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    Soziologe Jean Ziegler  6204  4 Kommentare Demokratie in Gefahr - Statt Solidarität regiert nur noch der Profit!

    In was für einer Welt leben wir eigentlich? In einer kannibalischen, sagt Jean Ziegler. Die Schuld daran gibt der erbitterte Globalisierungsgegner einer „Konzern- Weltdiktatur“, in der statt Solidarität nur noch der Profit regiert.

    Eine Welt ganz ohne Staaten und Gesetze? Das ist für viele nicht nur undenkbar, sondern alles andere als wünschenswert. Bereits Thomas Hobbes, einer der wichtigsten Staatstheoretiker, beschäftigte sich im 17. Jahrhundert mit dieser Frage. Sein Urteil: In einem solchen Naturzustand würde ein „Krieg aller gegen alle herrschen“, weil „der Mensch dem Menschen ein Wolf“ ist. Die Welt als sozialdarwinistischer Kampf ums Überleben?

    Glaubt man Jean Ziegler, einem der bekanntesten Globalisierungsgegner, sind wir nicht allzu weit von einer solchen Welt entfernt. Die Schuld daran gibt er unserem Wirtschaftssystem, genauer gesagt einer neoliberalen Ideologie, die längst alle Bereiche des Lebens erfasst hat. Egal ob in der Wirtschaft, der Politik, oder in Interessenverbänden: „Die Welt funktioniert nach dem Prinzip der Profitmaximierung“ und die „Pseudo-Erkenntnis, dass die Ökonomie Naturgesetzen folgt und für breiten Wohlstand sorgt, wird kaum noch infrage gestellt“, kritisiert Ziegler in einem Interview mit der „WirtschaftsWoche“. Für ihn steht fest: „Wir leben in einer neoliberalen, kannibalischen Welt.“

    Statt Solidarität regiert der Profit

    Mit Sorge beobachtet der Soziologe, wie multinationale Konzern aufgrund dieser profitorientierten Denkweise immer mehr an Macht gewinnen, weil Solidarität im Bewusstsein der Menschen nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Das Solidaritätsbewusstsein, so Ziegler, sei durch die neoliberale Ideologie verschüttet und führe dazu, dass die Mehrheit der Menschen freiwillig gegen Solidarität für Schwächere stimme.

    Nur so kann er sich erklären, wieso „alle fünf Sekunden ein Kind (verhungert)“, obwohl wir auf einem Planeten leben, „der reich ist und allen gehört“. „Heute sterben Menschen nicht mehr, weil die Nahrungsproduktion ungenügend ist, sondern weil ihnen der Zugang zu den Gütern verwehrt ist.“ Für den ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung ist das ein unerträglicher Zustand. Vor allem da es seiner Meinung nach inzwischen möglich sei, das von den amerikanischen Gründungsväter proklamierte Recht nach Glück zu streben („the pursuit of happiness“) durchzusetzen. Die materiellen Güter würden längst ausreichen, um das, was einst als unerreichbare Utopie galt, wahrwerden zu lassen.

    „Ein Dschungel, in dem der Stärkere gewinnt“

    Doch von Chancengleichheit und dem Recht auf Glück sind wir noch immer meilenweit entfernt. Die Realität ist eine wachsende Macht multinationaler Konzerne, während gleichzeitig auf der Südhalbkugel die Armut wachse, so Ziegler (siehe hierzu auch: Warum das iPhone Schuld an der Armut ist...). Die Menschen in der restlichen Welt könnten diesen Missstand beheben, findet der Soziologe, „(d)as müssten die Bürger in der Schweiz, in den USA und in Deutschland nur wollen“. Dass sie es augenscheinlich nicht tun, liegt seiner Ansicht nach an den „Ketten in unseren Köpfen“, dem entfremdeten Solidaritätsbewusstsein.

    Ob wir Menschen dieses Bewusstsein wiederfinden oder es für immer unter der profitorientierten (neoliberalen) Denkweise begraben bleibt, wird für ihn damit zur alles entscheidenden Schicksalsfrage. Denn bleibt das Solidaritätsgefühl verloren, droht uns der eingangs beschriebene Hobbes’sche Naturzustand. „Wenn die Konzern-Weltdiktatur den Kampf gewinnt ums Bewusstsein, ist es vorbei mit der Aufklärung, mit dem demokratischen Staatsgedanken. Dann kommt was Perverses: Ein Dschungel, in dem der Stärkere gewinnt. Alle Errungenschaften der Demokratie wären verloren.“ Ziegler ist bei Weitem nicht der einzige, der die Macht der Konzerne kritisiert und darin eine Gefahr für die Demokratie sieht. In einem vielbeachteten Artikel berichtete wallstreet:online zuletzt über Jospeh Vogel und einem (Schulden-)ring, sie zu knechten … (Siehe: Wie die Finanzindustrie die Welt an sich reißt und ganze Staaten unterwirft).

    Ist es längst zu spät für ein Umdenken?

    Doch wer soll sich dieser scheinbar allmächtigen Finanzindustrie in den Weg stellen und eine solche „Konzern-Weltdiktatur“ mit ihren sozialdarwinistischen Zügen überhaupt noch abwenden können? Ziegler sieht in der globalen Zivilgesellschaft den einzig noch verbliebenen Hoffnungsträger das zu schaffen, was einzelne Staaten oder Staatenverbunde wie die EU nicht mehr schaffen können. Der Souveränitätsverlust des Nationalstaates und die Entfremdung der Führungsschichten, die freiwillige Unterwerfung unter die Logik des Kapitals sei so weit vorangeschritten, dass er nicht an eine Umkehr glaube, so Ziegler: „Die einzige Kraft, an die ich glaube, ist die neue globale Zivilgesellschaft.“





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