Hüfners Wochenkommentar
"Fragezeichen zur Konjunktur"
17. Juli 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Sind wir einer Chimäre aufgesessen? Noch selten sind die Konjunkturforscher mit so viel Optimismus in ein Jahr gegangen wie diesmal. Die große Finanz- und Wirtschaftskrise ist vier Jahre vorbei. Die Eurokrise hat ihren Höhepunkt überschritten. Die großen Volkswirtschaften haben ihre Hausaufgaben gemacht und manche Schwachstellen beseitigt. Viele Unternehmen sind wettbewerbsfähiger. Was sollte da noch einer kräftigen Erholung entgegenstehen?
Dann aber kamen Enttäuschungen. Es begann in den USA. Dort stieg das reale BIP im ersten Quartal nicht wie erwartet an. Es ging vielmehr kräftig zurück (minus 2,9 Prozent). Zuerst wurde das noch mit dem harten Winter erklärt. Aber mehr und mehr machte sich die Einsicht breit, dass da vielleicht noch andere Dinge eine Rolle gespielt hatten, die man nicht so genau einordnen konnte. So sind beispielsweise die Gesundheitsausgaben stark gesunken. Die Lagerbestände wurden abgebaut. Glücklicherweise hat dann im zweiten Quartal die Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen, so dass man die Ursachenforschung nicht zu weit treiben musste.
Dann folgte der nächste Schlag. Auch im Euroraum enttäuschte die Konjunktur im ersten Quartal. Trotz des hierzulande relativ milden Winters, der die Wirtschaftsaktivität an sich hätte befördern müssen, hat sich das BIP-Wachstum nicht beschleunigt. Es blieb bei 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Auch hier hatte man schnell Erklärungen parat, nämlich die unbefriedigende Situation in Italien und Frankreich sowie der witterungsbedingte Rückgang der Gasproduktion in den Niederlanden. Aber nach einem richtigen Aufschwung sah das nicht aus.
Die dritte Enttäuschung folgte in den vergangenen Wochen. Im Mai häuften sich negative Konjunkturmeldungen wie selten zuvor. In Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien ging die Industrieproduktion zurück. Die Stimmung der Unternehmen verschlechterte sich in Deutschland und Frankreich. In den USA stieg der wichtige Index des Institute of Supply Management nicht mehr, sondern verringerte sich leicht. So eine Massierung schlechter Nachrichten kann natürlich vorkommen. Aber sie ist ungewöhnlich.
All diese Entwicklungen hinterlassen bei mir ein ungutes Gefühl. Könnte es sein, dass wir zu optimistisch waren? Legt der Aufschwung vielleicht eine Pause ein? Oder ist er vielleicht schon vorbei? Hat es ihn vielleicht nie gegeben? Schauen Sie sich dazu die deutsche Industrieproduktion im längeren Zusammenhang an. Das, was wir dort seit einiger Zeit beobachten, hat nicht im entferntesten etwas zu tun mit den Konjunkturaufschwüngen, wie wir sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten kannten. Im letzten Jahr ging es zwar ein paar Monate nach oben. Das ist durch die Korrektur in den letzten drei Monaten aber wieder fast alles weg.