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    Geldanlage  6261  0 Kommentare Sind Staatsanleihen wieder sicher?

    Ist die europäische Staatsschuldenkrise vorbei? Immerhin sind die Anleiherenditen von Staaten wie Italien, Spanien und Portugal auf den niedrigsten Stand seit acht Jahren gefallen, und selbst die Rendite griechischer Staatsanleihen ist mit 7,5% von ihren früheren Höchstständen weit entfernt. War also alles nur ein böser Traum, und Anleger können mit Staatsanleihen wieder risikolose Renditen einstreichen?

    Leider genügt ein Blick in die Finanzgeschichte, um festzustellen, dass die Vorstellung riskikoloser Staatsanleihen schon immer eine Illusion war. Staatskonkurse waren bisher nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In der von Reinhart und Rogoff (2009) vor der letzten Staatsschuldenkrise zusammengetragenen umfassenden Datensammlung über historische Finanzkrisen finden sich nur wenige Staaten, die ihre Schulden sowohl im Aus- als auch im Inland immer korrekt bedienen konnten, und aus Europa ganze fünf: Belgien, Finnland, Luxemburg, Norwegen und die Schweiz. Zwei Drittel der Staaten in der Datensammlung, darunter Schwergewichte wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Japan und China, waren in ihrer Geschichte sogar mindestens zweimal zahlungsunfähig, mit einem durchschnittlichen Abstand von 30 Jahren, also einer Generation, zwischen zwei Konkursen.

    Warum werden Staatsanleihen sowohl in der Theorie als auch in der Praxis dennoch immer wieder als risikolos dargestellt? Weil dahinter handfeste Interessen stehen, nicht zuletzt der Staaten selbst. Staaten sind nicht nur die Regulierer, sondern gleichzeitig auch die größten Kunden der Finanzmärkte, und sie können der Versuchung nicht widerstehen, sich in ihrer Rolle als Regulierer Vorteile für ihre Position als Schuldner zu verschaffen. Das zeigt sich besonders in den Regeln zur Bankenregulierung. Auch nach Einführung der Basel III-Reformen werden zumindest EU-Staatsanleihen weiterhin das Privileg besitzen, dass Banken für sie weder Risikokapital vorhalten noch die üblichen Beschränkungen für Großkredite beachten müssen. Auf diese Weise erhält die Vorstellung risikoloser Staatsanleihen, die jeglicher historischer Erfahrung widerspricht, weiterhin höchsten politischen Segen.

    Wenn man sich die Entwicklung der Staatsverschuldung in den letzten Jahren anschaut, muss man aber befürchten, dass die historische Erfahrung von Staatskonkursen sich auch in Zukunft fortsetzen wird, und das nicht nur in Entwicklungsländern, in denen Staatskonkurse bis heute ohnehin ein häufiges Phänomen sind. Die Bruttofinanzverbindlichkeiten aller OECD Staaten lagen vor 2008 für mehr als ein Jahrzehnt zwischen 60 und 80% des Bruttoinlandsprodukts, sind seitdem aber auf über 100% gestiegen. Dabei war der Anstieg für wichtige außereuropäische OECD-Staaten wie die USA und Japan sogar noch steiler als der Anstieg in der Eurozone, die im Mittelpunkt der letzten Staatsschuldenkrise stand. Es spricht also leider alles dafür, dass sich die Vorstellung risikoloser Staatsanleihen auch in Zukunft als Illusion erweisen wird.

    Es hilft einfach nichts: Anleger müssen akzeptieren, dass es keine sicheren Geldanlagen gibt. Staatsanleihen, Bankeinlagen, Bargeld und Immobilien mögen unter normalen Umständen in ihrem Wert weniger stark schwanken als Aktien, Gold oder Rohstoffe, aber ihre zukünftige Entwicklung ist ebenso unsicher, und Verluste sind keineswegs ausgeschlossen. Der einzige halbwegs funktionierende Schutz des eigenen Vermögens besteht nicht im Vertrauen auf eine oder wenige „sichere“ Anlagen, sondern nur in einer möglichst breiten Streuung zwischen möglichst vielen Anlageformen.

    Ein wesentlicher Aspekt der Unsicherheit aller Geldanlagen ist auch die Unmöglichkeit, die zukünftige Entwicklung ihres Wertes vorherzusagen. Die von fast allen Finanzberatern behauptete Fähigkeit, zukünftige Marktentwicklungen voraussehen zu können, ist genauso illusionär wie der Glaube an sichere Geldanlagen, und deshalb schaffen es die meisten aktiven Vermögensverwalter nicht, den vergleichbaren Marktindex zu schlagen. Realistische Geldanlage ohne Illusionen bedeutet Festlegung einer starren Allokation zwischen möglichst vielen Anlageklassen, darunter Aktien, Anleihen und Sachwerten wie Immobilien, Rohstoffen und Edelmetallen, dann Auswahl geeigneter Indexfonds für jede Anlageklasse, und schließlich Verwaltung des Portfolios durch Aufrechterhaltung der starren Allokation. Für eine individuelle Verwaltung ist ein Mindestanlagevolumen von mehreren Millionen Euro erforderlich, damit die zur Aufrechterhaltung der festen Allokation gelegentlich erforderlichen Umschichtungen („Rebalancierung“) durchgeführt werden können, ohne die Erträge durch hohe Transaktionskosten spürbar zu beeinträchtigen. Für kleinere Anlagebeträge gibt es inzwischen Investmentfonds, deren Manager den hier erläuterten Ansatz konsequent umsetzen: konsequente Diversifikation, niedrige Kosten, keine Spekulation auf Basis von Prognosen. Mit einem solchen Ansatz lässt sich das Risiko zwar nicht eliminieren, aber zumindest reduzieren. Dagegen wird das Vertrauen auf angeblich risikolose Anlagen wie Staatsanleihen früher oder später wieder zu bitteren Enttäuschungen führen. 




    Dr. Matthias Kelm
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    Dr. Matthias Kelm ist unabhängiger Ökonom und Wirtschaftsberater, mit internationaler Erfahrung als Unternehmensberater und CFO. Das besondere Interesse des in Cambridge promovierten Volkswirts besteht darin, die Erkenntnisse der Österreichischen Schule der Nationalökonomie auf das Portfoliomanagement anzuwenden. Er unterstützt als Independent EconomicAdvisor die Fondsgesellschaft Tareno (Luxembourg) S.A. bei Konzeption, Verwaltung und Vermarktung des neuen Mischfonds Diversified Index Investing Equities/Bonds/Real Assets.
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    Verfasst von 2Dr. Matthias Kelm
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