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    USA: Deshalb hat sich dieser “brutale” Kapitalismus entwickelt

    Von Claudio Kummerfeld

    “Wir” Europäer verabscheuen oft den aus unserer Sicht “brutalen”, “rücksichtslosen” und “menschenverachtenden” Turbokapitalismus in den USA. Aber kann es sein, dass unsere subjektive Sichtweise das Problem ist? Um zu verstehen, warum sich in den USA dieser “brutale” Kapitalismus entwickelt hat, ist ein Blick in die Geschichte notwendig…

    USA Börsenbulle nahe Wall Street New York City
    Der Bulle symbolisiert steigende Aktienkurse – Statue nahe der Wall Street in New York City.
    Foto: Arturo Di Modica; Foto von Andreas Horstmann/Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

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    Der Blick in die Geschichte ist entscheidend

     

    Wer verstehen will, warum sich in den USA der Kapitalismus und das grundlegende Verständnis der breiten Masse der Bevölkerung hierzu völlig anders entwickelt hat als in Europa, muss einen Blick in die Geschichte werfen, und zwar lange zurück in den Zeitraum von 1600-1900. Es gibt einige hochinteressante Bücher, die genau diese Epoche beleuchten, und es ist mehr als empfehlenswert sich dort einzulesen. Ganz bewusst mache ich hier keine Buchempfehlung – da soll jeder selbst entscheiden, was er kauft oder nicht kauft – nur so viel: es lohnt sich eingehend mit dieser Epoche der USA zu beschäftigen, denn jenseits von Bürgerkrieg und Indianerausrottung gab es hochinteressante kaum in der breiten Öffentlichkeit bekannte Teilbereiche der US-Geschichte.

     

    Die “Offensichtliche Bestimmung” der USA

     

    Streng gläubige Christen, die sich in vielen kleinen Bewegungen zusammenschlossen, merkten Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr, dass sie in einem Europa, dass sich zunehmend von der Religion entfernte, nach und nach zur Randgruppe wurden, um es mal so zu bezeichnen. Diverse Gruppen aus allen Teilen Europas (Oberbegriffe “Evangelikale“, “Calvinisten”, “Puritaner”) machten sich Richtung Amerika auf um dort ihre Religion frei ausleben zu können. In einem relativ (Indianer) menschenleeren Land fanden sich diese streng religiösen Gruppen auf einmal aus meinungsbildende Mehrheit wieder. Obwohl die Staatsgründer der USA Religion und Staat strikt trennten, wurden die streng religiösen Ansichten dieser Gruppen zur unausgesprochenen Staatsraison der USA, die bis heute anhält. Diese Staatsraison wurde im 19. Jahrhundert mit der Bezeichnung “Manifest Destiny” ausgedrückt.

    Manifest Destiny USA
    Foto: John Gast / gemeinfrei

    Was bedeutet das? Sinngemäß ins Deutsche übersetzt heißt es “Offensichtliche Bestimmung“. Journalisten und religiöse Anführer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten diese Doktrin, wonach es die offenkundige göttliche Bestimmung der USA und seiner europäischen Zuwanderer sei, den neuen Kontinent in Besitz zu nehmen, zu bewirtschaften, zu arbeiten, und sich die Tiere und wilde Ureinwohner Untertan zu machen. Bei genauer Betrachtung ist all dies auch in dem Bild von John Gast aus dem Jahr 1872 erkennbar, dass das Manifest Destiny in einem einzigen Bild ausdrücken soll. Die Göttin, die über allem schwebt ist “Columbia” und stellt als Person die USA dar. Sie zivilisiert und unterwirft die wilden Ureinwohner und bringt mit dem Telegraphendraht den Fortschritt Richtung Westen, und dies alles in Gottes Auftrag. Nicht alle religiösen Einwanderergruppen teilten diese expansive “von Gott gesandte” Politik. Gruppen wie die Amisch und Quäker kümmerten sich nur um sich selbst, und verweigerten z.B. im Bürgerkrieg und späteren Kriegen vollständig den Dienst an der Waffe. Dies war aber eine zahlenmäßig recht kleine Gruppe.

     

    Gottes Werk

     

    Dieses “Manifest Destiny” floss in die Selbstdarstellung der neuen Nation USA ein und prägt die Menschen bis heute. Dies sieht man z.B. an der aggressiven und expansiven Herangehensweise in den Bereichen Wirtschaft und Politik. Man muss diese (aus unserer Sichtweise) aggressive Grundhaltung nicht teilen, man kann oder sollte sie sogar kritisieren. Aber sich grundlegend klarzuwerden, dass dies von Geburt an das Grundverständnis dieser Nation war, erleichtert den Blick und das Verständnis auf die amerikanische Herangehensweise in fast allen Themengebieten.

    Lloyd C. Blankfein, langjähriger Chef von Goldman Sachs, sozusagen die personifizierte Inkarnation des Bösen für jeden Kapitalismus-Kritiker, sagte 2009 mitten in der Finanzkrise er “verrichte das Werk Gottes“. Es ging um kritische Fragen zu seinem Geschäftsgebaren. Mit “Gottes Werk” meinte er sei zu verstehen, dass Goldman Sachs unter seiner Führung Firmen helfe an Geld zu kommen und zu wachsen.

