Drohender Kollaps
Wird der Ölpreis zum Sargnagel für Russland?
Der Ölpreis sinkt, die OPEC sagt Nein und der größte Ölproduzent steht am Rande des Abgrunds – Es herrschen turbulente Zeiten auf dem Ölmarkt. Und die könnten für Russland sogar im Ruin enden.
Seit Monaten reiben sich die Ölhändler verwundert die Augen: Russland, größter Ölproduzent der Welt, steckt mittendrin im Ukraine-Konflikt. Der Irak, immerhin sechstgrößter Ölförderer, wird von Islamisten terrorisiert. In Nigeria, dem größten Ölproduzent Afrikas, grassiert die Ebola-Epidemie. Dazu drücken Kriege in Gaza und Syrien zusätzlich auf die Stimmung. Und dennoch: Der Ölpreis sinkt! Das schwarze Gold, einst äußerst sensibel gegenüber Krisen, zeigt sich unbeeindruckt von den diversen Krisen und erreicht stattdessen immer neue Tiefstände. (Lesen Sie hierzu: Krisen und Kriege fast überall – Aber der Ölpreis sinkt! Warum eigentlich?)
Was tut ein Produzent, wenn der Preis für sein Produkt immer weiter fällt? Richtig, gemäß den Gesetzen von Angebot und Nachfrage würde er weniger produzieren in der Hoffnung, dass die Preise daraufhin wieder steigen. Weil nun also der Ölpreis seit Monaten auf Talfahrt ist, wird die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) demzufolge früher oder später die Ölproduktion zurückfahren – logisch.
Nein der OPEC sorgt für Paukenschlag
Aber leider falsch gedacht! Zu Beginn der Woche sorgte die OPEC für einen Paukenschlag. Entgegen aller Erwartungen scheint die OPEC die Produktion zur Stabilisierung der Preise nicht senken zu wollen. Nachdem dies bereits der größte OPEC-Produzent Saudi-Arabien ausgeschlossen hatte, äußerte sich am Montag das ebenfalls große Förderland Kuwait ähnlich. Es gebe derzeit „keinen Raum“ dafür, zitiert dpa-AFX Kuwaits Ölminister. Demnach haben mehrere Opec-Länder stattdessen ihre Verkaufspreise gesenkt.
Die Reaktion auf dem Ölmarkt ließ nicht lange auf sich warten: Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im November kostete am Dienstag im Mittagshandel 87,86 US-Dollar – 1,03 US-Dollar weniger als am Montag. Insgesamt sind die Notierungen damit innerhalb von nur vier Monaten um rund 25 Prozent eingebrochen, konstatiert die „Welt“. Öl befinde sich daher in einem Bärenmarkt.
Aber warum interveniert die OPEC nicht? Sie würden eher die Verteidigung von Marktanteilen als eine Stabilisierung der Preise anstreben, kommentiert Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch in der „Welt“ den für viele überraschenden Sinneswandel. Dabei könnte dieser Sinneswandel ausgerechnet dem größten Ölproduzenten der Welt gefährlich werden.
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Russland droht der Ruin
Dem Bericht zufolge würde ein immer weiter sinkender Ölpreis Russland in den Ruin treiben. Berechnungen des russischen Finanzhauses Renaissance hätten demnach ergeben, dass Russland in eine Rezession rutschen würde, sollten die Preise für Öl dauerhaft unter 90 US-Dollar bleiben. Fällt der Preis sogar auf 70 US-Dollar, so drohe die russische Wirtschaft gar um mehr als drei Prozent zu schrumpfen. Darüber hinaus könnte der Preisverfall auch die Talfahrt des Rubels weiter befeuern.
Bereits jetzt steht Russland am Rand einer schweren Finanzkrise. Schon vor einigen Wochen hatte „wallstreet:online“ über einen drohenden Kollaps Russlands bzw. ein eigenes „Lehman-Desaster“ berichtet und dabei auf die lange Liste von Problemen verwiesen: westliche Sanktionen, Inflationsanstieg,Ölpreis, drohende Rezession, drohende Schuldenblase, vor allem aber ein massiver Vertrauensverlust der Märkte.
Anleger zeigen sich zunehmend verunsichert, investieren lieber nicht in Russland und auch diejenigen, die bereits im russischen Markt aktiv sind, ziehen ihr Kapital vorsichtshalber ab. Das gilt insbesondere für die Russen selbst. Laut „Welt“ bringe eine beträchtliche Zahl von Inländern ihr Vermögen außer Landes, im ersten Halbjahr sollen insgesamt 75 Milliarden US-Dollar aus Russland abgeflossen sein, weitere 30 Milliarden dürften im dritten Quartal dazugekommen sein.
Damit steht Russland, dessen Exporte zu rund drei Vierteln direkt oder indirekt vom Ölpreis abhängen, mit dem Rücken zur Wand – und das könnte den OPEC-Ländern in die Karten spielen.