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    Meinung  5421  27 Kommentare Vom Verfall der Sitten durch die Rettungspolitik und einem Plan C

    Jeder erpresst nun jeden. Neulich schrieb ich, dass Irland sich in der Lage sähe, Deutschland und die Eurozone zu erpressen. Es ging um neue und vorteilhaftere Konditionen für die irischen Banken. Nun erpresst die Troika Zypern mit einem Nimm-10-Milliarden-oder-gar-nichts-Angebot. Dessen Regierung stimmt zu, während seine Regierungskoalition es geschlossen ablehnt. Dann verbessert Zypern seine Verhandlungsposition, indem es die Troika mit den Russen in die Zange nimmt. Die EZB leistet umgehend Hilfe an der offenen Flanke und droht mit Kündigung der ELA-Kredite, mit denen sie über zwei Jahre lang still und heimlich die zyprischen Banken finanziert hat. Während dieser Zeit hat sie dem Abfluss von Haftkapital tatenlos zugesehen. Die Rettungspolitik hat aus der Eurozone einen Schacher- und Erpresserclub gemacht. Auf jedem Basar geht es ehrlicher und anständiger zu.
     
    Aus dem Gebälk der Eurozone raucht es. Wenn sich die Politik nicht ändert, dann werden bald Flammen daraus schlagen und die Rettungseuropäer vor den Trümmern dessen stehen, was einmal die europäische Einigung werden sollte. Diese andere Politik habe ich mehrfach skizziert und immer wieder gefordert. Ich will meinen Plan C einmal mehr zunächst allgemein und dann speziell am Beispiel Zypern schildern.
     
    Wir brauchen – allgemein gesprochen – eine Rückkehr zur Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit. Das bedeutet, dass der Staat es toleriert, wenn Unternehmen bankrott gehen. Was für Schlecker und Opel richtig ist, das ist auch bei Banken richtig. So wie die Insolvenz von Schlecker ohne Steuergelder zur „Rekapitalisierung“ auskommt, kommt auch die Insolvenz einer Bank ohne Steuergelder aus. Das gilt für jede Bank. Die Politik konzentriert sich auf die Rahmenbedingungen, der Staat stellt den Insolvenzrichter. Insolvenzen sind regelgebundene Verfahren, die sich nach Gesetzen richten. Sie sind eine Angelegenheit für Insolvenzverwalter und Gerichte, nicht für eine Troika oder Regierungen. Marktwirtschaft heißt, dass wer Risiken eingeht, die Chance auf den Ertrag hat. Marktwirtschaft heißt, dass Risiken sich verwirklichen können und dürfen. Das gilt für Investoren in Banken und ihre Gläubiger. Das gilt für Anleger in Staatsanleihen.
     
    Speziell in Bezug auf Zypern heißt das, dass die die zyprischen Banken getrennt von den Problemen des zyprischen Staates zu betrachten sind. Die Troika behauptet, der „zyprische Banksektor“ bräuchte 10 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung. Das ist in seiner Allgemeinheit schlicht Unfug. Nicht der Banksektor braucht Geld, sondern einzelne Banken. In einer Marktwirtschaft gibt es kein Branchenkollektiv. Vielmehr handelt jedes Unternehmen eigenverantwortlich. Das gilt auch und gerade im Hinblick auf seine Finanzierungsstruktur. Wenn eine Bank in finanzielle Schwierigkeiten gerät, dann betrifft das ihre verschiedenen Gruppen von Gläubigern und Eigentümern. Diese haben komplexe Verträge geschlossen. Aus diesen ergibt sich, wer im Falle einer Insolvenz an welcher Rangstelle befriedigt wird. Aus diesen Verträgen ergibt sich auch die Verhandlungssituation in der Insolvenz oder der Insolvenznähe. Manchmal zeigt sich, dass es für Gläubiger und Eigentümer vorteilhaft ist, frisches Geld nachzuschießen. Wenn zum Beispiel russische Einleger oder Gläubiger zyprischer Banken es für nötig halten, so könnten sie Kapital nachschießen. Überlegungen dazu gab es. Manchmal zeigt sich, dass man dem guten Geld kein schlechtes hinterherwerfen sollte. Dann beißen Gläubiger und Eigentümer in den sauren Apfel und tragen die Verluste. So ist die Marktwirtschaft. So ist das bei zyprischen Banken.
     