    Lloyd Blankfein Goldman Sachs USA
    Lloyd C. Blankfein, Chef von Goldman Sachs
    Foto: Paul Elledge Photography/Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

    Wenn wir Europäer vom Chef von Goldman Sachs hören er verrichte “Gottes Werk”, lachen wir natürlich herzlich und regen uns darüber auf. Auch in den USA empört man sich über so eine Äußerung, aber deutlich weniger als bei uns. Und warum kommt gerade einem Amerikaner dieses Wortspiel über die Lippen? “Hart zu arbeiten” und dadurch Gott zu gefallen – dieser tief verwurzelte Glaube aus der Gründerzeit der USA mündet in dieser Aussage, die natürlich in dem heutigen Zusammenhang (Finanzkrise) auch für viele Amerikaner mehr als unangemessen ist.

     

    Durch “harte Arbeit” Gott gefallen

     

    Was man heute als religiöse Rechte in den USA bezeichnet (Überbegriff “Evangelikale”), waren in der Gründerzeit der USA die Puritaner. Sie glaubten fest an ein “von Gott auserwähltes Volk”, das parallel zur Heilsgeschichte auch in der weltlichen Geschichte dem Rest der Welt Vorbild sein solle. Dazu kam eine Überzeugung auf sich selbst gestellt und nur dem eigenen Gewissen gegenüber verantwortlich zu sein. “Calvin´s” Interpretation der Bibel entnahmen die Puritaner, dass Arme und Reiche nebeneinander in der Schöpfungsordnung vorgesehen seien (Prädestination).

    Erworbenen Wohlstand betrachtete man als “Zeichen der Güte Gottes”, der zu frommer Wohltätigkeit verpflichte. Aus dem Wunsch die Güte Gottes zu empfangen wurde die Grundmaxime der “harten Arbeit” in den USA. Viel arbeiten, hart arbeiten, möglichst viel Geld verdienen, zu Wohlstand kommen, um so Gott zu gefallen.

    Oft hört man von US-Präsidenten, Parlamentariern oder Promis in den USA den Ausspruch “hart arbeitende Amerikaner“. Bevor ich mich mit der Geschichte der USA vor dem 1. Weltkrieg eingehend beschäftigt habe, dachte ich immer “was meinen die immer alle mit “hart arbeitende Amerikaner”? Chinesen, Deutsche und Russen arbeiten ja auch hart ?! Aber dieser Ausspruch spiegelt das vorher beschriebene tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelte Ideal wieder… “viel arbeiten, viel Geld machen ist grundlegend positiv und gottgefällig – arm zu sein das Gegenteil”.

     

    Eine andere Art zu leben

     

    Sollten wir Europäer, die wir doch alles besser wissen, nicht mal einen Schritt zurücktreten und nicht ständig alles kritisieren, was uns nicht passt? Wir erachten es als asozial, wenn Asiaten Hunde essen, genau so finden wir es menschenverachtend, wenn die Turbo-Kapitalisten in den USA mal eben so aus Gründen der Gewinnmaximierung zehntausende Arbeiter entlassen, nur weil die Quartalszahlen eines Konzerns nicht stimmen. Andersrum könnten aber Menschen in der dritten Welt uns als asozial empfinden, weil wir Deutschen unsere Hunde teilweise besser behandeln als unsere Mitmenschen. Reine Ansichtssache, oder? Die Amerikaner wählen alle vier Jahre ihre Regierung. Auch wenn das Wahlrecht in den USA es schwierig macht, aber wenn die Amerikaner die “ausbeuterischen” Verhältnisse in ihrem Land nicht mehr ertragen könnten, hätte sich dort nicht längst eine linke Massenbewegung etabliert ähnlich wie die Linken oder Grünen bei uns, die in einzelnen Bundesstaaten den Gouverneur stellen oder sogar einen Senator nach Washington entsenden könnten? Passieren tut dies aber nicht, oder nur in sehr geringem Umfang. Nicht nur die Elite, sondern in der Tat die breite Masse der Bevölkerung hat ein ganz anderes Grundverständnis von Geld als “wir” in Europa. Es ist ein Streben nach Erfolg und Wohlstand, das sich aus dem ehemals evangelikalen Streben ableitet von Gott gefallen zu wollen. Im Lauf von 200 Jahren, so scheint es zu sein, hat sich diese Auslegung von Frömmigkeit gegenüber Gott zu dem entwickelt, was wir heute als Turbokapitalismus in den USA bezeichnen.

     

    Hinweis: weitere Artikel von Claudio Kummerfeld, sowie Hintergrundberichte, die über den Tellerrand blicken lassen finden Sie auf www.finanzmarktwelt.de



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    Markus Fugmann
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    Markus Fugmann ist Chefanalyst der actior AG und Redakteur bei www.finanzmarktwelt.de. Die actior AG bietet Selbsthändlern die Möglichkeit, an allen gängigen Märkten der Welt im Bereich CFDs, Futures, Aktien und Devisen zu Top-Konditionen zu handeln. Darüber hinaus erhalten Kunden kostenlose Informationsabende, Seminare, One-to-One Coaching, allgemeine Einführungen in die Handelsplattformen und Märkte.
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    Verfasst von Markus Fugmann
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