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    Kyl vs. Nuna  8619  0 Kommentare Eiskrieg ums berühmte "Sci-Fi"-Eis - Alles nur geklaut?

    Sommer, Sonne, Eis am Stiel – Je heißer die Jahreszeit, desto größer die Gelüste nach der süßen Versuchung. Auch in Berlin herrscht derzeit Eiszeit, allerdings eher im übertragenen Sinne… Denn in der Hauptstadt tobt ein erbitterter Eiskrieg um die Frage: Wer hat’s erfunden, das „Sci-Fi“-Eis?

    Es ist eine Geschichte über Loyalität, Ideenklau und die Schattenseiten des Crowdfundings. Im Zentrum der Geschichte: ein futuristisch anmutendes Eis am Stil. Klar ist nur, die Schweizer haben es nicht erfunden. Doch wer war es dann? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, müssen wir zurück ins Jahr 2008 reisen.

    2008 – Das war nicht nur die Zeit der Finanzkrise, sondern auch das Frühlingserwachen der Hipster-Szene. Vor allem in Berlin entstanden fast täglich neue, alternative Dinge. Auch Manu Kumar und Ali Erfani surften auf dieser Erfinderwelle. Längst waren ihnen die bekannten Eissorten zu langweilig geworden. Etwas Neues musste her. Ein Eis, das sowohl in puncto Geschmack als auch in Form und Inhaltsstoffen neue Maßstäbe setzt.

    Verträge? Brauchen wir nicht!

    Weil aber nicht nur das fertige Eis revolutionär sein sollte, sondern auch der Weg dahin, eröffneten die beiden einen sogenannten Coworking-Space. Das Prinzip dieser neuen Arbeitsform: Alle tüfteln in einem großen gemeinsamen Büro an ihren Projekten und profitieren von den dabei entstehenden Synergien. Vor allem bei Unternehmen aus der Kreativ- oder der Start-Up-Branche sind solche Coworking- Räume beliebt.

    Zu Eis-Erfinder Kumar und Projektmanager Erfani gesellte sich recht bald Grafiker Stefan Gandl. Gemeinsam schufen sie ein futuristisch anmutendes Eis am Stiel. Ein Jahr später, 2009, stieß schließlich David Marx dazu, der das Marketing für das neue Eis übernehmen sollte. Damit war das Team komplett. Offiziell gab es allerdings gar kein Team, es gab streng genommen noch nicht einmal eine Firma. Man arbeitete offen und unverbindlich, Verträge wurden nicht geschlossen, so Kumar gegenüber dem „Tagesspiegel“. Eine Entscheidung, die sie später bitter bereuen sollten.

    Schnell stellte sich heraus, dass Marx nicht zum Team passte und das Team nicht zu ihm. 2010 trat er aus dem Eis-Projekt aus. Gemeinsam mit seinem Marketing-Nachfolger Christian Arfert ließen sich Kumar und Co. ihr neues zackiges Eis und das kristallförmige Logo dann doch noch markenrechtlich schützen. Sie wollten damit sicherstellen, dass ihr „Nuna“, so der Name ihrer Erfindung, einzigartig bleibt.

    Marx bringt eigenes „Sci-Fi“-Eis auf den Markt

    Umso größer der Schock, als ihnen 2011 ein gewisser David Marx im „Wired“-Magazine entgegenlächelte und seine neuste Eis-Erfindung präsentierte. Unter dem Namen „Kyl“ stellte er die „wohl größte Eis-Evolution seit der Erfindung des Speiseeises“ vor. Blöd nur, dass dieses revolutionäre Eis dem Nuna-Eis verblüffend ähnlich sah. Zu ähnlich, befanden Kumar und Co. und zogen wegen Verletzung von Markenrechten und unlauterem Wettbewerb vor Gericht. Marx sah das anders. „Wo kein Markt ist, ist auch kein Schaden“, so Marx 2014 gegenüber „ZEITonline“.

    Tatsächlich war Nuna zu diesem Zeitpunkt noch weit von der Marktreife entfernt. Ziel war es, zunächst einen geeigneten großen Eishersteller zu finden, der Nuna auf den Markt bringen sollte. Konkurrent Kyl wählte eine andere Strategie. Über die Crowdfunding-Plattform Companisto sammelte Marx knapp eine Million Euro bei Kleininvestoren ein, um sein Kyl-Eis auf den Markt zu bringen. Doch die alles entscheidende Frage blieb: Wer hat’s erfunden?

    Idee geklaut oder nur zu Ende gedacht?

    Dieser Fall ist deshalb interessant, weil er gleich zwei Probleme unserer heutigen Arbeitswelt aufgreift. Zum einen unterstreicht es die Gefahr solcher Coworking-Formen. Natürlich liegen die Vorteile auf der Hand: Eine lockere Atmosphäre, in denen sich Ideen frei entfalten und weiterentwickeln können, direktes Feedback, Synergieeffekte und und und. Das perfekte Arbeitsumfeld – solange sich alle lieb haben. Es ist so ein bisschen wie in einer Ehe. Erst wenn die Liebe auf der Strecke bleibt und der Rosenkrieg seinen Lauf nimmt, merkt man, wie sinnvoll ein Ehevertrag gewesen wäre. So aber bleibt die Frage nach dem Recht auf geistiges Eigentum ohne vertragliche Basis eine spannende Angelegenheit.

    Die Schattenseite des Crowdfundings

    Ebenso spannend ist der Eiskrieg aber auch aus Sicht des Crowdfundings. Auch hier offenbart der Fall das Risiko dieses Finanzierungsansatzes. Ja, Crowdfunding ist hipp, ja, Crowdfunding eröffnet viele neue Chance, aber ja, es birgt leider auch erhebliche Risiken.

    Im Fall Kyl wussten die Investoren jedenfalls lange Zeit nichts vom Rechtsstreit mit Nuna, obwohl dieser nicht unerheblich für das unternehmerische Risiko ist. Vor allem dann, wenn Kyl den Prozess verliert und tatsächlich Schadensersatz zahlen muss. Trotzdem blieb dieses Detail auf dem Crowdfunding-Profil gänzlich unerwähnt. Lediglich in Kommentaren fanden sich versteckte Hinweise.

    Wie sich ein Start-Up darstelle, liege in seiner eigenen Verantwortung, erklärte Companisto damals auf Nachfrage von „ZEITonline“. Üblich sei, nur die wesentlichen Risiken aufzuzählen. Auch Marx gab damals an, einen Hinweis auf den Rechtsstreit nicht für notwendig zu halten.

    Die erste Runde geht an Nuna

    Die fehlende Auskunftspflicht kann so schnell zum Problem werden. Vor allem, wenn das Risiko plötzlich nicht mehr nur Risiko, sondern bittere Realität wird. So wie jetzt bei Kyl. Denn das Landgericht Berlin hat nun entschieden: Nunas Markeneintrag ist rechtens, Marx darf die Eisformen nicht mehr verwenden.

    Marx habe weder einen substanziellen Anteil an der Entwicklung der Eisform, noch leite sich aus seiner Verantwortung fürs Marketing ein Recht am Design ab, so die Begründung des Richters. Damit ist der Eiskrieg aber noch lange nicht entschieden. Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, hat Marx inzwischen Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Schlacht ums „Sci-Fi“-Eis geht in die nächste Runde. Die Unsicherheit für die Investoren bleibt.




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