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    Nachranganleihen  11766  1 Kommentar Bank pleite, Geld weg - Tausende ahnungslose Sparer in den Ruin getrieben

    Eine Bank gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Sie wendet sich an arglose Sparer, die daraufhin fleißig Nachranganleihen zeichnen. Was genau das ist, verstehen sie nicht. Aber sie vertrauen ihrem Banker. Heute stehen sie vor dem Ruin - und fühlen sich vom Staat im Stich gelassen.

    Arezzo - Eine Stadt in der Toskana, knapp 100.000 Einwohner, italienisches Kleinstadtidyll. Viele Rentner verbringen hier ihren Lebensabend. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie tagtäglich schuften mussten, um wenigstens ein bisschen für später beiseitelegen zu können. Über Jahrzehnte hinweg zahlten sie bei der Bank ihres Vertrauens ein. Die Banca Etruria ist fest in Arezzo verwurzelt. Hier gehen die Leute ein und aus, hier kennt man sich – hier vertraut man sich.

    Deshalb ahnen die Sparer, vornehmlich Rentner, nicht, welch folgeschweren Fehler sie begehen werden, als vor einigen Jahren plötzlich das Telefon klingelt und der Bankberater ihnen empfiehlt, ihre Ersparnisse umzuschichten. Im Glauben, das Richtige zu tun, und im Vertrauen darauf, dass die Bank das Beste für sie will, zeichnen sie Nachranganleihen. Manche stecken ihre gesamten Ersparnisse in dieses Investment. Was sie nicht wissen: Die Bank ihres Vertrauens steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Nach Jahren der Misswirtschaft haben ihr die Aufseher der italienischen Zentralbank die Pistole auf die Brust gesetzt: frisches Geld muss her. Geld, das die arglosen Rentner bereitwillig liefern. Doch dann fällt das Kartenhaus in sich zusammen. Und die Anleger stehen vor dem Ruin.

    Ein Pakt mit dem Teufel

    Nachranganleihen, auch als Hybridbonds bezeichnet, sind tückisch. Hybrid daher, weil Sie eine Art Zwischenposition zwischen Eigen- und Fremdkapital einnehmen. Sie locken mit lukrativen Zinsen, doch es ist ein Pakt mit dem Teufel. Denn im Falle einer Pleite haften die Anleger mit, in der Hackordnung des Insolvenzverfahrens stehen sie ganz unten. Gerade für Banken, die ihr Kapital erhöhen wollen oder müssen, sind sie ein Segen. Je nach Ausgestaltung erkennen Ratingagenturen die Hybridmittel zumindest teilweise als Eigenkapital an. Kriselnde Banken kommen so schnell und einfach an frische Haftungsmittel, das volle Risiko trägt jedoch der Anleger.

    Trotzdem erfreuen sich Nachranganleihen noch immer großer Beliebtheit, auch wenn man damit, gelinde gesagt, vollends an die Wand fahren kann. Die 2.000 Anleger aus Arezzo, die rund 1,2 Millionen Euro in Aktien und Nachranganleihen gesteckt haben, sind damit an die Wand gefahren. Die Banca Etruria ist pleite, ihr Geld ist weg. Verbraucherschützer geben der Bank die Schuld an der Misere. „95 Prozent der Leute, die diese Nachranganleihen gezeichnet haben, wussten nicht, dass das ein Risikotitel war“, zitiert die „Welt“ Pietro Ferrari von der Verbraucherschutzvereinigung Federconsumatori. Die Bank hätte diesen „Müll“ an Rentner und Arbeiter verkauft und dabei deren geringe Schulausbildung, vor allem aber ihr blindes Vertrauen in die Bank ausgenutzt. „Jetzt ist ein gewaltiger sozialer Schaden entstanden. Sie haben eine ganze Stadt in die Knie gezwungen. Nicht eine Stadt der Anleger, sondern eine Stadt der Kleinsparer.“

