GKV - Defizit
Beitragsschock bei Krankenkassen - Zusatzbeitrag wird sich verdoppeln, mindestens
Die gesetzlichen Krankenkassen werden nach eigener Einschätzung ihre Zusatzbeiträge weiter erhöhen müssen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer: "Wir haben zum Jahresbeginn eine durchschnittliche Steigerung um zwei Zehntel gehabt." Der Anstieg werde in den Folgejahren in ähnlichen Größenordnungen sein. "Daher rechnen wir damit, dass wir bei vorsichtiger Schätzung in 2019 bei 1,8 Prozent sein werden", erklärte Pfeiffer.
Die Vorstandsvorsitzende forderte eine Gesetzesänderung bei der Festlegung der Arzneimittelpreise. Derzeit könne ein Pharma-Unternehmen bei einem neuen Produkt den Preis im ersten Jahr beliebig festlegen. Erst dann gelte der mit dem Hersteller zwischenzeitlich ausgehandelte Preis. "Er sollte auch rückwirkend gelten, um Fantasiepreise im ersten Jahr zu verhindern." In der Krankenhauslandschaft forderte Pfeiffer einen Strukturwandel. "Wir haben nach wie vor gerade in Ballungsregionen zu viele Kliniken", sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Überkapazitäten müssten abgebaut werden.
Und dann spielt auch noch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Rolle. Lesen Sie mehr: Negativzinsen - Gesundheitsfonds muss Millionen Beitragsgelder an Strafzinsen zahlen.
Krankenkassen steuern auf dauerhaftes Defizit zu
Zum gleichen Ergebnis kam auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Wie wallstreet:online berichtete, dürfte sich der Kassen-Zusatzbeitrag bis 2020 verdoppeln. Im Endeffekt steuern die gesetzlichen Krankenkassen auf ein dauerhaftes Defizit zu. Legen wir die zu erwartende Dynamisierung der Ausgaben zugrunde, dürften den Kassen im Jahr 2020 über 10 Mrd. Euro fehlen. „Zur Finanzierung müsste der durchschnittliche Beitragssatz auf etwa 16,4 Prozent steigen, der durchschnittliche Zusatzbeitrag betrüge damit 1,8 Prozentpunkte“, betont der Kieler Ökonom Jens Boysen-Hogrefe. Für 2015 wurde noch ein durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz von 0,9 Prozent ermittelt. „Trotz der derzeitig günstigen Arbeitsmarktlage sei die Dynamik der Einnahmen niedriger als die Dynamik der Ausgaben,“ so der Kieler Finanzexperte Boysen-Hogrefe.
Wie kommt es zum Anstieg des GKV-Beitrags?
Ab 1. Januar 2016 können die gesetzlichen Krankenkassen erneut über einen Teil der Beiträge bestimmen. Zuvor wurde der allgemeine Beitrag zur GKV um 0,9 Punkte auf 14,6 Prozent abgesenkt und für Arbeitgeber fixiert. Sprich: Alle weiteren Beitragssteigerungen - genannt Zusatzbeitrag - fallen zu Lasten der Arbeitnehmer. Je nach individueller Kassenlage können die gesetzlichen Krankenkassen diesen Zusatzbeitrag erheben. Bei der letzten Schätzung vor einem Jahr legte der Schätzerkreis einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag von damals 0,9 Prozentpunkten fest.
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Von 2009 bis 2014 galt der individuelle Zusatzbeitrag zu den gesetzlichen Krankenkassen. Dieser wurde im Zuge der Gesundheitsreform in Deutschland 2007 von der großen Koalition eingeführt. Bis zum 31. Dezember 2010 war der Zusatzbeitrag auf 1 Prozent des versicherungspflichtigen Einkommens begrenzt (maximal 37,50 Euro im Monat). Unter Umgehung der Einzelfallprüfung konnten die gesetzlichen Krankenkassen bis 31. Dezember 2010 einkommensunabhängige Zusatzbeiträge von bis zu 8,00 Euro erheben. Ab dem Jahr 2011 galt nur noch der einkommensunabhängige Zusatzbeitrag ohne Begrenzung nach oben. Erwirtschaftete Überschüsse konnten die Krankenkassen in Form von Prämien an die Versicherten auszahlen.