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    Pleiteserie  2158  2 Kommentare Mittelstandsanleihen - Fluch oder Segen?

    Der deutsche Mittelstand steht für Sicherheit und Verlässlichkeit - eigentlich. Stattdessen ereilt die Branche derzeit eine Pleiteserie, zuletzt traf es den Tütensuppenhersteller Zamek. Das Interessante: Sie alle hatten zuvor Mittelstandsanleihen emittiert.

    Bei dem Begriff Mittelstand denken viele automatisch an Werte wie Sicherheit und Verlässlichkeit. Immerhin werden mittelständische Unternehmen stets als Motor der deutschen Wirtschaft dargestellt. In der Tat bemüht die Politik, gerade in Krisenzeiten, gerne den Mythos vom verlässlichen und robusten Mittelstand. Doch was passiert eigentlich, wenn die Banken genau diesem Mittelstand in Zeiten der Finanzkrise den Geldhahn zudrehen?

    Die Geburtsstunde der Mittelstandsanleihen

    Genau das war zu Beginn des Jahrzehnts der Fall. Aufgrund einer stärkeren Regulierung der Banken im Zuge der Banken- und Finanzkrise, zögerten viele Finanzinstitute fortan bei der Vergabe von Krediten, weil ihnen das nötige Eigenkapital fehlte. Die Leidtragenden waren vor allem mittelständische Unternehmen, deren Finanzierung fast ausschließlich von Bankkrediten abhängt. Ein Motor der Wirtschaft, dem das Benzin ausgeht?

    Um genau dieser Abhängigkeit entgegenzuwirken, schuf man im Jahr 2010 sogenannte Mittelstandsanleihen. Die Idee dahinter war, dem Mittelstand damit eine neue Finanzierungsoption zu bieten, indem sich Unternehmen von nun an Geld nicht nur durch die Banken, sondern auch an der Börse besorgen konnten. An 5 Standorten in Deutschland werden solche Mittelstandsanleihen gehandelt: Bondm (Stuttgart), m:access (München), Mittelstandsmarkt (Düsseldorf), Mittelstandsbörse (Hamburg-Hannover) und Entry Standard (Frankfurt am Main). Inzwischen wurden 114 Anleihen mit einem Volumen von 5,5 Milliarden Euro emittiert, schreibt das "Handelsblatt".

    Mittelstandsanleihen fallen reihenweise aus

    Alles gut, könnte man meinen, wäre da nicht die entscheidende Kleinigkeit der hohen Ausfallrate. Die Immobilienfirma WGF, der Windparkzulieferer SIAG, die Solarfirma Solarwatt und zuletzt auch der Tütensuppenhersteller Zamek – Sie alle und noch zahlreiche andere mussten Insolvenz anmelden. Damit sind allein im vergangenen Jahr 10 Anleihen mit einem platzierten Anleihevolumen von 380 Millionen Euro ausgefallen. Seit dem Start der Mittelstandsanleihen 2010 waren es laut dem Analysehaus Scope insgesamt gar 17 Anleihen von 13 Emittenten. Ganz normale Startschwierigkeiten eines noch jungen Finanzinstruments oder doch ein systemimmanentes Problem?

    Ein Malus der Mittelstandsanleihen ist sicherlich der Umstand, dass einige Unternehmen den Gang zum Kapitalmarkt als letzten Notnagel nutzen, um doch noch irgendwie an frisches Geld zu kommen. Somit tummeln sich am Mittelstandsanleihen-Markt auch Firmen mit schwacher Bonität, die Anleger mit hohen Zinsversprechen locken - wohlwissend, dass sie bei Banken keine Aussicht auf Kredite mehr haben. Und dennoch: Mittelstandsanleihen dem Untergang zu weihen, wäre übertrieben.  

    Segment leidet an Kinderkrankheiten

    Vielmehr gehen Experten davon aus, dass das Emissionsvolumen in diesem Jahr sogar um bis zu 10 Prozent zunehmen könnte. Denn sowohl auf Seiten der Emittenten, als auch auf Investorenseite sei der Bedarf für Mittelstandsanleihen weiterhin hoch, schreibt das „Handelsblatt“. Demnach könnten Mittelstandsanleihen zukünftig womöglich wichtiger werden denn je. Schließlich ist eine konjunkturelle Erholung der Euro-Zone zu erwarten, und damit auch Investitionen verbunden mit einem steigenden Finanzierungsbedarf im Mittelstand. Da wäre er also wieder, der Motor der Wirtschaft.

    Tatsächlich sind Mittelstandsanleihen eine wichtige Finanzierungsoption für mittelständische Unternehmen, um nicht allein auf Banken als Kreditgeber angewiesen zu sein. Allerdings, so Experten, sind Mittelstandsanleihen als einziges Finanzierungsinstrument zu riskant, können jedoch als Beimischung der Gesamtfinanzierung durchaus Sinn machen. Aber auch hier schränkt Klaus Windheuser von der Commerzbank gegenüber dem „Handelsblatt“ ein: Ein Unternehmen brauche eine bestimmte Größe, um eine Streuung von Fälligkeiten zu erreichen und diese dann auch bei Fälligkeit bedienen zu können.

    Doch dieser Einschätzung und der jüngsten Pleiteserie zum Trotz: Die Branche glaubt weiterhin fest an eine Zukunft der Mittelstandsanleihen. In ein paar Jahren, wenn sich das Segment etabliert habe und die Kinderkrankheiten ausgestanden seien, werde sich niemand mehr für den jetzigen Malus interessieren, so der Vorstand von Kirchhoff Consult, Jens Hecht gegenüber dem "Handelsblatt". Dann könnte der Mittelstand wieder zurückkehren zu alten Tugenden: Verlässlichkeit und Sicherheit. Oder auch nicht.
     





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