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    Nach US-Urteil  2770  2 Kommentare Hedgefonds jubeln -Droht Argentinien abermals die Staatspleite?

    Am Montag hat der US-Supreme Court ein wegweisendes Urteil gefällt: Argentinien muss einen Milliardenbetrag an Hedgefonds zahlen. Eine erneute Staatspleite scheint damit nicht mehr ausgeschlossen – und womöglich droht ein Dominoeffekt.

    Es war ein schicksalhaftes Jahr für Argentinien. 2001 erklärte sich das Land für zahlungsunfähig, die Mehrzahl der Gläubiger musste in den darauffolgenden Jahren massive Abschreibungen hinnehmen. Fast alle fanden sich im Rahmen von zwei Umschuldungsrunden 2005 und 2010 mit einem Bruchteil ihrer Forderungen ab. Aber eben nicht alle. Acht Prozent der Auslandschulden gingen nicht in die Umschuldung mit ein, die Inhaber der Anleihen blieben hartnäckig. Unter ihnen auch die Hedgefonds NML Capital des Elliott Associates-Imperiums und Aurelius. Sie bestanden auf die Rückzahlung aller Schulden und zogen schließlich sogar vor den obersten US-Gerichtshof (Supreme Court). Dieser wies am Montag eine Berufung Argentiniens zurück, sodass die argentinische Regierung nun insgesamt 1,5 Milliarden US-Dollar an die Hedgefonds zahlen muss.

    Was nun, Argentinien?

    Damit steckt die Regierung von Staatschefin Cristina de Kirchner in einem Dilemma. Denn solange Buenos Aires dieser Forderung nicht nachgekommen ist, darf es auch seine restlichen Anleihen nicht bedienen, so der Richterspruch. Wie die „Welt“ berichtet, bleiben de Kirchner damit de facto drei Möglichkeiten:

    1. Alle Forderungen erfüllen
    Argentinien könnte die ausstehenden 1,33 Milliarden US-Dollar samt Säumniszinsen an die Hedgefonds zahlen. Allerdings würde Buenos Aires dann Gefahr laufen, dass neben NML Capital und Aurelius auch die restlichen 7 Prozent der Gläubiger, die nicht in die Umschuldung eingegangen sind, auf eine Auszahlung bestehen. Um das zu leisten, müsste Argentinien dafür mindestens die Hälfte seiner Devisenreserven aufwenden. Ein solcher „Devisen-Aderlass“, wie die „Welt“ es nennt, würde wohl nicht ohne Folgen bleiben – eine Zahlungsbilanzkrise könnte drohen.

    2. Ausstehende Forderungen in neue Anleihen umwandeln
    Das wäre sicherlich die eleganteste Lösung. Argentinien könnte versuchen, die Forderungen in Form von neuen Anleihen zu vergleichen. Doch dem müssten die Gläubiger erst einmal zustimmen. Dabei scheint fraglich, ob diese sich wirklich mit neuen Schuldverschreibungen vertrösten ließen.

    3. Sich zahlungsunfähig erklären
    Was Experten befürchten, könnte schon Ende des Monats Wirklichkeit werden - Argentinien könnte sich für zahlungsunfähig erklären und es tatsächlich auf einen Zahlungsausfall ankommen lassen. Damit würde das Land zwar zunächst um die Begleichung der Forderungen umhin kommen, doch langfristig wären die Folgen einer erneuten Staatspleite verheerend. Es wäre dann „nicht mehr kapitalmarktfähig“, so die „Welt“. Einem säumigen Schuldner würden Investoren demnach eine ganze Weile lang keine neuen Mittel zur Verfügung stellen, und falls doch, dann nur zu exorbitantem Zins.

