Deutsche-Börse-Chef warnt
Dominanz chinesischer Börsen nimmt zu - Kapitalmarktunion die Lösung?
Der Chef der Deutschen Börse warnt vor einer Dominanz chinesischer Börsen und fordert eine engeren Zusammenarbeit in Europa. "Die Bedeutung von Handelsplätzen wie etwa Shanghai wird erheblich zunehmen, neue Börsenriesen wachsen heran", sagte Carsten Kengeter der "Welt am Sonntag“. Künftig gebe es neben den ohnehin sehr großen US-Börsen im Westen gewaltige China-Börsen im Osten. Nicht nur sein Unternehmen stehe deshalb vor großen Herausforderungen. "Die Deutsche Börse, wie auch alle anderen Kapitalmarktinfrastruktur-Anbieter in Europa, müssen sich der Frage stellen, wie der klassische Handel mit Wertpapieren ausgebaut werden kann", so Kengeter.
Einen wichtigen Beitrag sieht er in der von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorangetriebenen Idee einer Kapitalmarktunion. Die Märkte in Europa seien derzeit schlecht organisiert, die vielen unterschiedlichen Gesetze in den einzelnen Ländern machten es gerade für kleine und mittlere Unternehmen aufwendig und schwer, an Geld für das dringend benötigte Wachstum zu kommen. Auf die Frage, ob am Ende der Entwicklung ein zentraler Börsenplatz in Europa stehen solle, sagte Kengeter: "Mir würden einheitliche Regeln und eine enge Zusammenarbeit schon als echter Fortschritt erscheinen." Bei der Frage nach einem möglichen Zusammenschluss mit der Mehrländerbörse Euronext blieb der seit 1. Juni amtierende Vorstandschef vage. Man schaue sich für das weitere Unternehmenswachstum viele Möglichkeiten an, solange sie wertschaffend sein könnten. Die Deutsche Börse hatte in den vergangenen zehn Jahren bereits zwei Mal einen Fusionsversuch mit der Euronext unternommen.
Angesprochen auf die jüngsten Kursturbulenzen an den internationalen Aktienmärkten zeigte sich Kengeter verwundert darüber, dass es trotz der Politik des vielen billigen Geldes der Notenbanken zuletzt zu solchen Schwankungen gekommen war. "Wenn diese Begünstigungen nach und nach wegfallen und die Zinsen wieder auf breiter Front steigen, sehe ich im Umkehrschluss mögliche Schwierigkeiten auf die Kapitalmärkte zukommen", sagte er der "Welt am Sonntag". Zudem müsse man die Situation in den Schwellenländern im Auge behalten. "Dauerhaft niedrige Rohstoffpreise würden die Verschuldungssituation dort verschärfen", so Kengeter. Dies könne letztlich die politische Stabilität infrage stellen, gerade in einigen Ländern Südamerikas. Als Marktprognose wollte er diese Aussagen nicht verstanden wissen, wie er sagte. Das sei nicht die Rolle eines Börsenbetreibers.
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Die jüngsten Kursabschläge in China hält der 48-Jährige persönlich für übertrieben. "Auch ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von sechs statt sieben Prozent ist für Europäer ein beneidenswert hoher Wert", sagte Kengeter, der in seiner Zeit als Investmentbanker bei Goldman Sachs in Hongkong arbeitete. Insgesamt lenke China seine Geschicke weiter sehr gut. Als Beispiel verwies er auf die Abschaffung der Ein-Kind-Politik. Diese habe nicht nur eine gesellschaftliche Bedeutung, sondern könne auch als stimulierende Maßnahme für den künftigen Konsum gesehen werden.