Hüfners Wochenkommentar
"Aufschwung der Weltwirtschaft?"
23. September 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). In den meisten Konjunkturprognosen wird derzeit angenommen, dass die Wirtschaft im nächsten Jahr schneller wächst als in diesem. Das ist fragwürdig. Von der Geldpolitik kommen – global – im nächsten Jahr keine positiven Impulse. Strukturreformen könnten helfen, sind aber politisch schwer zu realisieren.
Wenn die Aktienkurse trotzdem weiter steigen, besteht die Gefahr, dass sie sich immer mehr von der Realwirtschaft entfernen.
In diesen Wochen arbeiten die Volkswirte wieder an den Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr. Die Industrieländerorganisation OECD hat gerade eine neue Vorhersage veröffentlicht. Der Internationale Währungsfonds wird das in zwei Wochen tun, andere Institutionen folgen.
Quelle: IWF
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Soweit derzeit absehbar gibt es trotz aller Unterschiede zwei Konstante, die bei allen Prognosen weitgehend gleich sind. Die eine ist, dass das Wachstum in diesem und dem nächsten Jahr niedriger ausfällt als bisher angenommen. Das ist unbestritten, weil das erste Halbjahr 2014 so schlecht gelaufen ist. Die andere ist, dass sich die Weltwirtschaft in einem Aufschwung befindet und dass 2015 besser wird als 2014. Nach der jetzigen Prognose des IWF, die freilich noch revidiert wird, soll die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,6 Prozent expandieren, im nächsten um 3,9 Prozent (siehe Grafik).
Es ist dieser Punkt, der mir Kopfschmerzen bereitet. Warum um Gottes willen soll das Wachstum 2015 größer sein als in diesem Jahr? Als diese Annahme zum ersten Mal gemacht wurde – das war vor einem Jahr –, erschien sie plausibel. Die große Krise näherte sich, so dachten wir, dem Ende. Überall waren Reformmaßnahmen unternommen worden. Sie müssten sich jetzt auszahlen und zu einer Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft führen. Das war nach großen Krisen auch schon früher so. Auch ich habe das geglaubt.
Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass diese Annahme falsch war. Es gab weit weniger belastbare Reformen als gedacht. Die Wirtschaft ist in vielen Regionen noch nicht gesund. Die Weltwirtschaft kam daher in diesem Jahr nur mühsam in Gang. Von einem Aufschwung nach der Krise kann allenfalls in den USA und in Großbritannien die Rede sein. Überall sonst stottert der Konjunkturmotor.
Warum soll er im nächsten Jahr wieder Fahrt aufnehmen? Manche verweisen auf Impulse von der Geldpolitik. Sie glauben, dass die EZB noch etwas Gas gibt. Auch in China kann es sein, dass die Zentralbank noch stärker lockert. Freilich werden von den USA eher restriktive Einflüsse ausgehen. Das trifft als allererstes natürlich die Amerikaner selbst. Es wird sich nach allen Erfahrungen aber auch auf den Rest der Welt, vor allem auf die Schwellen- und Entwicklungsländer, auswirken.