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    Abschreckung für Europa  2051  1 Kommentar Abe besorgt sich Freibrief für seine waghalsige Wirtschaftspolitik

    Die japanischen Wähler haben gestern die Regierungskoalition mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet. „Damit haben sie für die Fortführung der Abenomics gestimmt und ihrem Premierminister Shinzo Abe einen Freibrief ausgestellt für ein großes Experiment. Wenn es scheitert, droht eine massive Inflation oder aber die Pleite“, kommentiert Makroökonom Dr. Daniel Stelter, Buchautor und Gründer des Diskussions­forums „Beyond the obvious“, den Wahlausgang in Japan:

    Trotz bisheriger Misserfolge: Spiel auf Zeit geht weiter
     
    Der tiefere Grund hinter der japanischen Misere ist eine Kombination aus verschleppter Überschuldungskrise und schrumpfender Bevölkerung. Bis heute hat Japan nicht die Folgen der Blase aus den 1980er Jahren bereinigt. Statt die untragbaren Schulden abzubauen, wurden sie vom Privatsektor auf den Staat übertragen. Abenomics sind nur der verzweifelte Versuch, diese untragbare Schuldendynamik zu durchbrechen. Wie ein Autofahrer der erkennt, dass er nicht mehr vor der Mauer zum Stehen kommt, gibt Abe Vollgas und versucht so, die Mauer zu durch­brechen. Noch größere Staatsdefizite und massive Aufkäufe von Staatsanleihen und Wert­papieren aller Art sollen das Wachstum stützen und die Inflation auf mindestens zwei Prozent treiben. Strukturreformen sollen das mittel- bis langfristige Wachstumspotential erhöhen. Das Ziel ist klar: die nominale Wachstumsrate über die Wachstumsrate der Schulden zu bekommen, um so über Zeit die Schuldenquote zu senken.

    Unternehmen investieren aber nicht, weil keine Nachfrage

    Die bisherigen Ergebnisse waren jedoch nicht überzeugend. Wie auch? In einer Welt, in der alle wesentlichen Wirtschaftsregionen vor ähnlichen Problemen stehen, wird dies nicht funktionieren. Denn eine Steigerung des Außenhandelsüberschusses kann nur dann funktionieren, wenn ein Zusatzangebot an Gütern auf eine Zusatznachfrage in der Welt trifft. Bereits hoch verschuldete Länder wollen oder können sich aber nicht weiter verschulden. Damit wächst das Risiko, dass andere Staaten mit ähnlichen Maßnahmen auf die Politik Japans reagieren und wir einen Abwertungs­wettlauf erleben. Das zeigt sich auch an der zunehmenden Kritik an den deutschen Export­überschüssen. Gerade China wird angesichts der sich zuspitzenden Probleme im Finanzsektor wieder verstärkt auf Exporte setzen. Eine wesentliche Komponente von Abenomics müsste deshalb mehr Investitionen von Unternehmen sein. Doch wie die jüngsten Zahlen zeigen, zögern die, ihre Produktionskapazitäten zu erhöhen und bauen stattdessen weitere Liquiditätspolster auf. Dies wird die Krise weiter verstärken.
     
    Abschreibung der Schulden über Bilanz der Bank of Japan?

    Japan – ein Staat, der bei einem Schuldenstand nahe 250 Prozent des BIP trotz Minizinsen immerhin 43 Prozent der Staatseinnahmen für den Schuldendienst aufwendet – wird deshalb nicht darum herumkommen, das Schuldenproblem offen zu lösen. Die Bank of Japan wird einen immer größeren Anteil der Staatsschulden aufkaufen. Nicht lange, und der Großteil der japanischen Staatsschulden wird im Besitz der japanischen Notenbank sein. Da Staat und Notenbank beide dem japanischen Volk gehören, könnte man die Ansicht vertreten, dass die Schulden nicht mehr relevant sind. Die Notenbank könnte die Zinseinnahmen auf der Staatsschuld in der Sekunde, in der sie bezahlt werden, wieder an das Finanzministerium zurücküberweisen und auf Tilgung verzichten. Bingo! - das Schuldenproblem wäre gelöst und niemand würde Geld verlieren.
     
    Alchemie? Japan scheint gewillt, das Experiment zu wagen und das Risiko einzugehen. Geht es gut, ist es ein Vorbild für die Lösung der Überschuldungskrise in Europa. Scheitert es, droht der Verlust jedes Vertrauens in Geld und eine völlige Entwertung.
     
    Eine Warnung für Europa
     
    Europa befindet sich in einer sehr ähnlichen Situation wie Japan nach dem Platzen der Blase Anfang der 1990er Jahre: Die Schulden in den Ländern Europas sind auf Rekordniveau und steigen weiter. Die Erwerbsbevölkerung beginnt zu schrumpfen. Für die Kosten der alternden Gesellschaft wurden keine Rücklagen gebildet. Der Euro ist viel zu stark, gegeben den Zustand der europäischen Wirtschaft, das Bankensystem ist marode und gerade in den Ländern der Peripherie wimmelt es von „Zombie-Unternehmen“, die nur noch am Leben sind, weil die Banken die Abschreibungen nicht verkraften. Im Unterschied zu Japan haben wir es mit verschiedenen Staaten, Sprachen und Sozialsystemen zu tun, was die Handlungsmöglichkeiten einschränkt. Und auch wenn die EZB auf einen aggressiveren Kurs einschwenkt, bleibt sie die Zentralbank für verschiedene Länder mit verschiedenen Interessen.
     
    Als Vorbild für uns kann Japan sicherlich nicht dienen. Eher als Warnung. Die Ausgangslage von Europa ist ungleich schlechter heute, als jene von Japan vor 25 Jahren. Der japanische Staat konnte sich von einem tiefen Niveau kommend stark verschulden um die Wirtschaft zu stabilisieren. Finanziert wurden diese Schulden von den japanischen Sparern. Die europäischen Staaten hingegen haben schon vor der Krise enorme Schulden angehäuft. Zudem benötigen viele Kreditgeber aus dem Ausland, weil die inländische Ersparnis nicht zur Finanzierung der Defizite genügt. Wir werden nicht 25 Jahre dem japanischen „Vorbild“ folgen können. Besser wäre es die richtigen Schlüsse aus dem japanischen Beispiel zu ziehen: das Schuldenproblem bereinigen, statt es ungebremst anwachsen zu lassen bis es knallt.





    wallstreetONLINE Redaktion
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