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    Geldpolitik  2161  0 Kommentare Niedrige Zinsen sind nicht Folge einer „Enteignungspolitik“ der EZB

    Kommentar zur heutigen Anhörung des Finanzausschusses zur Niedrigzinspolitik der EZB (unter Teilnahme von Deutscher Bundesbank, Europäischer Zentralbank, Wissenschaft, Kreditwirtschaft und Verbraucherschutzen):

     
    Niedrige Zinsen sind ein Symptom der gesamtwirtschaftlichen Lage, nicht die Folge einer „Enteignungspolitik“ der EZB, wie konservative Politiker und Ökonomen poltern. Viele Sachverständige waren sich in der heutigen Anhörung einig, dass insbesondere mangelnde Investitionstätigkeit – und damit die Nachfrage nach Kapital – den langfristigen Zins drückt. Die expansive Geldpolitik der EZB war und bleibt richtig, um eine weitere Abschwächung der Konjunktur oder gar eine schwere Rezession im Euroraum zu vermeiden. Da die Gefahr einer Deflation, also einer Spirale aus sinkenden Preisen und rückläufiger wirtschaftlicher Aktivität, nicht gebannt ist, kann zurzeit nur mit außergewöhnlichen Maßnahmen die Preisstabilität im Euroraum erhalten bleiben.
     
    Die Geldpolitik alleine aber kann in Europa keine Trendwende bewirken. Viele Sachverständige forderten daher in einer Zeit, in der Unternehmen und Haushalte entweder überschuldet sind oder sparen, mehr öffentliche Investitionen und zukunftsorientierte Strukturreformen. Dazu gehört auch ein geordneter Umgang mit maroden Bankbilanzen, insbesondere in Krisenstaaten. Dabei müssen wir uns aber vor allem auch mittelfristig auf niedrigere Wachstums- und damit auch Zinsraten einstellen.
     
    Seit Jahrzehnten fallen in den Industriestaaten die nominalen Zinsen, insbesondere wegen niedrigerer Inflationsraten. Weniger stark gesunken sind hingegen die realen Zinsen, so dass die derzeitige Situation der „schleichenden Enteignung“ für Sparer keine historische Ausnahme bedeutet. Dass die Kreditwirtschaft dennoch Sturm gegen die Niedrigzinspolitik läuft, lässt sich nur mit kurzfristiger Interessenspolitik erklären. Denn alle Geschäftsmodelle, die von nominalen Zinsversprechen an den Kunden abhängen – Lebensversicherungen, Bausparkassen, Spareinlagen – leiden besonders in der aktuellen Situation. Dabei bleibt unverständlich, wieso die Lobbyverbände mit der EZB ihren eigenen Arzt beschimpfen. Denn nur wenn es den Preishütern gelingt, die wirtschaftliche Dynamik wieder anzukurbeln, sind auch mittelfristig höhere Nominalzinsen denkbar.
     
    Die Risiken der Niedrigzinspolitik liegen in überhitzten Vermögensmärkten und Finanzmarktblasen und dürfen nicht ignoriert werden. Denn mit dem Leitzins und dem Anleihekaufprogramm hat die EZB nur zwei grobe Instrumente, die unerwünschte Nebeneffekte produzieren können. Wir müssen auch in Deutschland schnell den Instrumentenkasten der makroprudenziellen Aufsicht erweitern, um zielgerichtet Exzesse eindämmen zu können.






    Gerhard Schick
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    Dr. Gerhard Schick ist Mitglied des deutschen Bundestages und seit 2007 finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Er widmet sich unter anderem den Themen Geldpolitik, Finanzmärkte, Steuerpolitik und Anlegerschutz.
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    Verfasst von Gerhard Schick
    Geldpolitik Niedrige Zinsen sind nicht Folge einer „Enteignungspolitik“ der EZB Niedrige Zinsen sind ein Symptom der gesamtwirtschaftlichen Lage, nicht die Folge der EZB-Politik, wie konservative Politiker und Ökonomen poltern. Die Risiken der Niedrigzinspolitik dürfen nicht ignoriert werden.

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