    Ließe die Politik das Funktionieren der Marktwirtschaft zu, so würde das Schicksal seiner Banken Zyperns Staatshaushalt nicht belasten. Bei einer marktwirtschaftlichen Lösung kommt die Bankenrettung ohne Steuergeld aus. Immer wenn Steuergeld beteiligt ist, gilt: Der Staat mischt sich ein und verhindert und stört die Marktfunktionen. Es folgt, dass das Problem wackelnder Banken unabhängig vom Staatshaushalt ist.
     
    Schichtet man das Problem der Banken auf diese Weise ab und überlässt ihr Scheitern und gegebenenfalls die Refinanzierung dem Markt, dann werden die Haushaltsprobleme Zyperns um ein Vielfaches kleiner. Nach den Ergebnissen der Troika werden 7 Milliarden Euro für die Finanzierung des Haushalts und für die Refinanzierung fälliger Staatsschulden veranschlagt. Zypern hatte im 3. Quartal 2012 rund 15 Milliarden Euro Schulden, das entsprach rund 84 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Unter der Annahme, dass Zypern bis zu seiner eigenverantwortlichen Sanierung  5 Milliarden Euro zusätzliche Schulden machen muss (weil 2 der veranschlagten 7 Milliarden der Ablöse alter fälliger Schulden dienen), stiege die Schuldenlast Zyperns auf rund 110 Prozent. Diese Schulden wären tragfähig, vor allem weil Zyperns Gläubiger wüssten, dass es für seine Banken kein Geld aus dem Fenster werfen wird und für Bankschulden nicht haftet. Der Finanzbedarf des Staats wird für Anleger in zyprische Staatsanleihen kalkulierbar, weil sie keine Übernahme unwägbarer Bankrisiken mehr einpreisen müssen. Auf der Habenseite Zyperns stehen sogar noch die möglichen Erlöse aus den Gasfeldern vor seiner Küste. Meine Behauptung: Zypern ist allein deshalb vom Kapitalmarkt „abgeschnitten“, weil angenommen wird, es müsse für seine Banken haften. Und im schlimmsten Fall muss eben auch Zypern mit seinen Gläubigern eine Verhandlungslösung finden. Für Gläubiger von Staaten gilt nichts anderes wie für die von Banken. Jeder Investor sucht sich seinen Schuldner selbst aus und muss den Schaden tragen, wenn er einen Fehler macht und die Kreditwürdigkeit falsch einschätzt.
     
    Das sind die Spielregeln der Marktwirtschaft. Die Rettungspolitik hat diese Spielregeln durch politisches Geschacher ersetzt. Sie hat die simple Überschuldung einer Bank – in den USA wurden seit Lehmans Pleite am 15. September 2008 schon 458 Banken lautlos abgewickelt  – zu einer politischen Posse phantastischer Größe aufgepustet. Ganz Europa diskutiert nun das Schicksal zyprischer Banken. Die kannte bis vor kurzem keiner und musste auch keiner kennen. Sie waren für den Normalbürger wichtig wie der sprichwörtliche Sack Reis. Doch die Rettungseuropäer machen ein Gedöns um das unternehmerische Schicksal von mittelständischen Auslandsbanken wie bei einer Naturkatastrophe. Der Schaden für das europäische Friedensprojekt ist bereits heute unermesslich. Die Rettungspolitik setzt zudem Markt und Rechtsstaatlichkeit außer Kraft. Nimm das Recht weg, was ist der Staat dann noch anderes als eine Räuberbande?




    Frank Schäffler
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    Frank Schäffler (FDP) ist als klassischer Liberaler ein Kritiker der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung und des geldpolitischen Kurses der EZB. Der Autor veröffentlicht wöchentlich seinen Weblog, den man hier auf seiner Homepage anfordern kann.
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    Verfasst von 2Frank Schäffler
    Meinung Vom Verfall der Sitten durch die Rettungspolitik und einem Plan C Aus dem Gebälk der Eurozone raucht es, jeder erpresst jeden. Die Rettungspolitik hat aus der Eurozone einen Schacher- und Erpresserclub gemacht. Auf jedem Basar geht es ehrlicher und anständiger zu.

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    Kommentare

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    06.01.18 21:32:11
    Was will eigentlich Alexander Dobrindt :confused:

    Maut für Fußgänger?

    :D
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    12.07.17 02:18:36
    *
    Zu den Klängen von Beethovens 9. Symphonie*) in der Elbphilharmonie -
    brennende Autos, zerbrochene Schaufensterscheiben und geplünderte Läden.

