Enteignung vs. Eigentumsschutz
Delisting - Welche Rechte haben die Anleger?
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Welche Rechte haben Anleger, wenn sich die Unternehmen, in denen sie investiert sind, von der Börse verabschieden? Delisting wird der Rückzug von der Börse genannt. Und die Rechte der
Anleger? Weniger als Sie denken. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Oktober mit einer Entscheidung zu den Befürchtungen beigetragen.
Denn damals beschloss der BGH, „dass Unternehmen ihre Aktie per Vorstandsbeschluss von der Börse nehmen können und Aktionäre auch keine Abfindung mehr bekommen müssen“, schreibt die „Wirtschaftswoche“. Die Basis
für das Urteil wurde schon 2012 durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gelegt. Eine Aktie, die von der Börse genommen werde, stelle keinen Eingriff in den Eigentumsschutz des
Grundgesetzes dar.
„Vorstände und Aufsichtsräte, die so was machen, dürfen am Kapitalmarkt keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen“, zitiert die Zeitung Burkhard Götz. Er ist Investor und hat für die
Beteiligungsgesellschaft Nabag AG 38.000 Euro in Marseille Kliniken investiert. Was er als lukratives Geschäft angedacht hat, ist zu einem mehr oder minder großen Scherbenhaufen geworden. Denn das
Unternehmen hat seinen Anlegern Anfang Juni erklärt, die Aktie werde von der Börse verschwinden. Was darauf folgte, ist klar: Anleger versuchten hektisch, die Wertpapiere zu verkaufen. Das große
Angebot stieß aber nicht auf Nachfrage. Der Kurs brach ein. Um rund 30 Prozent auf 2,30 Euro, schreibt die „Wirtschaftswoche“.
Dazu komme ein zusätzlicher negativer Effekt auf die Aktienwerte durch das BGH-Urteil, führt die „Wirtschaftswoche“ weiter aus. Denn vorher konnten Anleger für den Fall des Delistings mit einer
Entschädigung rechnen. Das half, die Kurse nicht in den Keller zu treiben. Doch damit ist nun bekanntlich Schluss.
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Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser neuen Konstellation? Nicht nur der Investor Burkhard Götz sorgt sich und macht sich „Gedanken, ob einzelne Marktsegmente noch investitionsfähig sind“,
wie ihn die Zeitung zitiert. Auch Fondsmanager Torsten Graf sagt, er müsse ein Delisting „als zusätzliches Risiko einkalkulieren, weil die Liquidität beim Handel austrocknet“.
Während die Börsen in Stuttgart und Frankfurt sich damit zufrieden geben, wenn den Anlegern nach Verkündung des Delistings noch sechs Monate Zeit bleiben, bevor die Aktien verschwinden, definiert
die Börse Düsseldorf strengere Regeln. Dort seien „Hauptversammlungsbeschluss und Kaufangebot bei einem Totaldelisting obligatorisch“, sagt Vorstand Thomas Dierkes. Allerdings: Wasserdicht sind
diese Regelungen keineswegs.
Die Fälle, in denen ein Unternehmen ein Delisting offenbar zum Nachteil der kleinen Anleger durchgeführt oder angedroht hat, sind derweil unterschiedlich. So verkündete laut „Wirtschaftswoche“
beispielsweise der Multimedia-Softwarehersteller Magix seinen Rückzug von der Börse – mit der Begründung, ihm gehe es auch ohne Eigenkapital vom Aktienmarkt gut genug. Oder die Hörmann Funkwerk
Holding. Sie bietet der Zeitung zufolge Aktionären der Funkwerk AG 2,55 Euro pro Aktie. Parallel hieß es in einer Mitteilung, man habe „unabhängig von der Annahmequote das Ziel, dass sich die
Funkwerk AG von der Börse zurückzieht“, schreibt die „Wirtschaftswoche“. Wird den Anlegern also für den Fall der Nichtannahme damit gedroht, dass der Kurs der Aktie durch ein Delisting sinken
könnte? Beschließen könne dies zwar nur Vorstand und Aufsichtsrat, doch habe der Großaktionär (in diesem Fall Hörmann) durchaus Einflussmöglichkeit.
Das sorgt für Verunsicherung und Unverständnis. Christian von Engelbrechten, Manager des Fidelity Germany Aktienfonds, sagt dem Bericht zufolge:
„Strengere gesetzliche Regeln wären wünschenswert, um Minderheitsaktionäre zu schützen. Deutschland scheint mir im Nachteil gegenüber Großbritannien. Dort wurden die Delisting-Regeln verschärft.“
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