Angst-Index? Egal!
"Rendite-frisst-Hirn"-Investoren bedrohen die Finanzwelt
Ob Militärische Konflikte, Sanktionen gegen Russland oder eine bescheidene Weltwirtschaftslage – nichts scheint die Finanzwelt derzeit ernsthaft zu schockieren. Im Gegenteil, der so genannte „Angst-Index“ bewegt sich nahezu auf einem Rekordtief. Woran liegts?
Die politische Hochwetterlage könnte eigentlich kaum brisanter sein. Gerade haben die USA und die EU neue noch härtere Sanktionen gegen Russland verhängt, holte dessen Präsident Putin seinerseits zum Gegenschlag aus und erließ einen Importstopp für amerikanische und europäische Lebensmittel. Die politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Entwicklungen sind kaum einzuschätzen, sogar von einem Handelskrieg ist die Rede. Und die Finanzmärkte? Von Panik oder Hysterie keine Spur. Im Gegenteil, fast scheint es, als hätten sie die jüngste Eskalation der Ukraine-Krise als „non event“ billigend zur Kenntnis genommen.
Diese Gelassenheit beunruhigt die „WirtschaftsWoche“. Sie verweist auf den Volatilitätsindex des S&P 500 (VIX), welcher gerne als so genannter „Angst-Index“ zitiert wird. Aktuell notiert er nahe seinem Rekordtief vom Juli. Parallel dazu kratzt das Geschäft mit kreditfinanzierten Wertpapierspekulationen an der Wall Street derzeit wieder an seinem Rekordniveau von Februar. Beides deutet darauf hin, dass sich an den Börsen eine „Egal“-Stimmung breit gemacht hat.
Investoren lassen der „WirtschaftsWoche“ zufolge nur noch zwei Aktien-Kaufargumente gelten, nämlich „Liquidität“ und „Alternativlosigkeit“. Wenn um Risiken geht, setzen sie dagegen ihre Scheuklappen auf. Diese Generation von „Rendite-frisst-Gehirn“-Investoren sei es, die einen zerstörerischen Umschwung eingeleitet habe und nun die gesamte Finanzwelt bedrohe.
Dabei sind es keineswegs mehr Subprime-Immobilienkredite, auf die sich die Investoren stürzen wie noch zu Zeiten vor der Finanzkrise. Ihr Interesse gelte inzwischen vielmehr bonitätsarmen oder bonitätslosen Unternehmensanleihen, US-Auto- und Studentenkrediten oder um hochspekulative europäische Peripherie-Staatsanleihen, so die „Wirtschaftswoche“.
Ein gefährliches Gemisch, das sich da derzeit an den Finanzmärkten zusammenbraut. Oder ist alles doch wieder nur übertriebene Panikmache? Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sah sich jüngst jedenfalls dazu genötigt, eine deutliche Warnung auszusprechen. „Aktuell sieht alles zwar sehr gut aus, aber es baut sich möglicherweise ein schmerzhafter und sehr zerstörerischer Umschwung auf“, zitiert das Blatt den BIZ-Chefvolkswirt Hyun Song Shin und verweist darauf, dass die BIZ schon 2006 rechtzeitig vor einem baldigen Platzen der Immobilienblase in den USA gewarnt hatte. Die Warnung verhallte damals in Nichts. Und dieses Mal?