Britische Staatsanleihen
Schottland gibt aktuell die Richtung vor
Die mögliche Abspaltung Schottlands von Großbritannien könnte das Pfund und die Anleihen unter Druck setzen. Sprechen sich die Schotten jedoch gegen die Unabhängigkeit aus, könnte das Gegenteil eintreten – und Anleger profitieren.
Die Entscheidung rückt näher. Am kommenden Donnerstag, den 18. September, werden die Schotten in einer Volksabstimmung eine weitreichende Entscheidung treffen – und zwar ob sie unabhängig sein oder
weiterhin zu Großbritannien gehören werden. Fakt ist: Anfang September kam eine Meinungsumfrage erstmals zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Schotten die Unabhängigkeit anstrebe.
Noch ist zwar nicht in trockenen Tüchern, sollte die Mehrheit der Schotten jedoch tatsächlich Großbritannien den Rücken kehren wollen, wären zahlreiche – bisher noch unbeantwortete – Fragen zu
klären. Ungewiss ist etwa, ob Schottland das Pfund behalten würde, eine eigene Währung bekäme oder den Euro beitreten würde. Auch was die Auswirkungen von Steuereinnahmen oder die Aufteilung der
Verbindlichkeiten angeht, gäbe es viel Gesprächsbedarf.
Pfund und Anleihen unter Druck
Dass die Unsicherheit unter Anlegern aktuell groß ist, überrascht daher nicht wirklich. Deutlich wird dies unter anderem am Britischen Pfund, das seit Anfang September nicht nur zum US-Dollar
kräftig abwertete, auch zum schwachen Euro geriet das Pfund seither leicht unter Druck. Die Renditen britischer Staatsanleihen sind hingegen gestiegen. So rentieren zehnjährige Gilts aktuell mit
gut 2,5 Prozent; Anfang September warfen diese Bonds noch einen jährlichen Ertrag von etwa 2,35 Prozent ab. Da sich am Rentenmarkt Kurse und Renditen systembedingt entgegengesetzt entwickeln, haben
die Kurse entsprechend Federn gelassen; Investoren britische Staatsanleihen also verkauft.
Die Abstimmung fällt in eine Periode, in der Großbritannien wirtschaftlich blendend dasteht und sich mittlerweile zur Wachstumslokomotive in Europa gemausert hat. So ist etwa das
Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 3,1 Prozent gestiegen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für das Gesamtjahr ein Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent, während die
IWF-Ökonomen im April noch ein BIP-Plus von 2,8 Prozent prognostizierten. Zum Vergleich: Das BIP des Euroraums wird laut dem IWF 2014 lediglich um 1,1 Prozent zulegen. Mut macht auch die
Entwicklung am Arbeitsmarkt. So sank die Arbeitslosenquote zuletzt auf 6,4 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit Ende 2008. Die Industrieproduktion legte hingegen im Juli zu – und zwar
um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat.
Chance für risikofreudige Anleger
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Stimmen die Schotten gegen eine Abspaltung – und darauf deutet die jüngste Umfrage hin –, wäre eine Aufwertung des Pfunds daher sehr wahrscheinlich. Beflügelt werden könnte das Pfund auch von der
Geldpolitik der Bank of England, die als erste große westliche Notenbank den Leitzins anheben könnte. Viele Experten erwarten diesen Schritt bereits Anfang 2015. Dies bedeutet: Anleger, die sich
jetzt britische Staatsanleihen in ihr Depot holen, könnten sich womöglich nicht nur über vergleichsweise hohe Renditen freuen – aktuell bieten britische zehnjährige Staatsanleihen eine um rund 1,5
Prozentpunkte höhere Rendite als Bundesanleihen –, sondern auch über zusätzliche Währungsgewinne.
Mit dem Gedanken eines Einstiegs sollten aber nur risikofreudige Anleger spielen. Grund: Stimmt Schottland für die Abspaltung, könnte sowohl das Pfund als auch die Anleihekurse nochmals unter Druck
geraten.