Zensur vs. Kunstfreiheit
Solidarität mit Jan Böhmermann! Stürzt die Kanzlerin über die Böhmermann-Affäre?
Zahlreiche prominente Künstler solidarisieren sich mit dem Satiriker Jan Böhmermann. In einem offenen Brief, den die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht, fordern sie die Staatsanwaltschaft Mainz auf, ihre Ermittlungen unverzüglich einzustellen. „Diskussionen über und Kritik an Jan Böhmermanns Erdoğan-Gedicht gehören in die Feuilletons des Landes und nicht in einen Mainzer Gerichtssaal“, heißt es darin. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem Matthias Brandt, Thea Dorn, Klaas Heufer-Umlauf, Igor Levit, Jan Josef Liefers, Peter Lohmeyer und Katja Riemann.
„Kunst kann nicht in einem Klima stattfinden, in dem sich Künstlerinnen und Künstler Gedanken darüber machen müssen, ob ihr Schaffen zur Strafanzeige führt, in dem sie beginnen, sich selber zu zensieren, oder zensiert zu werden“, heißt es weiter in dem offenen Brief. Es sei die Aufgabe von Kunst und Satire, öffentliche Diskurse zu entfachen. Die Künstler fordern zudem, den Paragrafen 103 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, der ausländische Staatshäuptern einen Sonderstatus einräumt.
Causa Böhmermann - Das Testen der Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit
Der TV-Satiriker Jan Böhmermann fragte im Zusammenhang mit der harschen Reaktion der türkischen Regierung auf einen Beitrag der ARD-Sendung „extra 3“, inwieweit Satire von der Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland gedeckt sein könnte. Wo bestehe der Unterschied zu einem autokratisch regierten Land, in dem Tausende wegen Beleidigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan inhaftiert sind und Presse- und Meinungsfreiheit Fremdwörter sind. Und was wäre möglicherweise auch in Deutschland nicht mehr vom Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt.
Wie auch wallstreet:online berichtete, ging Böhmermann nicht gerade zimperlich mit Erdogan um. Letzterer versteht bekannterweise keinen Spaß, wenn es um seine Person geht und forderte die Bundesregierung offiziell auf, eine Strafverfolgung zu ermächtigen (Paragraph 103 Strafgesetzbuch). Zu dem umgangssprachlich und in diesem Kontext passend genannten Paragraphen der „Majestätsbeleidung“ gesellte sich dann noch der Strafantrag der Person Erdogan gegen Böhmermann (Paragraph 185 Strafgesetzbuch). Zudem gingen laut Staatsanwaltschaft Mainz zahlreiche Strafanzeigen weiterer Personen ein. Den individuellen Strafanzeigen müsse von Amts wegen nachgegangen werden. Doch wie verhält es sich mit der offiziellen Aufforderung eines anderen Landes, auch auf höchster politischer Ebene eine Strafverfolgung in Deutschland zu ermächtigen? Dies werde intensiv geprüft, sagte Bundeskanzlerin Merkel am Dienstag in Berlin.
Wie gefährlich wird die Böhmermann-Affäre für Bundeskanzlerin Merkel?
Eine missliche Lage für Merkel, bezeichnete sie doch bereits in einem ersten unmittelbaren Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu das Schmähgedicht als "einen bewusst verletzenden Text“. Zugleich erklärte das Auswärtige Amt, der ZDF-Moderator habe sich mit seinem Schmähgedicht höchst wahrscheinlich sogar strafbar gemacht. Mehr Einladung brauchte Erdogan nicht. Ein schwerer Fehler der Kanzlerin, die dem türkischen Präsidenten mit der Gewaltenteilung sowie der Meinungs- und Pressefreiheit sowie die der Kunst hätte vertraut machen müssen.
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Doch statt dem Ganzen den Wind aus den Segeln zu nehmen, bereitete Merkel dem türkischen Präsidenten einen roten Teppich zur öffentlichen und privaten Strafanzeige. Dass Ziel, die Wogen zu glätten, ging eindeutig nach hinten los. Nun jagt eine Krisensitzung die andere. Eine Staatsaffäre sondergleichen, von keiner Satire mehr zu übertrumpfen.
Die Frage ist: Wie weit reicht der Arm des türkischen Präsidenten Erdogan über die Landesgrenzen der Türkei hinaus? Welchen Preis müssen wir für einen faulen Deal zur Bewältigung der Flüchtlingskrise mit der Türkei zahlen?
So oder so, Erdogan betritt den roten Teppich und Merkel schlittert auf dem Glatteis. Stürzt Merkel über die Böhmermann-Affäre?