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    Luxemburg-Leaks  3662  3 Kommentare Vom Chamäleon zum europäischen Frank Underwood - So glaubhaft ist Jean-Claude Juncker

    Jean-Claude Juncker, das Chamäleon, Jean-Claude Juncker, der europäische Frank Underwood oder einfach nur der Teflon-Juncker – wenn es darum geht, Jean-Claude Juncker zu beschreiben, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Doch so sehr die Wortspiele uns auch schmunzeln lassen, so bitter ist die Erkenntnis, die hinter all diesen Metaphern steckt: nämlich dass Jean-Claude Juncker zur Gattung jener Politiker gehört, die für Macht und Erfolg alles geben – auch ihre eigene Glaubwürdigkeit.

    Anfang November deckten Journalisten eine Steueraffäre von skandalösem Ausmaß auf: Mit tatkräftiger Unterstützung Luxemburgs haben internationale Großkonzerne jahrelang und systematisch Steuern in Milliardenhöhe eingespart (mehr dazu siehe: Skandal! Konzerne sparen durch Steuertricks Milliarden – Alles ganz legal?).

    „Nicht verwandt oder verschwägert“

    Dem deutschen Satiremagazin „Titanic“ zufolge wolle die EU-Kommission künftig verstärkt gegen Steuertricks vorgehen. Das habe der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigt, schreibt die „Titanic“ und stellt sogleich richtig: EU-Kommissionspräsident Juncker sei „nicht verwandt oder verschwägert mit jenem Jean-Claude Juncker, der von 1995 bis 2013 Regierungschef in Luxemburg war.“

    Es ist die Kunst der Satire genau da anzusetzen, wo die sonstige Berichterstattung zu kurz greift. Nämlich den Finger in die Wunde zu legen, indem die Missstände in sprachlich überspitzter und verspottender Form thematisiert wird.

    Wie glaubhaft ist Juncker?

    Denn natürlich geht es bei den Luxemburg-Leaks in erster Linie um die Frage: Wie glaubhaft kann ein Politiker sein, der in seiner Zeit als Finanz- und Premierminister einen ungeheuren Steuerskandal zu verantworten hat, von den Vorgängen aber nichts gewusst haben will, und nun ausgerechnet an der Spitze jenes Gremiums steht, das den Steuerskandal aufarbeiten soll?

    In seinem jüngsten Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ und anderen europäischen Medien bestreitet Juncker abermals, einen eigenen Beitrag zu den Steuererleichterungen für ausländische Großkonzerne geleistet zu haben. Stattdessen stilisiert er sich als Opfer der Medien. Deren Behauptungen seien „unfair und einfach nicht wahr.“ An der Tatsache, dass er sich nicht an der Aufklärung beteiligen wollte (und es eigentlich noch immer nicht tut), sind laut Juncker ebenfalls die Journalisten Schuld. „Das waren keine Fragen, das waren Attacken. Jede Frage ein Angriff“, so Juncker und stellt klar: „Ich antworte nicht auf widerliche Fragen.“

    Aber sind es wirklich die Fragen, die so widerlich sind, oder sind es nicht viel eher die Antworten? Denn natürlich haben Fragen nach der Rolle Junckers in der Steueraffäre ihre Daseinsberechtigung. Da hilft auch sein Verweis auf die Unabhängigkeit der luxemburgischen Steuerbehörden wenig. Denn mal ehrlich: Wie glaubhaft ist es, dass ein Finanzminister bzw. ein Premierminister nichts von Steuerdeals weiß, die ihm so viel Geld in seine Staatskassen spült? Mal ganz davon abgesehen, dass der frühere Chef der zuständigen Steuerbehörde, Marius Kohl, unlängst erklärte, sowohl Juncker als auch sein Nachfolger als Finanzminister Luc Frieden hätten Kenntnis über die Vorgänge der Steuerbehörde gehabt (Lesen Sie hierzu: Steuerskandal: Neue Vorwürfe beschmutzen Junckers weiße Weste).

    Die Juncker’sche Kunst der politischen Wendemanöver

    Doch Juncker selbst scheint das egal. So egal wie all die anderen 180°Grad-Wendemanöver, die er in seiner politischen Laufbahn vollzogen hat. Als Chef der Eurogruppe polterte Juncker gerne und oft, dass sich auch die Banken an den Kosten der Eurokrise beteiligen müssen. Als Regierungschef von Luxemburg wollte er davon plötzlich nichts mehr wissen. Es kommt eben nicht von ungefähr, dass sich internationale Großkonzerne und Banker in dem Herzogtum so wohl fühlen.

    Das gleiche Spiel in Fragen der Steuervermeidungsmodelle, die in Luxemburg bis zur Perfektion getrieben wurden. „Wir hatten keine andere Wahl“, verteidigt sich Juncker. Luxemburg hätte geworben und verhandelt wie andere Regierungen auch, die irische, die niederländische und auch die belgische. „Wir haben keine Politik gemacht in Luxemburg mit dem Ziel, anderen Ländern Steuereinnahmen wegzunehmen.“ Man kann eigentlich fast nur hoffen, dass Juncker das, was er da sagt, wenigstens selbst glaubt. Denn wie sollte er ansonsten glaubhaft als EU-Kommissionspräsident für Solidarität der EU-Länder werben?

    Obwohl, mit Glaubwürdigkeit scheint Jean-Claude Juncker ja noch nie Probleme gehabt zu haben. Die besondere Fähigkeit eines Chamäleons liegt übrigens darin, seine Farbe der Umwelt anzupassen. Der Erfolg Frank Underwoods, Hauptcharakter der amerikanischen Politserie „House of Cards“, basiert darauf, dass er auf seinem Weg an die politische Macht jegliche Skrupel und Moralvorstellungen über Bord wirft. Und Teflon ist deshalb ein so beliebter Stoff, weil alles an ihm abperlt. Was das nun alles ausgerechnet mit Jean-Claude Juncker zu tun hat, nun ja, diese Frage dürfen Sie sich selbst beantworten.





    wallstreetONLINE Redaktion
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    Luxemburg-Leaks Vom Chamäleon zum europäischen Frank Underwood - So glaubhaft ist Jean-Claude Juncker Juncker, das Chamäleon, Juncker, der europäische Frank Underwood oder einfach nur Teflon-Juncker – so sehr die Wortspiele uns auch schmunzeln lassen, so bitter ist die Erkenntnis, die hinter all diesen Metaphern steckt: Ein Politiker, der für Macht und Erfolg alles gibt – auch seine eigene Glaubwürdigkeit.

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