Kein Bock auf Selbstbestimmung
Manager abgeschafft, jetzt rollt die Kündigungswelle - Zappos-Mitarbeiter wollen nicht frei sein
In der Unternehmenskultur hat so etwas wie eine Trendwende eingesetzt. Weg von strikten Hierarchien und klarer Befehlskette, hin zu mehr Selbstbestimmung und flacheren Strukturen. Doch bei Zappos scheint das gerade gewaltig schief zu gehen. Immer mehr Mitarbeiter kündigen, weil sie die Nase voll von der neuen Freiheit haben.
Zappos wurde 2009 von Amazon für 1,2 Milliarden US-Dollar gekauft und fungiert seither als weitgehend autonome Tochtergesellschaft. Der Online-Schuhhändler gilt nicht nur als Vorbild für Zalando, sondern auch als Vorreiter in Sachen neuer Unternehmenskultur. Zappos-Chef Tony Hsieh soll sogar mal gesagt haben, die Kultur bei Zappos interessiere ihn mehr als Schuhe. Insofern ist Hsieh stets auf der Suche nach Möglichkeiten, das Arbeitsklima bei Zappos zu verbessern.
Aus diesem Grund führte er 2013 „Holacracy“ ein, ein vom Unternehmer Brian Robertson entwickeltes System mit flachen Hierarchien und transparenten Entscheidungsprozessen. Kernelement von Holacracy sind Netzwerke, „Circles“ genannt, in denen Mitarbeiter gemeinsam Entscheidungen treffen. Über 300 solcher Circles soll es inzwischen bei Zappos geben.
Klingt super, aber ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht. Holacracy-Erfinder Robertson selbst nennt den Übergang zum Circle-System einen „großen und schmerzhaften Wandel“. Schmerzhaft ist er vor allem für eine ganz bestimmte Gruppe von Mitarbeitern: die Führungsebene. Diese nämlich ist dank den Circles sozusagen abgeschafft, Manager braucht es nicht mehr. Statt Arbeiter manage man bei Zappos jetzt die Arbeit, so eine Mitarbeiterin gegenüber dem „Wall Street Journal“. Und weil die 269 Manager als solche nicht mehr gebraucht werden, werfen viele von ihnen jetzt das Handtuch. Sie haben die Nase voll von „Holacracy“.
Zappos laufen die Mitarbeiter davon
Wie das „WSJ“ berichtet, sollen 210 der insgesamt 1.500 Mitarbeiter, also rund 14 Prozent der Belegschaft, das Unternehmen inzwischen aufgrund der neuen Unternehmenskultur verlassen haben, darunter hauptsächlich frühere Manager. Viele von ihnen beschreiben „Holacracy“ als zeitaufwendig und verwirrend, statt produktiver Arbeit reihe sich ein Circle-Meeting ans andere. Der Mehraufwand durch das neue System soll 5 Stunden pro Woche betragen. Zu viel, finden einige und kündigen.
Kündigen ist bei Zappos durchaus lukrativ. So bekommen Mitarbeitern ein volles Monatsgehalt ausbezahlt, sollten sie unzufrieden sein und deshalb Zappos verlassen wollen. Rund 1 bis 3 Prozent soll sich dem Bericht zufolge für diese Option entscheiden. Zappos-Chef Hsieh bezeichnet das als kleinen Preis, den der Schuhhändler gerne zahle, um im Gegenzug eine loyale und langfristig orientierte Arbeiterschaft zu bekommen.
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Aus diesem Grund nimmt Hsieh auch die Tatsache, dass ihm gerade 14 Prozent der Belegschaft davongerannt ist, recht gelassen hin. Von der anderen Seite aus betrachtet bedeute das, dass sich 86 Prozent der Mitarbeiter entschieden habe, nicht den Weg des „schnellen Geldes“ zu gehen, sondern dem Unternehmen die Treue zu halten, so der Zappos-Chef und glaubt weiterhin an den Erfolg von „Holocracy“. Es werde „Zeit und viel ‚trial and error‘“ brauchen, doch er sei überzeugt, dass das neue System die Mitarbeiter stärken und Ideenfluss, Zusammenarbeit und Innovation antreiben werde, heißt es in einer E-Mail an die Zappos-Mitarbeiter.
Für all die geblieben Ex-Manager hat Zappos übrigens einen eigenen Circle gegründet. Unter dem passenden Namen „Erfinde dich neu“ soll er laut Hshieh „früheren Managern dabei helfen, sie in neue Rollen zu lenken, die zu ihren Vorlieben, Fähigkeiten und Erfahren passen.“