Nach Insiderskandal
"Zu viel Macht, zu wenig Kontrolle" - Straubhaar will Zentralbanken entmachten!
In der vergangen Woche sorgte ein ungeheuerlicher Vorgang für Empörung: EZB-Direktor Benoît Cœuré hatte Hedgefonds auf einer geheimen Veranstaltung mit Insiderinformationen versorgt, die ihnen einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafften.
Mit der Information, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Mai und Juni verstärkt Anleihen aufkaufen will, konnten sie sich lange bevor der DAX stieg und der Euro zum US-Dollar fiel entsprechend positionieren und saftige Gewinne einstreichen (siehe: Raubtierfütterung – EZB wirft Hedgefonds Insiderinformationen zum Fraß vor).
Bei der EZB spricht man von einer ärgerlichen Kommunikationspanne. Der Ökonom Thomas Straubhaar hält dagegen: Das sei nicht nur eine Bagatelle, sondern ein Skandal! Er sieht in dem Vorfall einen „weitere(n) Stein des Anstoßes im Mosaik der fragwürdigen Verhaltensweisen der Notenbanken.“
„Zu viel Macht, zu wenig Kontrolle“
Mit und seit der Finanzkrise hätten die Notenbanken nicht nur in Europa, sondern weltweit in unglaublicher Art und auf unheimliche Weise Macht und Einfluss gewonnen, schreibt Straubhaar in seiner Kolumne für die „Welt“. Das Ergebnis: „Mittlerweile regieren sie die Weltwirtschaft.“
Und das weitgehend ohne demokratische Kontrolle. In Eigenverantwortung führten sie Nullzinsen ein oder manipulierten die Wechselkurse. „Ohne politisches Mandat und jenseits von Treu und Glauben hebeln Zentralbanken im selbst definierten Notfall eigenmächtig Verfassungen und Satzungen aus. Vielleicht nicht de jure, aber de facto.“
„Zeit, die Zentralbank zu entmachten“
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Straubhaar hält es deshalb für überfällig, die Rolle der Zentralbanken zu hinterfragen: „Es wird Zeit, die Zentralbanken zu entmachten!“ Die Währungshüter hätten die Grenzen ihrer Handlungsbefugnisse längst überschritten. Aus diesem Grund fordert der Schweizer Ökonom eine Rückbesinnung auf das eigentliche Ziel der EZB, nämlich die Preisstabilität. Mehr Bescheidenheit sei angesagt, Geldpolitik sei kein Selbstzweck und es sei ein Irrglaube, durch Geldpolitik nachhaltige Wirtschaftspolitik jenseits der Geldwertstabilität betreiben zu können.
Die Kommunikationspanne der EZB ist für Straubhaar deshalb der endgültige Beweis, dass so viel Macht bei so wenig Kontrolle menschliches Fehlverhalten der Währungshüter provoziere. Konsequenzen müssten her, findet er.
EZB schafft Vorabinformationen ab – für Journalisten!
Das sieht die EZB ganz genauso und untersucht ihre Kommunikationspanne. „Wir untersuchen unsere Praxis und das, was diese Woche passiert ist, eifrig und werden, wenn wir es für nötig erachten, weitere Schritten unternehmen“, versicherte ein EZB-Sprecher unmittelbar nach Bekanntwerden des geheimen Treffens. Ein Schritt wurde bereits getan: Die Vorabinformationen wurden abgeschafft. Aber nicht für Hedgefonds-Manager oder Banker, sondern für Journalisten. Die einen nutzen die Insiderinformationen, die anderen werden bestraft. „Transparenz, Öffentlichkeit und Gleichbehandlung sieht anders aus“, meint wallstreet:online (siehe: Exklusivität für Hedgefonds und Banken – Journalisten müssen künftig draußen bleiben?).
Die Abschaffung der Vorabinformationen für Journalisten ist wohl nicht der Schritt, den Straubhaar im Sinn hat, wenn er Konsequenzen aus dem Kommunikationsskandal fordert. Nein, er will vielmehr die Macht der Zentralbanken eindämmen, indem sich die EZB auf ihre Wurzeln besinnt. Nämlich die, die der EZB vorschreiben Geldpolitik, und nur Geldpolitik, zu betreiben. „Eine Rückkehr zum Anfang wäre ein guter Wiederbeginn für ein neues und erfolgsversprechendes Zeitalter der Europäischen Währungsunion.“