    Bail-In statt Bail-Out

    Mit ihrem Schicksal stehen die Bewohner in und um Arezzo nicht alleine da. Die „Welt“ berichtet von insgesamt 12.500 Anlegern, die über Nachranganleihen 430 Millionen Euro bei vier italienischen Regionalbanken verloren haben. Dabei handelt es sich neben der Banca Etruria um die Banca Marche in Ancona sowie die Sparkassen in Chieti und Ferrara. Auch wallstreet:online hatte zuletzt über die finanziellen Schwierigkeiten dieser Banken berichtet (siehe: Lieber Staat, bitte rette uns! Gleich drei italienische Banken brauchen Milliardenhilfen).

    Doch auf Hilfe aus Rom warten diese Banken vergeblich. Zwar werden die Banken abgewickelt, indem sie jeweils in eine Good und eine Bad Bank aufgespalten werden. Der gute Teil wird über einen Solidaritätsfonds der anderen italienischen Banken gerettet, der schlechte nicht. Als Zeichner von Nachranganleihen landen die Anleger aber in der Bad Bank. Diese wird auch die italienische Regierung nicht mit Steuergeldern stützen. Das liegt zum einen daran, dass Italien mit Ausnahme der Monte Dei Paschi (siehe hier und hier) überhaupt noch nie eine Bank gerettet hat. Zum anderen darf es Rom nach geltendem europäischen Recht auch gar nicht. Dass viele europäische Geldinstitute die Finanzkrise überlebten, haben sie den jeweiligen Regierungen zu verdanken, die sie mit Steuergeldern vor dem Ruin bewahrten. Doch ein solches „Bail Out“, der Rettung durch Dritte, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Stattdessen schreibt die neue EU-Abwicklungsrichtlinie eine „Bail In“-Lösung vor. Heißt: Die Gläubiger der Bank (ab einer bestimmten Höhe) und eben nicht mehr die Steuerzahler werden an der Abwicklung einer pleitebedrohten Bank beteiligt. Die Kosten der Rettung sollen diejenigen tragen, die zuvor das Risiko eingegangen sind, in diese Bank zu investieren, so die politische Überlegung hinter der neuen EU-Richtlinie, die bis zum 01. Januar 2016 in nationales Recht umgesetzt worden sein muss. Sie sollen sich nicht mehr länger darauf ausruhen können, dass der Staat im Zweifelsfall einspringt.

    „Die Verantwortlichen haben Namen und Nachnamen“

    Viele werden dieser Argumentation zustimmen: Die Zocker und eben nicht die Steuerzahler sollen haften. Doch was, wenn es sich bei diesen Zockern um gutgläubige Rentner handelt, die keine Ahnung hatten, welch hochriskantes Geschäft sie eingehen? Die Anleger der italienischen Regionalbanken fühlen sich jedenfalls von der Politik im Stich gelassen. „Die Pensionäre sind doch bloß der Geldautomat der Regierung“, schimpft ein verzweifelter Rentner auf einer Bürgerversammlung. Dass die Regierung nun einen Solidaritätsfonds in Höhe von 100 Millionen ins Leben rufen will - also rund ein Viertel des Gesamtverlusts -, tröstet sie nur wenig. Vor allem die Erklärung des italienischen Finanzministers Pier Carlo Padoan, es handele sich dabei um „humanitäre Hilfe“, empört sie. Padoan mache auf Marie Antoinette, die dem hungernden Volk, das kein Brot hat, Kuchen empfiehlt, echauffiert sich Gewerkschaftsführer Alessandro Mugnai in der „Welt“. „Von humanitärer Hilfe zu sprechen ist nicht korrekt. Das hier ist kein Erdbeben, keine Überschwemmung und auch kein Terroranschlag von Isis. Die Verantwortlichen haben Namen und Nachnamen und sitzen im Management von Banca Etruria.“




    wallstreetONLINE Redaktion
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