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    Marktkommentar  1570  0 Kommentare Neil Dwane (Allianz GI): Das Jahr der Ziege geht mit einem Paukenschlag zu Ende! Wird das Jahr des Affen weniger turbulent?

    Gleich in der ersten vollen Arbeitswoche des neuen Jahres wurde der Aktienhandel an den chinesischen Festlandsbörsen mithilfe eines neu eingeführten Schutzmechanismus, dem sogenannten "Circuit Breaker", zwei Mal ausgesetzt und anschließend für den Rest des Tages beendet, nachdem die Kursverluste die Schwelle von sieben Prozent erreicht hatten. Inzwischen wurde diese automatische "Notbremse" jedoch wieder abgeschaltet. Als mögliche Auslöser dieser Handelsabbrüche gelten a) die moderate Abwertung des Renminbi in der zurückliegenden Woche, die Erinnerungen an die im Sommer 2015 erfolgten Abwertungen weckten, welche zu massiver Verunsicherung chinesischer und ausländischer Investoren mit entsprechenden Turbulenzen führten, b) die in der vergangenen Woche veröffentlichten Daten zur chinesischen Industrieproduktion, die schlechter als erwartet ausfielen und belegen, dass Chinas wirtschaftliche Neuausrichtung zu einem schwächeren Wachstum des aggregierten BIP führt sowie c) die Angst vor einer Verkaufswelle mit Blick auf das ursprünglich am 8. Januar auslaufende Aktienverkaufsverbot für Großanleger, mit dem die chinesische Regierung auf die Marktturbulenzen im vergangenen Sommer reagiert hatte.

    Es dürfte jedoch interessanter sein, die Gründe für die vorhandene Nervosität sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas zu untersuchen.

    Innerhalb Chinas

    Es ist seit längerem bekannt, dass sich die Wachstumsdynamik der chinesischen Wirtschaft verlangsamt, zum einen, weil sie sich der Abschwächung der Weltwirtschaft nicht entziehen kann, zum anderen, weil die Exporte unter dem starken Renminbi leiden, nachdem sich Japan und die EU durch Schwächung ihrer Währungen Exportvorteile verschafft hatten. Hinzu kommen die Folgen der anhaltenden und umfassenden, aber populären Antikorruptionskampagne "Himmelsnetz", die inzwischen fast alle Investitions- und Planungsentscheidungen der Zentralregierung bzw. der Lokalregierungen lähmt. Dies wirkt sich auch immer stärker auf große staatliche Unternehmen und Zulieferer des privaten Sektors aus, was dort für weitverbreiteten Unmut sorgt.

    Wir rechnen jedoch damit, dass der neue Fünfjahresplan verabschiedet wird und im zweiten Quartal 2016 in Kraft tritt, wodurch sich die Aussichten eines stärkeren zweiten Halbjahres verbessern. Das Spektrum der Vorschläge für die kommenden fünf Jahre umfasst u. a. die bereits weithin bekannte Seidenstraßeninitiative "One Belt, One Road" sowie massive Investitionen in den Umweltschutz, Effizienzsteigerungen in der Landwirtschaft und einen Ausbau der Schieneninfrastruktur im Umfang von 500 Mrd. USD.

    Mittlerweile leben 52% der chinesischen Bevölkerung in städtischen Gebieten, weshalb wir davon ausgehen, dass es durch Reformen des "Hukou"-Systems der Wohnsitzkontrolle zu einer deutlichen Ausweitung von Aufenthaltsbewilligungen kommen wird, was auf längere Sicht zu einer Stabilisierung der Immobilien- und Konsummärkte beitragen dürfte. Wir rechnen ferner damit, dass das Einkommensniveau der aufstrebenden Mittelschicht (insgesamt 300 Millionen Menschen) ansteigen wird, und dass dieses Einkommen in höherwertige Lebensmittel, Reisen und andere Dienstleistungen fließt, wodurch die Neuausrichtung des Landes von einer export- und produktionsgetriebenen Ökonomie hin zu einer dienstleistungs- und konsumorientierten Wirtschaft vorangetrieben wird. Eine starke Abwertung des Renminbi dürfte nach unserer Einschätzung daher nicht im Interesse der chinesischen Konsumenten sein, da sich dies negativ auf ihre Kaufkraft auswirken würde.