    :rolleyes:

    *)
    Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium,
    wir betreten feuertrunken, Himmlische, Dein Heiligtum!
    ....
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    17.01.17 15:00:11
    Dienstag, 17. Januar 2017

    Person der Woche

    Warum Trump positiv überraschen könnte

    Von Wolfram Weimer

    Europa erwartet vom neuen US-Präsidenten nichts als Ärger. Mit banger Sorge wird nach Washington geblickt. Dabei übersieht man zuweilen das Potenzial.

    Für die meisten Europäer ist der Amtsantritt von Donald Trump in etwa so erfreulich wie Reizhusten. Seine Beliebtheit ist diesseits des Atlantiks ....
    ....

    Eine politische Frischzellenkur

    4. Das angekündigte US-Konjunkturprogramm dürfte die gesamte Weltwirtschaft beflügeln ....
    ....

    Seit Trumps Wahlsieg steigen an den Weltbörsen die Aktienkurse. Die Aussicht auf eine wirtschaftsfreundliche Politik mit niedrigen Steuern und die Konzentration des Staates auf Infrastruktur und Sicherheit anstatt auf Umverteilung und Umerziehung führt zu erheblichen Wohlstandsgewinnen rund um den Erdball. Allenthalben glauben große wie kleine Investoren, dass diese strategische Linie der Wirtschaftspolitik positiv sei und also investieren sie. Dieser Effekt wirkt wie ein Aufschwungimpuls in sich selbst. Alleine der Zehn-Prozent-Sprung der bisherigen Trump-Hausse hat im globalen Asset-Volumen der Aktien etwa sieben Billionen Dollar Zugewinn ausgemacht. Jedes Altersversorgungswerk, jeder Pensionsfonds, jedes Aktienportfolio von Sparern profitiert davon unmittelbar. Zugleich erleichtert die gut laufende Börse die Refinanzierung vieler Unternehmen und mehrt mittelbar Wohlstand für viele.

    5. Trumps politischer Non-Konformismus könnte auf die verkrusteten westlichen Demokratien wie eine Frischzellenkur wirken. Das bestehende Politiksystem aus Partei- und Medienkartellen verliert in vielen Ländern an Akzeptanz. Trumps polternder Amateurstil entlarvt zuweilen die dringende Reformbedürftigkeit mancher Institution - zum Beispiel eine als oligarchisch empfundenen Kaste von Parteiberufspolitikern. Oder eine als belehrend und einseitig auftretende Medienelite. Oder ein Steuersystem, das Millionen von Menschen, insbesondere aber der wirtschaftende Mittelstand als unfair und viel zu kompliziert ansieht. Wenn Trump das Steuersystem - wie angekündigt - vereinfacht und den Mittelstand entlastet, dann würde er damit ein Vorbild für die überfällige Reform in vielen Ländern schaffen. Es kann dabei hilfreich sein, dass Trump weder Berufspolitiker ist noch zum Establishment gehört.

    "Der Spiegel" beschrieb das schon früh als eine besondere Stärke Trumps, der "fast alles unterlässt, was herkömmliche Politiker machen." Er benenne gnadenlos alles, was im politischen System der USA faul sei. Und seien es - wie in dieser Woche - die Nato oder die EU, die er ebenso verblüffend offen hinterfragt. Tatsächlich bedürfen beide einer Revision. Ist die EU demokratisch genug? Wird sie von den Europäern wirklich akzeptiert? Ist sie effizient und bürgernah? Wo löst sie Probleme, wo schafft sie nur Bürokratie und Bevormundung? Ist sie ausreichend stark, um echte Probleme lösen? Droht ihr der Zerfall, weil die Europäer ihr nicht mehr trauen? Sie muss - da hat Trump einfach recht - wie die Nato neu gedacht und gebaut werden. Schützt die Nato ausreichend und zielsicher gegen Islamismus und Terrorismus? Hat sie einen Beitrag zur Befriedung der Ukraine oder Syriens geleistet? Stabilisiert sie unser Verhältnis zu Russland? Ist sie modern ausgerichtet für neue Allianzen des 21. Jahrhunderts oder doch ein Relikt des Kalten Krieges aus dem 20. Jahrhundert? Schon die Kaiser und Könige des Mittelalters wussten: Manchmal halten gerade die Narren der Macht den schärfsten Spiegel vor.

    Quelle: n-tv.de
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    So sieht das auch deKrug.

    Prost!

    :look:

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