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    Griechenland  4496  2 Kommentare Aussicht auf Neuwahlen lässt Börse abstürzen - Zu viel Demokratie?

    Mit den Finanzmärkten und der Demokratie ist das so eine Sache. Zwar betonen Investoren immer wieder die Wichtigkeit demokratischer Strukturen für die freie Marktwirtschaft. Doch dann wird es ihnen plötzlich zu demokratisch – und an den Börsen bricht die Hölle los.

    Zu beobachten war dieses Phänomen in dieser Woche in Griechenland. Dort hatte der griechische Regierungschef Antonias Samaras angekündigt, die Wahl des Präsidenten vom Februar auf den 17. Dezember vorzuziehen. An der Börse in Athen löste diese Nachricht ein Erdbeben aus. Um ganze 13 Prozent rauschte der Leitindex ASE in die Tiefe – der größte Tagesverlust seit 27 Jahren. Am Mittwoch setzte sich die Talfahrt fort, wenn auch mit etwas geringerem Tempo. Vor allem die Aktien von Banken erlitten teils schwere Verluste.

    Parallel dazu schossen die Zinsen auf griechische Staatsanleihen in die Höhe. Laut dpa-AFX rentierten zehnjährige Papiere am Mittwoch bei 8,5 Prozent, die Verzinsung griechischer Staatsanleihen mit einer Laufzeit von nur drei Jahren kletterte der „Welt“ zufolge in der Spitze auf 9,68 Prozent. Damit liegen die Zinsen auf kurzlaufende Staatsanleihen höher als Papiere mit einer längeren Laufzeit. Eine ungewöhnliche Renditekurve, die zeigt, wie groß die Unsicherheit unter den Investoren ist, vor allem was die nahe Zukunft anbelangt.

    Die Angst vor Syriza geht um

    Die Unsicherheit der Investoren hat einen Namen: Syriza, genauer gesagt die „Angst vor Syriza“. Die griechische Partei, von deutschen Medien wahlweise als „Linkspartei“, „Linksbündnis“ oder, wie von der „Welt“, als „extreme Linken“ betitelt, hat derzeit in Umfragen die Nase vorn. Und so wächst unter den Investoren die Angst, Syriza könnte bei Neuwahlen an die Macht kommen und den griechischen Rettungsplan durcheinander bringen. „Für den Fortgang der Hilfen durch die internationalen Geldgeber wären die Folgen laut Analysten kaum vorhersehbar“, schreibt dpa-AFX.

    Genau das ist es, was den Investoren in puncto Demokratie nicht behagt: die Ungewissheit. Nicht zu wissen, ob die Präsidentenwahl gelingt oder ob es aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse nicht doch zu einer Neuwahl des Parlaments kommt und ob dann die so gefürchtete Syriza tatsächlich die Wahl gewinnt, das alles passt den Finanzmärkten so gar nicht in den Kram.

    Wahlen ja, aber bitte nur mit dem „richtigen“ Ergebnis

    Nun sind Wahlen an für sich das konstituierende Element einer Demokratie. Trotzdem bezeichnet die „Welt“ die vorgezogene Präsidentenwahl als „griechische Eigenart“, die „nichts weniger als die Zukunft der gesamten Euro-Zone“ aufs Spiel setze. „Wenn Samaras sein Manöver verliert und Syriza durch Neuwahlen an die Macht kommt, ist das Risiko hoch, dass Griechenland im Anschluss pleite geht“, so Carl Weinberg, Chefökonom beim Analysehaus Highfrequency Economics, gegenüber der „Welt“. Dass Weinberg mit dieser Meinung nicht allein steht, zeigt nicht zuletzt der Börsencrash in dieser Woche. Die Angst vor Syriza scheint so etwas wie der Common Sense in der Finanzwelt zu sein. Dem Bericht zufolge rechnen immer mehr Investoren mit einem „Grexit“ – einem Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone – innerhalb der nächsten zwölf Monate. Zudem erwarteten 41 Prozent einen weiteren Staatsbankrott in den kommenden drei Jahren. Mit Blick auf die nächsten zehn Jahre seien es gar 83 Prozent.

    Geht es nach den Finanzakteuren, so sollten Neuwahlen also tunlichst vermieden werden. Zu groß ist die Gefahr, dass das griechische Volk den ihres Erachtens falschen Wahlsieger kürt. Das alles erinnert stark an das Jahr 2011, als der damalige griechische Regierungschef Papandreou in einem Volksreferendum über den Euro-Rettungsplan abstimmen lassen wollte. Investoren reagierten entsetzt, auch die europäischen Kollegen zeigten sich „not amused“. Am Ende musste sich Papandreou dem Druck beugen und das Referendum absagen.

    So entsteht der Eindruck: Demokratie sei zwar prinzipiell gut für die freie Marktwirtschaft, aber zu viel Demokratie sollte es dann besser doch nicht sein. Vor allem dann nicht, wenn das Volk womöglich das Falsche wählen könnte. Die Finanzmärkte scheinen das zu wissen und weil sie ohnehin nur das Beste wollen, müssen sie die Demokratie eben manchmal vor sich selbst schützen - oder in diesem Fall vor Syriza. Fragt sich nur, für wen es das Beste ist.

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