    Außerhalb Chinas

    In den vergangenen fünf Jahren war China die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft und an den globalen Rohstoffmärkten konnten wir bereits ablesen, wie sensibel die Welt auf (negative) Veränderungen der chinesischen Nachfrage nach Erdöl, Eisenerz und anderen Rohstoffen reagiert. Internationale Investoren, aber vor allem lokale asiatische Anleger, sind sehr feinfühlig, wenn es um den Puls der chinesischen Wirtschaft und um die wirtschaftspolitische Sorgfalt der Zentralregierung in Peking geht. Der längerfristigen wirtschaftlichen Erfolgsbilanz Chinas steht jedoch die im vergangenen Jahr demonstrierte Unfähigkeit beim Krisenmanagement der Aktienmärkte gegenüber, die zu einem Vertrauensverlust in den Finanzstatus Chinas geführt hat, insbesondere, da die Wirtschaft inzwischen auf einem gewaltigen Schuldenberg sitzt, wobei vor allem die klassischen Wirtschaftssektoren hervorstechen. Die Sorgen vor einem Zusammenbruch des Kreditmarktes haben daher zugenommen, mit allen damit verbundenen Konsequenzen für die Bankensysteme Singapurs und Hongkongs; genährt werden diese Sorgen durch den von der chinesischen Zentralbank monatlich aktualisierten Bestand der offiziellen Währungsreserven, aus dem das Ausmaß des Devisenschwunds hervorgeht.

    Die Lagerbestände haben sich asienweit stark erhöht, da viele Volkswirtschaften und Branchen an ihrem Produktionsvolumen festhalten und Marktanteile über Preissenkungen zu erringen versuchen, was einen ausgeprägten Preisverfall bei Handelsgütern nach sich zog. Dies hat zur Verunsicherung der Investoren beigetragen, da die Schulden der Region in den vergangenen fünf Jahren deutlich zunahmen und diese oft in US-Dollar finanziert sind, der sich wachsender Stärke erfreut, nachdem die US-Notenbank Fed mit ihrer ersten - moderaten - Leitzinserhöhung die Zinswende einleitete.

    Der Renminbi wurde vom IWF unlängst in den Korb der Sonderziehungsrechte aufgenommen; die Anerkennung als IWF-Reservewährung verleiht der chinesischen Währung weltweit einen enormen Vertrauensschub. Im Laufe der nächsten Jahre dürften rund 500 Mrd. USD an Zentralbankreserven in Renminbi umgeschichtet werden. Mittelfristig gehen wir daher davon aus, dass die Kapitalabflüsse aus China, die größtenteils auf Sorgen im Zusammenhang mit der Antikorruptionskampagne zurückgehen, von Kapitalzuflüssen durch Notenbanken und Investoren des öffentlichen Sektors kompensiert werden sollten.

    Es dürfte klar sein, dass hinter den realen Ängsten globaler Investoren bezüglich China nicht die weithin bekannte Wachstumsabschwächung der dortigen Wirtschaft steht, sondern vielmehr die Sorge vor einer starken Abwertung des Renminbi analog zu jener des Yen 2013-14 oder des Euro 2014, die beide um mehr als 30% an Wert verloren. Ein derart hoher Wertverlust der Währung des weltgrößten Exportlandes würde einen Preissturz bei Handelsgütern auslösen, der zu einer weltweiten Inflation von minus 5% oder mehr führen und sämtliche quantitativen Lockerungsmaßnahmen der Notenbanken mit einem Schlag hinfällig machen würde.

    Wir halten dieses Katastrophenszenario für übertrieben; nach unserer Auffassung wird die chinesische Geldpolitik dafür sorgen, dass der Renminbi "volatiler und weniger vorhersehbar" wird, als er es einst im Rahmen des kontrollierten Floatings war, und dass stattdessen die "Spiderman-Sinne" des Marktes neu kalibriert werden müssen!

    Für alle Branchen und insbesondere für sämtliche Volkswirtschaften Asiens, die in den vergangenen 25 Jahren vom Ritt auf dem chinesischen Drachen profitiert haben, ist die wirtschaftliche Neuausrichtung Chinas schon jetzt ein zentrales Thema für 2016. So wie Europa im Rahmen der Sparmaßnahmen der vergangenen 3-4 Jahre Restrukturierungen vornehmen musste, so muss auch Asien mit einer Ausweitung der Binnennachfrage und des Dienstleistungssektors reagieren, um mit der Neuausrichtung Chinas Schritt zu halten, wobei zu hoffen ist, dass Indien unter Premierminister Modi bald Anschluss findet. Nach der Volatilität des vergangenen Jahres erscheinen chinesische Aktien in vielen Fällen attraktiv bewertet und bieten gute Dividendenrenditen. Wie bereits in unserem Global Outlook 2016 formuliert, rechnen wir für 2016 im Zuge der global divergierenden Notenbankpolitik mit einer höheren Volatilität aller Assetklassen. Negative Handelstage wie zuletzt könnten daher als Einstiegschance betrachtet werden - entsprechende Sorgfalt bei Research, Analysen und Risikomanagement vorausgesetzt.

    Neil Dwane ist Global Strategist bei Allianz Global Investors und Mitglied der Equity Investment Management Group. Er koordiniert und leitet das AllianzGI Global Policy Committee, das die Leitlinien für die Anlagestrategien bei Allianz Global Investors formuliert. Daneben leitet und begleitet er die Festlegung der Themenschwerpunkte des halbjährlich stattfindenden Investment Forums. Neben seiner Funktion als Manager mehrerer europäischer Aktienportfolios publiziert Neil Dwane regelmäßig Artikel zu Thought Leadership-Themen.




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