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    Euro-Abwertung  7659  2 Kommentare „Der deutsche Euro hat Europa zerstört“

    In Europa wächst der Unmut über den starken Euro. Immer lauter werden die Stimmen, die eine gezielte Abwertung des Euros fordern. Doch wären damit wirklich alle Probleme gelöst?

    Noch nie waren die Euro-Länder und EU-Mitglieder so hoch verschuldet. Wie das europäische Statistikamt "Eurostat" am Dienstag in Luxembourg verkündete, stieg die Verschuldung zu Jahresbeginn auf 93,9 Prozent - der höchste Stand seit Einführung des Euro. Viele europäische Politiker haben unlängst einen Schuldigen dafür gefunden: der starke Euro, bzw. der „deutsche" Euro. „Der deutsche Euro hat Europa zerstört“, zitiert das „Handelsblatt“ den italienischen Politiker Renato Brunetta und in der Tat sehen viele in Deutschland den Sündenbock für den starken Euro. Deutschland profitiere auf Kosten anderer, so oder so ähnlich lautet die Kritik. Für sie gibt es deshalb nur eine Lösung: Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse den Euro endlich gezielt abschwächen. Erst in der vergangenen Woche ließ der französische Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg mit einem solchen offenen Aufruf aufhorchen. Aber wären damit tatsächlich alle Probleme gelöst oder würde eine gezielte Abwertung gar noch viel größere Probleme schaffen?

    Effekt einer Abwertung nur von kurzer Dauer

    Vor allem Firmen, die viel ins Ausland exportieren und deren Waren in US-Dollar gehandelt werden, ächzen unter dem starken Euro, der ihre Produkte im internationalen Vergleich teurer macht. Verständlich, dass sie am lautesten nach einer Abschwächung des Euros rufen. Käme die EZB diesem Wunsch nach und würde beispielsweise staatliche Schuldtitel kaufen um den Euro abzuwerten, so könnte sich das zwar zunächst positiv auf die Exporte auswirken. Aber Vorsicht, eine gezielte Abwertung würde die Konjunktur lediglich für kurze Zeit ankurbeln, hätte im Gegenzug aber gravierende Auswirkungen auf internationaler Ebene. Nicht nur, dass sich Preise und Löhne schnell an die Abwertung anpassen und der Effekt so schnell verpuffen würden. Wie das „Handelsblatt“ anmerkt, würde ein gezieltes Eingreifen in die Wechselkurse seitens der EZB darüber hinaus nicht ohne internationale Reaktionen bleiben. Andere Notenbanken würden ihrerseits entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten und eine Spirale eines weltweiten Abwertungskampfes wäre die Folge. Zwar ziele die Geldpolitik der US-Notenbank oder der Bank of Japan schon jetzt auf eine Abschwächung der eigenen Währung ab. Doch das mache die Sache nicht besser und könne keine Legitimation für die EZB sein, selbst in den Wechselkurs einzugreifen, schreibt das „Handelsblatt“. Im Gegenteil, eine Manipulation der Wechselkurse würde dem Welthandel massiv schaden. Damit wären am Ende alle die Verlierer.

    Euro-Zone verzeichnet schon jetzt einen Rekordüberschuss

    Die einen sehen ihre Exporte in Gefahr, für die anderen ist es ein Jammern auf hohem Niveau. Fakt ist, vor dem Ausbruch der Finanzkrise wies der Euro-Raum stets eine mehr oder weniger ausgeglichene Leistungsbilanz auf, sprich die Importe konnten den Exporten die Waage halten. Das lag vor allem an den Defiziten der Peripherieländer, die dadurch den deutschen Exportüberschuss relativierten. Doch diese Zeiten sind vorbei. Länder wie Spanien, Irland oder Portugal haben ihre Defizite abgebaut, sodass die Euro-Zone nun einen Rekordüberschuss verzeichnet. Das mag zunächst positiv klingen, doch das „Handelsblatt“ mahnt in diesem Zusammenhang das damit einhergehende globale Ungleichgewicht an. Je größer die Überschüsse, desto größer die europäischen Forderungen gegenüber weniger wettbewerbsfähigen Ländern und desto größer auch das Ausfallrisiko, wenn diese Länder ihre Schulden nicht bedienen können. Am Ende eines solchen Szenarios stünde etwas, von dem sich die Euro-Zone gerade erst langsam wieder erholt: eine neue Finanz- und Schuldenkrise.

    Zuckerbrot statt Peitsche

    Mit einer gezielten Abwertung des Euros könnten Länder wie Frankreich oder Italien ihre Exporte stärken und damit ihre schwächelnde Wirtschaft wieder ankurbeln. Ein verlockendes Angebot, denn eine solche Maßnahme wäre für die politischen Akteure mit einem geringeren Risiko verbunden als unliebsame strukturelle Reformen durchzusetzen. Dabei wären genau diese dringend notwendig. Doch anstatt Sozialleistungen zu kürzen oder die Produktivität zu erhöhen - beides Maßnahmen, bei denen Politiker riskieren, von den Wählern abgestraft zu werden – greifen die Politiker lieber zum Zuckerbrot statt der Peitsche. Doch was passiert, wenn das Zuckerbrot aufgegessen und die Wirkung einer Abwertung nachlässt?

    Wie effektiv wäre eine Abwertung tatsächlich?

    Befürworter einer gezielten Abwertungspolitik versprechen sich eine stimulierende Wirkung auf die Konjunktur, da die Preise der Waren im internationalen Vergleich günstig gehalten werden. Aber was ist, wenn der Empfänger der Waren ebenfalls in Euro bezahlt? Dann wäre ein solcher Wechselkurs-Effekt gänzlich ohne Wirkung. Und tatsächlich gehen die Exporte viele Länder der Euro-Zone in erster Linie zu ihren europäischen Nachbarn. Damit ist nicht nur der Anteil jener Exporte, die von einer Abwertung profitieren würde, verhältnismäßig gering. Darüber hinaus würde eine solche Maßnahme auch nur tendenziell exportstarken Ländern helfen. Genau das ist aber mit Blick auf Griechenland oder Portugal nicht der Fall. Somit bleibt unterm Strich die Frage: Wem würde eine gezielte Abwertung des Euro wirklich nützen und wäre der mögliche Schaden nicht doch größer als der mögliche Nutzen?




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