Hoeneß Steueraffäre
Juristen kritisieren: Prozess zu schnell durchgewinkt
Der frühere FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat in seiner Steueraffäre noch weniger Kooperationsbereitschaft gezeigt als bisher bekannt. Die entscheidenden Unterlagen
zu seinen Finanzgeschäften bei der Schweizer Bank Vontobel legte er erst unmittelbar vor Prozessbeginn vor, obwohl er und seine Anwälte nach Informationen der „Welt am Sonntag“ bereits im Februar
2013 umfangreiche Daten von der Bank erhalten hatten. Dann passierte jedoch lange Zeit wenig. Erst im Dezember 2013 soll es eine zweite Aufforderung an die Bank in Zürich gegeben haben, die Daten
noch einmal in anderer Form aufzubereiten, heißt es. Dieser überarbeitete Datensatz ging dann an Staatsanwälte und Steuerfahnder.
Im Rahmen des Strafprozesses hatte sein Verteidiger Hanns Feigen die Auffassung vertreten, dass sich die Steuerschuld auch bereits aus der Selbstanzeige vom Januar 2013 hätte näherungsweise
errechnen lassen, selbst wenn diese nicht vollständig war.
Angesichts der zweifelhaften Kooperationsbereitschaft des Angeklagten fragen sich erfahrene Juristen umso mehr, warum sich die Staatsanwaltschaft und die 5. Strafkammer des Münchener Landgerichts
II auf einen so raschen Prozess mit nur vier Verhandlungstagen einließen. „Angesichts der Komplexität des Sachverhalts drängt sich die Frage auf, warum das Verfahren vom Richter und vom
Staatsanwalt in diesem Tempo durchgewinkt wurde“, sagt Karsten Randt von der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Bonn.
Das weiter anhängige Steuerverfahren beim Finanzamt Rosenheim dürfte sich dagegen über Monate hinziehen, wenn die Beamten freie Hand haben. „Wenn die das eins zu eins aufdatieren wollen, müssen die
extrem lange rechnen“, zitiert die „Welt am Sonntag“ informierte Kreise. Dabei könnte die Steuerschuld die bisher errechneten 28,5 Millionen Euro plus Zinsen noch deutlich übersteigen.
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Unklar blieb vor Gericht etwa der Hintergrund der Gewinne von 70 Millionen Euro, die Hoeneß mit steuerfreien Kapitalmarktgeschäften verdient haben will. Er gab an, dass diese Erträge aus Geschäften
stammten, deren Laufzeit die Spekulationsfrist von einem Jahr überstiegen habe. Wäre dies der Fall, so wären diese Gewinne nach der damaligen Rechtslage steuerfrei. Belege dafür lieferten seine
Anwälte allerdings nicht. So sei nicht erkennbar gewesen, „wann Geschäfte begonnen und beendet wurden“, sagte Ken Heidenreich, stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft München II, der „Welt
am Sonntag“. „Die Unterlagen waren nicht so, wie sie im Inland den Steuerbehörden vorgelegt werden, und Herr Hoeneß hat insoweit auch nicht an der Aufklärung mitgewirkt.“
Sollten diese Gewinne nicht als steuerfrei anerkannt werden, würde die Hoeneß’ Steuerschuld noch einmal exorbitant wachsen. Die genaue Höhe wird die Öffentlichkeit womöglich nie erfahren. Denn
anders als der Strafprozess ist ein Fall beim Finanzamt grundsätzlich nicht öffentlich.