    Experten gehen daher davon aus, dass Argentinien letztlich doch versuchen wird, das Geld aufzutreiben, zu hoch wäre der Preis einer Zahlungsunfähigkeit. Zudem hatte sich Argentinien erst vor Kurzem mit staatlichen Gläubigern über die Rückzahlung von Krediten in Milliardenhöhe geeinigt – und das nach einem mehr als zehnjährigen Schuldenstreit. Dennoch zeigt sich Staatschefin de Kirchner bislang uneinsichtig. In einer Fernsehansprache bezeichnete sie das Urteil des Supreme Courts als „Erpressung“, zuvor hatte sie mehrfach betont, die „Aasgeier“, wie sie die Hedgefonds nennt, nicht auszuzahlen.

    Schuldentausch - Die rettende Lösung?

    Stattdessen setzt Argentinienim Kampf gegen die drohende Staatspleite offenbar auf einen noch nie dagewesenen Trick. Wie das „Wall Street Journal Deutschland“ berichtet, will Buenos Aires alle umlaufenden Schuldscheine, die unter amerikanisches Recht fallen, gegen Anleihen tauschen, die dem argentinischen Recht obliegen. Einen solchen Schuldentausch hat es weltweit in dieser Form noch nie gegeben. Experten rätseln daher, wie Argentinien diese Pläne konkret umsetzen will und was es für die betroffenen Gläubiger bedeutet.

    Kein anderes Land ist dem Staatsbankrott so nahe

    Am Kapitalmarkt selbst rechnet man offenbar zunehmend mit einer Staatspleite Argentiniens. So beträgt die Pleitewahrscheinlichkeit laut „Welt“ inzwischen stolze 78 Prozent – kein anderes Land ist damit dem Bankrott so nahe wie Argentinien. Ein Grund hierfür sind neben dem Gerichtsurteil auch Anleiheschulden in Höhe von über 900 Millionen US-Dollar, die Ende des Monats fällig sind.

    Der Fall Argentinien wirft darüber hinaus ein Licht auf die bestehenden Machtverhältnisse im internationalen Finanzsystem. In der Theorie sollte die Wahrscheinlichkeit eines Staatsbankrotts umso mehr steigen, je höher die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft sind. Soweit die Theorie. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Argentinien mit 74 Prozent Wahrscheinlichkeit an oberster Stelle der Pleitekandidaten steht, obwohl es mit lediglich 60 Prozent seiner Wirtschaftskraft verschuldet ist. Im Unterschied dazu belaufen sich etwa die Schulden der USA auf ganze 17 Billionen US-Dollar. Das entspricht 100 Prozent der Wirtschaftsleistung.

    Allerdings haben etablierte Volkswirtschaften wie die USA einen entscheidenden Vorteil gegenüber Schwellenländern: Sie haben im Zweifel immer eine Notenbank in der Hinterhand, die genügend Geld drucken kann, um die Schulden zu begleichen. Länder wie Argentinien hingegen müssen ihre Schulden häufig in Fremdwährungen aufnehmen. Hinzu kommt, dass sie in hohem Maße auf das Kapital aus eben jenen starken Volkwirtschaften angewiesen sind. Ziehen diese ihre Investitionen überraschend zurück, könnten sich Schwellenländer schnell am Rande des Abgrunds wiederfinden.

    Urteil könnte fatale Kettenreaktion auslösen

    Das Urteil des Supreme Courts ist daher in vielfacher Hinsicht wegweisend: Zum Einen bestärkt es Spekulanten darin, in Schwellenländer zu investieren, was die Abhängigkeit dieser Länder vom „flüchtigen“ Kapital erhöhen würde. Zum Anderen könnte es Argentinien in die Knie zwingen, nämlich dann, wenn Buenos Aires sich tatsächlich für zahlungsunfähig erklärt. Das wiederum könnte eine „fatale Kettenreaktion“ auslösen, die laut „Welt“ „das ganze hoch verschuldete globale Finanzsystem in Schieflage bringen“ könnte – mit unabsehbaren Folgen.

     





    wallstreetONLINE Redaktion
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