Hess AG
Rekord - Vier Monate vom Börsengang zur Pleite
Das ist ein neuer Rekord am deutschen Aktienmarkt: In weniger als vier Monaten vom Börsengang in die Pleite. Der Leuchtenhersteller Hess hat es geschafft. Am 25 Oktober 2012 war die Erstnotiz. 36
Millionen Euro flossen in die Kassen des Unternehmens. Ende Januar gab es die ersten Berichte über Bilanzmanipulationen. Am 13. Februar 2013 ging das Management zum Amtsgericht, um den
Insolvenzantrag zu stellen.
Der Fall macht deswegen sprachlos, weil eigentlich alle Indizien dagegen sprachen, dass man es hier mit einer echten Anleger-Abzocke zu tun hat. Ein mittelständisches Unternehmen aus dem
Schwarzwald mit Familienaktionären, solide finanziert, kein Start-Up, sondern 65 Jahre alt. Dazu ein Listing im Prime Standard, dem höchsten Börsensegment in Deutschland, mit den höchsten
Anforderungen an Publizität und Anlegerschutz. Die Börsenpolizei schaut dem Vorstand also vermeintlich täglich auf die Finger, sollte man meinen. Weit entfernt also vom windigen Freiverkehr.
Das sind zwar nicht unbedingt die Voraussetzungen für eine echte Börsenrakete. Aber zumindest die Zutaten für eine solide Beteiligung – sollte man meinen. Was im beschaulichen
Villingen-Schwenningen allerdings passiert ist, klingt nach einer Räuberpistole übelster Art. Finanzvorstand Peter Ziegler, schreibt das Handelsblatt, soll über Jahre hinweg systematisch Zahlen
manipuliert haben. Unter anderem soll er Scheinumsätze über Briefkastenfirmen produziert haben. Kosten verursachten diese Scheinumsätze keine, deswegen wurde auch der Gewinn der Hess AG deutlich zu
hoch ausgewiesen. Wer die Telefonnummer einer dieser Firmen anruft, landet auf dem privaten Anschluss des Finanzvorstands. Das ist Wild-West, wie wir es seit den Zeiten des Neuen Markts eigentlich
überwunden geglaubt hatten.
Privatanleger haben sich trotz der steigenden Kurse zuletzt tendenziell bei der Aktienanlage zurückgehalten. Das gilt insbesondere für viele Nebenwerte, von denen etliche bis hoch in den SDAX
mittlerweile ein trauriges Mauerblümchendasein bei äußerst dünnen Umsätzen fristen. Das mag man beklagen. Man kann aber auch angesichts des Falles Hess sagen: Alles richtig gemacht, liebe
Privatanleger!
Eine besonders pikante Note bekommt der Skandal in Villingen-Schwenningen durch die federführende Bank beim Börsengang. Es ist die LBBW, die Landesbank Baden-Württemberg. Eine Staatsbank, gerade
erst mit Mühe und Not von den Belastungen Finanzkrise erholt, arrangiert also den größten Flop am deutschen Aktienmarkt seit vielen Jahren. Bisher war bei Betrugsfällen an der Börse für die
Aktionäre wenig in Sachen Schadenersatz zu holen. Das könnte diesmal anders sein.
Die Tatsache, dass der Fall Hess so kurz nach dem Börsengang passiert, wird den Bankern noch eine Menge unangenehme Fragen bescheren. Und sie spricht dafür, dass die Anleger möglicherweise auf dem
Klageweg bessere Chancen haben könnten als in der Vergangenheit. Nicht bei Hess, dort werden sich in erster Linie die Gläubiger schadlos halten. Aber beim Konsortialführer in Stuttgart.
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