Öl-Machtpoker
Stürzt uns das günstige Öl in eine neue globale Ölpreis-Krise?
„Kein Scherz!“, schrieb wallstreet:online im Januar über die Nachricht, der Ölpreis werde bald bei 200 US-Dollar liegen. Das hatte Claudio Descalzi, Chef des italienischen Energieunternehmens Eni, prophezeit. Allerdings zu einer Zeit, in der die Abwärtsspirale des Ölpreises kein Ende zu nehmen schien und der Preis für ein Barrel (159 Liter) Brent sogar erstmals unter die Marke von 50 US-Dollar gefallen war. Kein Wunder also, dass viele die Aussage Descalzis für einen schlechten Scherz hielten.
Forscher des Hamburger Forschungsbüros Energycomment würden sich wohl wünschen, es sei alles nur ein schlechter Scherz. Doch auch sie halten die Gefahr einer Kostenexplosion für real. In einer Studie im Auftrag der Grünen warnen sie jetzt vor einer globalen Ölpreis-Krise. Das berichtet „Spiegel Online“.
Investitionslücke wird zu Produktionsdefizit führen
Ihre Begründung deckt sich mit der des Eni-Chefs oder auch der des „Rohölgotts“ Andy Hall. Dieser hatte mit großen Summen seines eigenen Vermögens auf steigende Ölpreise gesetzt – trotz des aktuellen Preisverfalls. Aber ähnlich wie Descalzi rechnet Hall mit einer Pleitewelle und einer Investitionslücke, die dazu führen werden, dass die Nachfrage nach Öl bald die Produktion übersteigt (Mehr dazu: „Rohölgott überzeugt – „Fracking ist ein Blindgänger und der Ölpreis wird steigen“).
Die Hamburger Forscher sehen das ähnlich. Man habe es aktuell mit der größten strukturellen Veränderung seit den Achtzigerjahren zu tun. Die goldene Regel, wonach der Ölpreis nur den Weg nach oben kenne, ist außer Kraft gesetzt. Das verunsichert Investoren, galten Investitionen in Ölprojekte doch lange als sicher und profitabel. Statt zu investieren, zögern sie und genau das führe, so Energycomment, zu einer „drastischen Investitionskürzungen bei langfristig angelegten Ölprojekten.“
Aufgrund dieser Investitionslücke würde die Erschließung der Arktis, brasilianischer Tiefwasser, kanadischer Ölsande ebenso wenig vorangetrieben werden wie die Herstellung synthetischer oder biologische Kraftstoffe. „Daraus entstehen erhebliche Preisrisiken“, warnen die Forscher, denn: das Öl dieser Projekte wird schon bald schmerzlich fehlen.
Ölproduktion zunehmend unprofitabel – Droht der Fracking-Crash?
Lesen Sie auch
Aber es ist nicht nur ein „Klima der Angst“ (SPON), welches die Investoren lähmt, sondern auch einfaches unternehmerisches Kalkül. Der aktuelle Ölpreis macht die Ölförderung zunehmend unattraktiver. Statt sprudelnder Geldquellen zu erschließen, setzen Ölförderer immer mehr Geld in den Sand. Der amerikanische Öl-Traum hat sich längst in ein Öl-Trauma verwandelt, die Fracking-Industrie, einst glühender Hoffnungsträger, kämpft zunehmend ums nackte Überleben (siehe: „Es droht ein historischer Öl-Crash und schuld ist die OPEC“). Die Aussage des Bloomberg-Autoren Leonid Bershidka, Amerika werden den Ölpreis-Krieg verlieren, scheint sich mehr und mehr zu bewahrheiten – und bringt uns möglicherweise alle an den Rand einer neuen Ölkrise.
Auch deshalb, weil der Öl-Machtpoker der OPEC die gesamte Finanzwelt aus den Angeln heben könnte (siehe: "Achtung Crashgefahr! Riskante Fracking-Anleihen könnten neue Finanzkrise auslösen“, sowie „Droht Anlegern von geschlossenen Öl-Fonds der Ruin? Die Anzeichen sind alarmierend!“).
Der Ölpreis (Brent) im Ein-Jahreschart: