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    Adieu Marktwirtschaft?  5128  5 Kommentare Top-Ökonomen fordern grundlegenden Umbau des deutschen Sozialstaats

    Der deutsche Sozialstaat liegt den beiden Top-Ökonomen Marcel Fratzscher und Clemens Fuest auf dem Magen. „Wir benötigen ein grundlegendes Umdenken in unserer Bildungspolitik, mehr Steuergerechtigkeit, eine smartere Familienpolitik und müssen die Vergessenen der Arbeitsmarktreformen mitnehmen“, sagte Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), gegenüber der „Welt am Sonntag.“ 

    Tschüss kostenlose Ausbildung und Tschüss Mittelschicht? 

    DIW-Ökonom Fratzscher sieht unter anderem im Bildungssystem einen erheblichen Reformbedarf: „Es gibt zu wenige Betreuungsplätze, zu wenige Ganztagsschulen, und dies wird sich durch die Flüchtlingskrise noch einmal verschärfen.“ Auch der frisch gekürte Chef des ifo-Instituts Clemens Fuest fordert Reformen im Bildungssektor: „Wir bieten eine Uni-Ausbildung zum Nulltarif, verlangen aber Kindergartengebühren. Wir müssten es umgekehrt machen und mehr in den Vorschulbereich investieren.“ Daneben müsse auch die Altersvorsorge "neu ausgerichtet" werden. „Wir brauchen eine staatlich verpflichtende Vorsorge, bei der nur Bedürftige Zuschüsse erhalten und weniger die Mittelschicht“, sagte Fuest.

    Ungleichheit in Deutschland - Ist die soziale Marktwirtschaft am Ende?
     
    Uneins sind sich die beiden Ökonomen in der Frage, ob die Ungleichheit in Deutschland zu hoch ist. So widerspricht Fuest den Thesen in Fratzschers neuem Buch „Verteilungskampf“. „Deutschland ist bei der Ungleichheit ein vergleichsweise unproblematisches Land“, sagte Fuest. Fratzscher These, aus dem „Wohlstand für alle“ sei ein „Wohlstand für wenige“ geworden, sei irreführend. "Und ich sehe die Gefahr, dass solche Thesen nur in eine ideologische Debatte münden, die sich gegen das markwirtschaftliche System als Ganzes richtet“, so Fuest. „Wir sollten das deutsche Modell der sozialen Marktwirtschaft nicht schlechtreden. Es ist nicht tot, es lebt.“ Fratzscher hingegen sagte: „Wir müssen unsere Scheuklappen ablegen nach dem Motto: Wir sehen nicht, was wir nicht sehen wollen. Denn die steigende Ungleichheit und der Verteilungskampf in unserem Land sind nichts, worauf wir stolz sein können."

    Kluft zwischen Arm und Reich

    Die Einkommen von gut und schlecht verdienenden Haushalten gehen in Deutschland immer weiter auseinander, berichtete wallstreet:online vor Kurzem unter Berufung auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) und der staatlichen Förderbank KfW. Demnach konnten die am besten verdienenden Haushalte ihr verfügbares Einkommen in den Jahren 2000 bis 2014 im Schnitt fast um 40 Prozent steigern. Bei den am wenigsten verdienenden Haushalten stieg es gerade einmal um 6 Prozent. Somit ist in vier von 10 Haushalten das verfügbare Einkommen nicht einmal mit der Teuerungsrate gestiegen. Sie können sich also heute weniger leisten als im Jahr 2000.

    Ungleichheit in einer Marktwirtschaft normal oder nicht?

    Es sei „nicht für unspektakulär, Menschen ihrer Lebenschancen zu berauben“, kritisierte Fratzscher im Gespräch mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Er sehe im Kampf gegen die mangelnde Chancengleichheit „eine der dringendsten und wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit“. Andere Ökonomen würden das Problem unterschätzen, weil sie davon ausgingen, dass Ungleichheit in einer Marktwirtschaft normal sei.

    Laut Fratzscher habe sich Deutschland in den vergangenen Jahren zu „einem der ungleichsten Länder der industrialisierten Welt“ entwickelt zitierte ihn das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Dadurch seien allein im Zeitraum zwischen 1990 und 2010 Wachstumseinbußen im Wert von 160 Milliarden Euro zu verzeichnen gewesen, rechnet der DIW-Chef unter Bezug auf eine Studie der Industrieländer-Organisation OECD vor. Im Endergebnis sei eines festzuahlten: „Die soziale Marktwirtschaft existiert nicht mehr.“ (mehr dazu hier und hier)





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