Durchbruch beim Krisengipfel
Vertrauen verloren, Griechenland gerettet? - Einigung im Marathon-Gipfel
Ein einziges Wort erlöst die Beobachter: „Agreement“, twitterte der belgische Premierminister Charles Michel gegen 08:45 Uhr am Montagmorgen. Zuvor hatten die Staats- und Regierungschef der Eurozone in einer Marathonverhandlung 17 Stunden lang für eine Einigung im Schuldenstreit mit Griechenland gekämpft – mit Erfolg.
Die ganze Nacht hindurch wurde verhandelt, gefeilscht und gestritten – mal in großer, mal in kleiner Runde. Die Einigung hing am seidenen Faden. Insbesondere die Forderung der Geldgeber, Athen solle Vermögen im Umfang von 50 Milliarden in einen Privatisierungsfonds transferieren, stieß auf erbitterten Widerstand seitens des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Doch am Ende musste er sich geschlagen geben. EU-Ratspräsident Donald Tusk berichtete am Montag, der Krisengipfel in Brüssel habe sich einstimmig auf ein umfangreiches Spar- und Reformpaket für das Krisenland verständigt. Zentraler Bestandteil dieses Pakets: eben jener umstrittene Privatisierungsfonds.
Die Eurostaaten haben sich nach den Worten von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem auf einen Privatisierungsfonds für Griechenland geeinigt. In diesem Fonds sollten griechische Vermögenswerte privatisiert werden, sagte der Niederländer laut dpa-AFX. Die Erlöse aus dem Fonds sollten dazu dienen, Schulden Griechenlands zu vermindern. Es gehe auch darum, Rekapitalisierungskosten für Banken zurückzuzahlen. Der Fonds war das letzte strittige Thema auf dem Gipfel gewesen.
Tsipras: "Habe hart gekämpft"
Tsipras hat nach eigenen Worten auf dem Gipfel der Eurogruppe das Beste erreicht, was für sein Land möglich gewesen sei. "Wir haben einen gerechten Kampf geführt", so der Regierungschef. "Wir stehen jetzt vor schweren Entscheidungen."
Athen habe erreicht, dass die Schulden umstrukturiert und die Banken mit Kapital versorgt würden. Er habe in den Verhandlungen mit den Partnern im Ausland hart gekämpft und werde nun im Inland ebenso hart kämpfen, damit die Gipfelbeschlüsse umgesetzt würden. "Griechenland braucht tiefgreifende Reformen", betonte Tsipras.
Merkel: "Vertrauen ist verloren gegangen"
Lesen Sie auch
Griechenland muss bis diesen Mittwoch zentrale Gesetzesvorhaben verabschieden. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte im Anschluss an den Gipfel, diese so genannten "prior actions" beträfen eine Reform der Mehrwertsteuer, einen Umbau der Statistikbehörde Griechenlands und das Rentensystem (siehe hier). Die vollständige Verabschiedung dieser Reformen werde dann durch die drei Institutionen (EU, IWF und EZB) überprüft.
Erst dann könnte die nationalen Parlamente ihnen zustimmen, darunter auch der Bundestag. Merkel sagte, die Einigung des Gipfels sei gelungen, obwohl die wichtigste Währung verloren gegangen sei, das Vertrauen. Bis 22. Juli müsse Athen weitere Gesetze verabschieden, unter anderem für die Rekapitalisierung von Banken. Der Weg für Griechenland werde noch ein langer und mühsamer, sagte die Kanzlerin
Schäuble ist der Sieger -Tsipras zieht den Kürzeren
Klarer Sieger der Verhandlungen ist Wolfgang Schäuble. Der deutsche Finanzminister sorgte während des Krisengipfels für Aufsehen, als er am Samstag überraschend ein Positionspapier einbrachte, in dem er unter anderem einen Grexit auf Zeit vorschlug. Auch die strittigen Privatisierungsfonds waren Teil des Schäuble-Plans. Der Vorstoß des Finanzministers stieß auf teils heftige Kritik. Bei Twitter lassen Kritiker derzeit unter dem Hashtag #ThisIsACoup ihrem Ärger freien Lauf. Schäuble und seine Kollegen planten einen Putsch gegen Athen, so ihr Vorwurf. Die Grünen kritisierten Schäubles Vorgehen als „verfassungswidrig“. Der Finanzminister hätte im Vorfeld den Bundestag informieren müssen, hieß es in einer Mitteilung der beiden Fraktionsvorsitzenden (siehe hier).
Jean-Claude Juncker will dagegen nicht von Siegern und Verlierern sprechen. "Es ist ein Kompromiss", so der EU-Kommissionspräsident am Montag in Brüssel. "Da es ein Kompromiss ist, gibt es weder Gewinner noch Verlierer. Ich denke nicht, dass das griechische Volk gedemütigt wurde, und ich denke nicht, dass die anderen Europäer ihr Gesicht verloren haben."
Bundestag muss entscheiden
Die Bundesregierung bittet den Bundestag nach der Einigung beim Griechenland-Krisengipfel nun darum, Verhandlungen über ein neues Rettungspaket für Athen zuzustimmen. Sie könne eine "Aufnahme von Verhandlungen aus voller Überzeugung empfehlen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in Brüssel. Wann eine Sondersitzung sein könnte, war zunächst offen - möglicherweise schon an diesem Donnerstag.