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    Piketty, Verteilungstheorie, Kritik, Thomas, Ökonomen, Bestseller, Das Kapital, Hayek  5764  0 Kommentare
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    Kritik an Thomas Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert

    Das Werk von Piketty gehört zu den lesenswerten Büchern, jedoch ist es nicht frei von Fehlern. Ich möchte mich kritisch mit dem werk auseinandersetzen.

    Der Bestseller des französischen Ökonomen Thomas Piketty „Das Kapital des 21. Jahrhunderts“ hat besonders seit Erscheinen der englischen Ausgabe im März 2014 für Furore gesorgt. Blieb die französische Originalausgabe in Deutschland noch weitestgehend unbeachtet, hat das Werk über den Umweg USA nun auch in Deutschland für hitzige Diskussionen gesorgt. Seit Oktober 2014 ist die deutsche Ausgabe auf dem Markt. Nach anfänglich vielen positiven Rezensionen wird die Kritik an dem Buch mittlerweile immer lauter. Tatsache ist jedoch, das Piketty eine Diskussion über wichtige Fragen des Wirtschaftslebens und dem Umgang der Politik mit diesen neu entfacht hat. Es ist sein Verdienst, dass sich Ökonomen und Politiker Fragen wie diese stellen:

    • Was sind die ökonomischen und politischen Triebkräfte, die die Dynamik der Einkommens- und Vermögensverteilung bewirken?
    • Welchen Einfluss hat die Dynamik der Einkommens- und Vermögensverteilung auf das politische Handeln?
    • Was ist von politischer Seite zu tun, wenn die Zunahme der Einkommens- und Vermögensungleichheit nicht die Ausnahme, sondern die Norm ist?

     

    Laut Piketty ist die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung ausschließlich mit politischen Entscheidungen zu beeinflussen und kann nicht auf rein ökonomische Mechanismen reduziert werden. In Interviews, beispielsweise mit der Frankfurter Rundschau vom Juni 2014, betont er immer wieder: „Es gibt keine natürliche Kraft, die die Vermögensrendite und das Wirtschaftswachstum wieder zusammenführt.“

    Das von Piketty verlangte Misstrauen gegenüber allem "ökonomischen Determinismus in Bezug auf Ungleichheiten bei Vermögen und Einkommen" beinhaltet aber auch eine kritische Hinterfragung der von ihm dargelegten Ergebnisse. Sind Pikettys Schlussfolgerungen korrekt? Gibt es weitere Bedingungen als nur die von Thomas Piketty genannte r>g-Bedingung, die zu einem langfristigen Anstieg der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen führen? Was genau ist es, was Wirtschaftsnobelpreisträger wie Paul Krugman, Joseph Stiglitz, Bob Solow und Robert Shiller an diesem Buch so preisen?

    Die Kernaussage von Thomas Piketty

    Mit einer mathematischen Gleichung definiert Piketty den Anteil der Kapitaleinkommen am Nationaleinkommen, welches das Produkt aus Kaptitalrendite r und dem Gesamtbestand an Nettovermögen eines Landes ist. Dabei wird Letzteres in Prozent des Nationaleinkommens mit der Größe Beta bezeichnet. Die Erhebung empirischer Daten hat ergeben, dass historisch gesehen die Tendenz zu erkennen ist, dass die Kapitalrendite r größer als die Wachstumsrate g ist. Die Schlussfolgerung, die er daraus zieht, besagt, dass dies eine dramatische Zunahme der Ungleichheit zwischen Reichen und Armen bewirken wird und dadurch auf Dauer das Leistungsprinzip ausgehöhlt werde. Er sieht dadurch die Demokratie bedroht, denn die Verarmung der Mehrheit mindert auch deren freien politischen Gestaltungswillen, weil gesellschaftliche Entscheidungen in Zukunft von nur noch wenigen Großkapitalisten diktiert werden. Als Lösungsvorschlag bietet Piketty zweierlei:

     

    Statistische Erhebungen zur Kapitalverteilung der Bevölkerung in wichtigen Industriestaaten wie Frankreich, Italien, Deutschland und Großbritannienhaben haben ergeben, dass die reichsten zehn Prozent 60 Prozent des Gesamtvermögens besitzen. In den USA liegt dieser Wert bereits bei 72 Prozent. Piketty nennt das die "langsame Verdampfung der Mittelschicht", die der Demokratie ihre entscheidende Stütze entzieht.

    Quelle: http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article133712006/Schafft-de ...

    Piketty versus Hayek

    Die Ansichten Pikettys stehen im krassen Gegensatz zu der Anschauung, die der österreichische Ökonom Friedrich von Hayek vertreten hat. Kurioserweise warnen beide vor dem gleichen Ergebnis, nämlich die totalitäre Beherrschung der Gesellschaft durch eine Elite. Aber während bei Piketty diese Elite aus Großkapitalisten besteht, ist es bei Hayek eine politische Elite. Hayek lehnte eine Allzuständigkeit des Staates in Fragen der Marktbeeinflussung kategorisch ab. Zu groß seien die „ungewollten Nebenwirkungen“ staatlicher Interventionen, weil Allzuständigkeit nicht automatisch auch Allmächtigkeit bedeute. Hayek war der Ansicht, dass der umfangreiche Wohlfahrts- und Lenkungsstaat, der kollektive Zwecke vor individuelle Freiheit und politisches Planen vor privaten Austausch stellt, ein Irrweg sei. 

