind jedoch nach wie vor stabil – egal, ob man nun Marktdaten oder Verbraucherdaten zu Grunde legt.
     
    Wenn die Öffentlichkeit weiter auf die Integrität der Politiker vertraut, besteht also kein Grund, einen plötzlichen Inflationsanstieg zu erwarten. Dennoch ist Vorsicht geboten, weil dieses Gleichgewicht auf Empfindungen und subjektiver Argumentation basiert. Anders ausgedrückt: Die Ängste und Hoffnungen der Öffentlichkeit können sich schnell und ohne offensichtlichen Grund ändern, was Ökonomen nur allzu oft vergessen.
     
     
    Politische Fehler und finanzielle Repression
     
    Ob die Inflationserwartungen gering bleiben, hängt vom Vertrauen der Menschen in die Politik ab. Auch wenn wir wissen, dass er sein Handwerk versteht: Jeder Handwerker ist nur so gut wie seine Werkzeuge. Ein durchdachter Plan für einen Ausstieg aus der geldpolitischen Lockerung könnte dennoch einen Inflationsanstieg verursachen, wenn er zum falschen Zeitpunkt kommt oder sich durch ungenaue Daten verzögert. Das ist häufig der Fall in der Geldpolitik, wo eine Zinspolitik angesichts der gegebenen Daten korrekt, aber angesichts späterer Revisionen unangemessen erscheinen mag. [2] Wir sehen darin eine der größten Inflationsgefahren, die durch das QE-Programm ausgelöst werden. Denn ungenaue Daten führen dazu, dass die Abkehr von der Politik zu spät erfolgt, nämlich dann, wenn die Geschwindigkeit schon genügend zugenommen hat.
     
    In ähnlicher Weise ist auch die finanzielle Repression eine schwebende Bedrohung – entweder durch ein explizit höheres Inflationsziel oder eine größere Toleranz gegenüber Abweichungen nach oben. Nach prominenten Stimmen, die sich in diese Richtung äußern, darunter der derzeitige (Olivier Blanchard [3]) und der frühere Chefvolkswirt (Ken Rogoff [4]) des IWF, werden diese Maßnahmen an den führenden Tischen der weltweiten Wirtschaftspolitiker diskutiert, sind aber derzeit politisch nicht umsetzbar. Um zu sehen, wie das funktioniert, genügt ein Blick auf die Zahlen der Bank of England. Hier lag die Kerninflation in den vergangenen zwei Jahren meistens bei oder über der 3-Prozent-Grenze.
     
    Gerede über eine Hyperinflation ist also  nicht nur irreführend, sondern auch Schwarzmalerei. Hyperinflation ist in hohem Maße mit ernsten Verschuldungsproblemen verbunden, wenn die Behörden versuchen, die Notenpresse als Arznei einzusetzen. Der Wendepunkt zur Hyperinflation ist erreicht, wenn die Steigerung der Geldmenge nicht mehr einen Versuch zur Förderung der realen Wirtschaftsaktivität (zum Beispiel  QE) darstellt, sondern ein bewusstes Mittel, um sich vor schwierigen, aber verantwortungsvollen Entscheidungen zu drücken.
     
     
    Unsere wichtigsten Schlussfolgerungen sind:
     
    –      Es ist unwahrscheinlich, dass die Ausweitung der Geldmenge allein die Inflation steigen lässt. In Kombination mit einer höheren Umlaufgeschwindigkeit des Geldes aber könnte die mengenmäßige Lockerung dazu führen, dass die Inflation mittelfristig deutlich über die aktuellen Zielwerte hinausschießt.
     
    –      Die derzeitige geldpolitische Lockerung wird als kurzfristige Maßnahme wahrgenommen und man vertraut darauf, dass die Politik erfolgreich für eine Abkehr von dieser Strategie sorgen wird. Entsprechend haben sich die Inflationserwartungen zurzeit auf die aktuelle Zielrate eingependelt. Daher ist eine Lohn-Preis-Spirale wie in den 1970ern unwahrscheinlich.
     
    –      Politische Fehler stellen nach wie vor ein großes Risiko dar. In der Theorie weiß der Staat sehr wohl, wann der geeignete Zeitpunkt zum Stoppen der Notenpresse gekommen ist. In der Praxis aber ist die Volkswirtschaft eine komplizierte und verworrene Wissenschaft, und Politik machen ist nur selten so herrlich einfach wie in der Theorie.
     
    –      Neben politischen Fehlern besteht die Gefahr, dass die finanzielle Repression die Inflation fördert, und zwar in Form von höheren Zielen oder einer größeren Toleranz gegenüber verfehlten Zielen. Mittelfristig besteht die Sorge, dass die quantitative Lockerung ein Nachlassen der Haushaltsdisziplin zur Folge haben könnte.
     
    (Gastbeitrag von Keith Wade,  Chefvolkswirt und James Bilson, Volkswirt bei Schroders)
     
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    [1]Grund dafür ist natürlich, dass die Geldmenge den Nenner in der Geschwindigkeitsgleichung bildet. Wäre aber der Zähler (das nominale BIP) durch eine Erhöhung der Geldmenge ausreichend angehoben worden, so wäre die Geschwindigkeit nicht so stark gefallen.
     
    [2]Siehe Orphanides „Monetary Policy Rules Based on Real-Time Data“ American Economic Review, September 2001
     
    [3]Blanchard, Dell’Ariccia & Mauro „Rethinking Macroeconomic Policy“ IMF Staff Note, Februar 2010
     
    [4]Rogoff „Embracing Inflation“ The Guardian, Dezember 2008
     




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