Omas Aktien
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
neulich erzählte ein Kollege in der Redaktion folgende Geschichte: Eine ältere Dame aus seinem Bekanntenkreis hatte ihn gefragt, welche Dividendenaktien er ihr empfehlen könne. Sie sei es leid, ihr Erspartes bei Null-Zinsen auf dem Sparbuch zu belassen, während ihre Sparkasse weiterhin für andere Dienstleistungen recht üppige Gebühren berechnet, berichtete er.
Warum selbst Oma jetzt Aktien kaufen will
Wir wurden natürlich sofort hellhörig. Eine Oma, die Aktien kaufen will? Uns kam unwillkürlich das Wort „Milchmädchen-Hausse“ in den Sinn und Erinnerungen wurden wach an die Zeit der Internetblase um die Jahrtausendwende. Damals trugen viele Aktienneulinge – selbst der sonst so vorsichtige Rentner und eben das ominöse „Milchmädchen“ – ihr Geld zur Börse. Aktientipps waren das Partythema und sogar der Frisör raunte seinen guten Kunden den einen oder anderen vermeintlichen nächsten Hype ins Ohr.
Unser Kollege lächelte still vor sich hin, als wir uns derart echauffierten. Als sich die erste Aufregung gelegt hatte, erzählte er weiter: In seinem Gespräch mit der Dame stellte sich heraus, dass sie sich diesen Schritt durchaus überlegt hatte. Sie besaß tatsächlich aus Zeiten der Internet-Euphorie ein paar Telekom-Aktien – zu einem Einstiegskurs von etwa 14 €. Dabei musste sie zwischenzeitliche Buchverluste von bis zu 50 % hinnehmen. Aber bei diesem kleinen „Restbestand“ machte ihr das nichts aus. Sie konnte geduldig abwarten, bis sich der Kurs wieder erholte. In der Zwischenzeit tröstete sie sich mit der Dividende – selbst wenn diese zwischenzeitlich auch mal gekürzt wurde oder sogar ganz ausfiel.
Jetzt wolle sie in größerem Stil und nicht nur bei einer Aktie einsteigen, berichtete der Kollege. Und er sollte ihr ein paar Werte vorschlagen, die dafür in Frage kämen. Wir fragten sicherheitshalber noch einmal nach: Und die gute Frau macht sich wirklich keine Sorgen wegen zwischenzeitlicher Kurseinbrüche? „Nö“, sagte der Kollege und grinste, als er die Fragezeichen in unseren Gesichtern sah. „Na gut“, gab er zu, „ihr wäre es natürlich lieber, wenn sie die vermeiden könnte. Aber ihr ist klar, dass ‚sichere‘ Anlagen heutzutage keine Erträge mehr bringen und sie die Schwankungen in Kauf nehmen muss. Daher will sie dafür nur Geld nehmen, das nicht zu ihrem ‚Notgroschen‘ gehört. Und das kann dann notfalls auch ‚für immer‘ da liegen bleiben.“