checkAd

    Geldpolitik  1999  0 Kommentare Ex-Bundesbank Vorstand Weber kritisiert: Inflationsziel führt in die Irre

    Geldpolitik wird insbesondere in Europa oft gleichgesetzt mit dem Verfolgen eines Inflationsziels. Doch das ist viel zu kurz gedacht, kritisiert der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber. Er fordert daher ein radikales Umdenken.

    Wer an die Europäische Zentralbank (EZB) denkt, dürfte in der Regel auch an die Inflationsrate denken. Zu Recht, denn die EZB hat ein klares Inflationsziel. Bereits im Jahr 1998 kündigte der EZB-Rat folgendes an: „Preisstabilität ist definiert als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter 2% gegenüber dem Vorjahr. Preisstabilität muss mittelfristig gewährleistet werden.“ Im Laufe der Zeit änderte sich die Definition von Preisstabilität hin zu einer Inflationsrate von nahe zwei Prozent.

    Dem Ziel der Preisstabilität sieht sich die EZB nachwievor verpflichtet. Und diese Verpflichtung hat durchaus Auswirkung auf die geldpolitischen Aktivitäten. So wurde im Rahmen der Debatte um das im Januar dieses Jahres verabschiedete Programm zum Anleihekauf stets auf das Inflationsziel verwiesen (hier geht's zum QE-Faktencheck). So weit, so gut. Jetzt sorgt allerdings die Kritik des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, für Furore. Er fordert in einem Essay auf „Project Syndicate“ ein Umdenken beim Inflation Targeting.

    Ist Preisstabilität gleichbedeutend mit Finanzstabilität? Webers Antwort ist ein klares Nein. Auch die  Bank für Internationalen Zahlungsausgleich argumentiere bereits seit langem, „dass ein reines Inflation Targeting nicht mit Finanzstabilität in Einklang zu bringen ist“. Der Grund: Wird die Geldpolitik stur an einem Inflationsziel ausgerichtet, bleiben Finanzzyklen unberücksichtigt. Da diese aber wirtschaftliche Realität sind, komme es „zu einer übermäßig expansiven und asymmetrischen Geldpolitik“. Nicht berücksichtigte Schwankungen müssen schließlich ausgeglichen werden – koste es, was es wolle.  

    Auch aus einer historischen Perspektive sei das Ziel der Preisstabilität nicht abzuleiten, argumentiert Weber: „Zentralbanken wurden eingeführt, um die Staatsfinanzierung zu sichern. Später wurde ihre Aufgabe um die Rolle als Kreditgeber der letzten Instanz erweitert.“ Erst in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts habe das Ziel eines stabilen Geldwertes an Relevanz gewonnen. Allerdings kritisiert Weber die Herangehensweise an dieses Ziel. Denn: Die als Maßstab für den Geldwert verwendeten Verbraucherpreise seien „kein perfekter Indikator für den Wert des Geldes“. Das liege in erster Linie daran, dass die Beziehung zwischen der Geldmenge und den Preisen nicht stabil sei.

    Auch hänge die Aussage der Verbraucherpreise stets von der verwendeten Messmethode ab. „Kurz gesagt, die Geldpolitik stützt sich beim Inflation Targeting auf eine unpräzise, kleine und schrumpfende Teilmenge der Preise, die mit großer und schwankender Verzögerung auf Veränderungen der Geldmenge reagiert“, so Weber.

    Dennoch hätten sich die Bemühungen der Geldpolitiker verselbstständigt, was im Übrigen auch Einzug in ökonomische Lehrbücher gefunden habe. Dort werde heute nicht mehr ein stabiler Geldwert als Hauptziel der Zentralbanken angepriesen, „sondern die Stabilisierung der Verbraucherpreise“. Doch diese Konzentration auf die Verbraucherpreise habe zur Folge, „dass die Zentralbanken heute routinemäßig die Verantwortung für alle Preise mit Ausnahme der Verbraucherpreise weit von sich weisen und damit übersehen, dass sich der Geldwert in allen Preisen spiegelt“.

    Webers Schlussfolgerung ist pikant: „Innerhalb einer komplexen und sich ständig entwickelnden Wirtschaft trägt das mechanistische System der Inflationssteuerung somit nicht zur Stabilisierung des Geldwertes bei.“ 





    wallstreetONLINE Redaktion
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen

    Melden Sie sich HIER für den Newsletter der wallstreetONLINE Redaktion an - alle Top-Themen der Börsenwoche im Überblick! Verpassen Sie kein wichtiges Anleger-Thema!


    Für Beiträge auf diesem journalistischen Channel ist die Chefredaktion der wallstreetONLINE Redaktion verantwortlich.

    Die Fachjournalisten der wallstreetONLINE Redaktion berichten hier mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Partnerredaktionen exklusiv, fundiert, ausgewogen sowie unabhängig für den Anleger.


    Die Zentralredaktion recherchiert intensiv, um Anlegern der Kategorie Selbstentscheider relevante Informationen für ihre Anlageentscheidungen liefern zu können.


    Mehr anzeigen

    Geldpolitik Ex-Bundesbank Vorstand Weber kritisiert: Inflationsziel führt in die Irre Geldpolitik wird insbesondere in Europa oft gleichgesetzt mit dem Verfolgen eines Inflationsziels. Doch das ist viel zu kurz gedacht, kritisiert der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber. Er fordert daher ein radikales Umdenken.

    Schreibe Deinen Kommentar

    Disclaimer