Hüfners Wochenkommentar
Irrtümer zur Deflation
1. April 2015. MÜNCHEN (Assenagon). Es gibt zwei Thesen zur Deflation, die man in diesen Tagen immer wieder hört. Die eine ist, dass sinkende Preise in einer Volkswirtschaft relativ selten
vorkommen. Man muss sie also nicht so ernst nehmen. Die andere ist, dass Deflationen, wenn sie denn kommen, gesamtwirtschaftlich eine Katastrophe bedeuten, die unbedingt verhindert werden muss.
Die EZB gibt derzeit über 1.000 Milliarden Euro aus, damit es im Euro keine Deflation gibt.
Beide Thesen sind typische Fallstricke ökonomischen Denkens. Sie klingen plausibel, sind aber falsch.
Zur ersten These. Tatsächlich war Deflation in der Vergangenheit selten. In den vergangenen sechzig Jahren war die Preissteigerung in Deutschland in gerade mal 2 Prozent aller Fälle negativ
(siehe Grafik). Das heißt aber nicht, dass das auch so bleiben wird. Es gibt nämlich eine Reihe von Gründen, dass die Preissteigerung in Zukunft häufiger unter Null fällt.
Quelle: Bundesbank
Ein Argument ist das langsamere Wachstum in der Welt. Wenn die Wirtschaftsleistung nur noch um 1 Prozent bis 2 Prozent pro Jahr zunimmt, ist es wahrscheinlicher, dass die Preissteigerung "an
der Null kratzt", als wenn sie um 3 Prozent und mehr expandiert.
Das gleiche gilt für die Geldentwertung. Die Zentralbanken haben heute weltweit niedrigere Stabilitätsziele. Je näher die Preissteigerung aber an Null kommt, umso größer die Wahrscheinlichkeit,
dass sie vorübergehend negativ wird.
Währungsunionen verstärken diesen Trend. Weil es dort keine Wechselkursveränderungen gibt, können Defizitländer ihre Wettbewerbsfähigkeit nur durch unterdurchschnittliche Lohn- und
Preissteigerungen wieder zurückgewinnen. Das ist die "interne Anpassung". Wenn dann die Inflation der Union insgesamt bei 2 Prozent liegt (oder darunter), dann sind Preissteigerungen von unter
Null in Defizitländern kaum zu vermeiden. Das ist das, was wir derzeit in Südeuropa beobachten. Die Deflation dort ist kein Zeichen der Krise (und wird von der Bevölkerung auch nicht so
empfunden). Es signalisiert eher Fortschritte auf dem Weg der Gesundung.