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    Ein (Schulden-)Ring, sie zu knechten  8954  7 Kommentare Wie die Finanzindustrie die Welt an sich reißt und ganze Staaten unterwirft

    Ein (Schulden-)Ring, sie zu knechten …

    Zwischen Tolkiens Fantasiewelt Arda und unserer realen Welt gibt es überraschende Parallelen. Auch bei uns gibt es einen „Herr der Ringe“. Er heißt Schuldenkreislauf. Träger dieses Ringes ist die Finanzwelt, die damit die Staaten dieser Welt knechtet.

    Zugegeben, es ist eine etwas dramatische Einleitung. Aber nicht minder dramatisch wie das, was Joseph Vogel, Professor für Literatur- und Kulturwissenschaften/Medien der Berliner Humboldt Universität zu sagen hat. Im Interview mit der „WirtschaftsWoche“ zeichnet er das Bild einer Welt, in der sich die Demokratie quasi selbt abgeschafft hat und die stattdessen von der Finanzindustrie regiert wird. Er erklärt außerdem, wieso wir es mit einem neuen Klassenkampf zu tun haben.

    Mit den Finanzmärkten und der Demokratie sei das so eine Sache, kommentierte wallstreet:online die Verwerfungen an den Börsen als Reaktion auf die bevorstehenden Neuwahlen in Griechenland Ende des vergangenen Jahres. Zwar würden Investoren immer wieder die Wichtigkeit demokratischer Strukturen für die freie Marktwirtschaft betonen. „Doch dann wird es ihnen plötzlich zu demokratisch – und an den Börsen bricht die Hölle los“ (Siehe: Aussicht auf Neuwahlen lässt Börse abstürzen – zu viel Demokratie?).

    Ähnlich sieht das auch Joseph Vogel. Seiner Meinung nach tauche die Wahl der Griechen in der öffentlichen Diskussion nicht als legitime Entscheidung auf. Das werfe die Frage auf, ob demokratisch legitimierte Regierungen überhaupt noch zu Interventionen in ein Finanzregime fähig seien, das auf der Bewirtschaftung von Schulden basiere, so der Kulturwissenschaftler. Ein (Schulden)-Ring, sie zu knechten…

    Demokratie schafft sich selbst ab

    Es ist ein düsteres Bild, das Vogel von unserer gegenwärtigen Welt zeichnet. Einer Welt, in der die Finanzindustrie längst zum Souverän der Macht geworden ist. Denn sie habe sich von der Demokratie emanzipiert, konstatiert Vogel. Indem der Staat den Zentralbanken Regierungsfunktionen übertragen, eine parlamentarische Kontrolle aber gleichzeitig abgeschafft habe, hätte sich die Demokratie mehr oder weniger selbst abgeschafft. Der Gewinner sei das investierende Finanzpublikum, das längst der politisch-ökonomischen Kontrolle entzogen sei.

    Es ist darüber hinaus eine Welt, die nicht mehr nur von Staaten regiert wird, sondern mehr und mehr von Regierungsinstanzen, die sich aus Institutionen der internationalen Finanzverwaltung zusammensetze, so Vogel. Regierungsinstanzen wie die in Griechenland so verhasste Troika. Diese zeichneten sich durch informelle Entscheidungsprozesse und einer durch die Finanzmärkte hergestellten „Pseudolegitimität“ aus. Mit dem Prinzip der Volkssouveränität hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil, findet Vogel. Die Regierungen sind nämlich nicht mehr einzig und allein den Wählern verpflichtet, sondern zunehmend dem „Finanzpublikum, das über die ‚Stimmung‘ der Märkte Entscheidungen diktiert“. Ein (Schulden-)Ring, sie zu knechten…

    Finanzwelt ist neuer Souverän der Macht

    Für Vogel ist damit klar: Die politische Agenda werde nicht mehr von Wahlergebnissen vorgegeben, sondern von den Fälligkeitsterminen der Finanzindustrie - Griechenland lässt grüßen. Anstelle der Volkssouveränität tritt nach Ansicht des Philosophen eine andere Definition von Souveränität. Souverän ist demnach, „wer eigene Risiken in Gefahren für andere zu verwandeln mag und sich als Gläubiger letzter Instanz platziert“. Das macht das Finanzregime zum wahren Souverän unserer Zeit, da es „Risiken seines Publikums in gefahren für den Rest der Leute“ zu verwandeln vermag.

    Neuer Klassenkampf um „Herrschaft über zukünftige Renditen“

    Vogel sieht uns deshalb als Zeugen eines Konflikts zwischen dem alten und dem neuen Souverän, den Überresten eines demokratisch legitimierten Staates auf der einen und der Finanzindustrie auf der anderen. Staat gegen Investoren – „Das ist der neue Klassenkampf“, so Vogel.

    Wobei das mit dem Kampf durchaus wörtlich zu verstehen ist. Denn für Vogel hat sich nicht nur das Machtgefüge, sondern mit ihr in gewisser Weise auch die Kriegsführung geändert. Gemäß der „Herrschaft über zukünftige Renditen“ könne man statt Territorien in der heutigen Welt „die Zeit und die Zukunft“ besetzen. Und dazu brauche es keine Panzer und kein Militär, sondern einzig und allein die Finanzökonomie.

    Ein (Schulden-)Ring, sie zu knechten…





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    Ein (Schulden-)Ring, sie zu knechten Wie die Finanzindustrie die Welt an sich reißt und ganze Staaten unterwirft Die Demokratie schafft sich quasi selbst ab und die Finanzwelt wird zum neuen Souverän der Macht. Es ist ein düsteres Bild unserer Welt - Eine Welt, die von Investoren regiert wird und in der Kapital die Panzer von heute sind.