    Kritik an Pikettys Verteilungstheorie

    Die berühmt gewordene Formel r > g (Kapitalrendite ist größer als das Wirtschaftswachstum) bewirkt laut Piketty, dass die Konzentration von

    Einkommen und Vermögen langfristig auf einen vergleichsweise kleinen Teil der Bevölkerung zunimmt. Kritiker monieren dabei, dass Reinvestitionen des Kapitals dabei nicht berücksichtig werden. Piketty merke lediglich an, dass „nicht alle Kapitaleinkommen reinvestiert werden“, vernachlässige aber den Einfluss des Kapitaleinkommens, der für den Konsum verwendet wird. Laut Hagen Krämer, Professor für Economics an der Hochschule Karlsruhe im Fach Technik und Wirtschaft, müsse Pikettys Formel r > g aber dann wie folgt modifiziert werden: sK r > g, wobei sK die Sparquote aus Kapitaleinkommen darstellt. Krämer nennt auch noch weitere Bedingungen, die berücksichtigt werden müssen, damit es zu einer automatisch zunehmenden Spreizung von Einkommen und Vermögen kommt:

    • Es müssen unterschiedliche Sparquoten für verschieden Gruppen in der Bevölkerung existieren. Das heißt, die Bezieher hoher Einkommen und die Besitzer großer Vermögen verfügen über eine hinreichend höhere Sparquote als Personen mit geringen Einkommen und Vermögen.
    • die Arbeitslosenquote
    • die Höhe des Steuersatzes auf Kapitaleinkommen

     

    Eine monokausale Erklärung der Zunahme von Ungleichheit mit der Formel r > g ist also das Hauptargument der Kritiker. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass Piketty selbst diese Formel als alleinige Weltformel zur Erklärung von Ungleichheit in den Raum stellen wollte. Seine zahlreichen Hinweise auf einen nicht existierenden Determinismus unterstützen diese Annahme. Positiv ist auf jeden Fall, dass durch Pikettys Buch die Verteilungsfrage wieder stärker diskutiert wird. Die systematische, transparent aufbereitete und viele Länder umfassende Datensammlung für die Analyse der Einkommens- und Vermögensverteilung ist Piketty nicht abzusprechen. Kritik, beispielsweise von der Financial Times, dass einzelne Datensätze falsch übertragen wurden, lenken eher von der Notwendigkeit der Diskussion der Verteilungsfrage ab, als dass sie einen konstruktiven Beitrag zu wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen unserer Zeit leistet.  

    Kritik an den Lösungsvorschlägen Pikettys

    Die Forderung nach einer progressiven Steuer auf das Kapital ist sicher als Utopie zu bezeichnen. Technisch und juristisch vielleicht machbar, ist die Umsetzung aus politischer Sicht kaum vorstellbar. Solange sich ein Land wie die Schweiz bei Fragen des internationalen Kapitalflusses auf seine Neutralität beruft, wird eine Besteuerung der Kapitaleinkommen immer eine Steuerflucht des Kapitals bewirken, als eine echte Umverteilung. Wer seinen Wohnsitz nach Monaco, Andorra oder Liechtenstein verlegt, kann sich solchen Eingriffen der Politik leicht entziehen. Eine globale Transparenz bei allen Kapitalbewegungen durch automatischen Informationsaustausch, wie sie Piketty verlangt, ist kaum umsetzbar. Konservativen Schätzungen zufolge sind 21 Billionen US-Dollar in Steueroasen untergebracht. Und hier ist die Billion gemeint, wie sie im deutschsprachigen Raum gebraucht wird. Angesichts dieser Zahlen nehmen sich politische Argumente nach einer gerechteren Verteilung sehr klein aus. Piketty legt mit diesem Lösungsvorschlag seinen Fokus auf eine Sekundärverteilung. Maßnahmen zur Beeinflussung der Entstehung von Primäreinkommen spielen bei Piketty eine untergeordnete Rolle. Der Eingriff in funktionstüchtige Märkte scheint für ihn dann doch die schlechtere Alternative zu sein, womit er mit der traditionellen ökonomischen Vorstellung von der Allokationsfähigkeit der Märkte konform geht.

    Fazit

    Das Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty ist zweifellos ein wichtiges Werk, weil es die internationale Ungleichheitsdebatte wieder neu entfacht hat. Die politischen Empfehlungen zur Lösung des Problems sind allerdings eher ideologisch geprägt, als dass sie eine echte ökonomische Alternative darstellen. Viele Kritiker sind der Meinung, dass solche Ansätze eher schaden als nützen. Inwieweit Piketty die Macht der Politik überschätzt, wie es Karl-Heinz Paqué ausdrückte, ist eine weitere Diskussion wert. Auf jeden Fall ist die kritische Auseinandersetzung mit dem Buch ein wichtiger Beitrag, dem Thema Verteilung von Einkommen und Vermögen eine angemessene Gewichtung zu verleihen. 



    Martin Brosy
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    Martin Brosy ist Tradingcoach und Mitbegründer der Trading Ausbildung www.trademy.de. Großen Einfluss auf sein ökonomisches Weltbild haben die Publikationen von Karl-Heinz Paqué und Joseph Schumpeter. Als Börsianer inspirieren ihn die Ansätze von Buffett, Burry, Livermore und Lynch.
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    Verfasst von Martin Brosy
    Piketty, Verteilungstheorie, Kritik, Thomas, Ökonomen, Bestseller, Das Kapital, Hayek Kritik an Thomas Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert Der Bestseller des französischen Ökonomen Thomas Piketty „Das Kapital des 21. Jahrhunderts“ hat besonders seit Erscheinen der englischen Ausgabe im März 2014 für Furore gesorgt. Blieb die französische Originalausgabe in Deutschland noch weitestgehend unbeachtet, hat das Werk über den Umweg USA nun auch in Deutschland für hitzige Diskussionen gesorgt.