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    Marktkommentar  774  0 Kommentare Igor de Maack (DNCA): wöchentlicher Kommentar zu den Märkten (13. Mai 2016)

    Mit seinen Forderungen nach einer Schuldenentlastung steht Griechenland einmal mehr auf der europäischen Tagesordnung. Da kann es hilfreich und womöglich heilsam sein, zur Entschlüsselung der Welt der Wirtschaft und der Märkte einige große griechische Denker heranzuziehen.

    Der Philosoph Zenon von Elea entwickelte seinerzeit, noch vor dem Aufkommen der Mathematikwissenschaft, ein System der Argumentation, das darauf abzielt, die Regeln der Logik und der tatsachenbasierten Beweisführung infrage zu stellen. Zu seinen berühmtesten Paradoxien zählt das Paradoxon der Dichotomie (oder des Steins). Das Prinzip ist einfach: Man wirft einen Stein in Richtung eines in einiger Entfernung stehenden Baums. Legt dieser Stein bei jedem Wurf die Hälfte der Strecke zurück, die ihm noch bis zu seinem Ziel (dem Baum) verbleibt, so wird er dieses Ziel niemals erreichen, da er stets die Hälfte der zurückzulegenden Strecke noch vor sich hat - auch dann, wenn diese Strecke unendlich kurz ist. So überzeugend diese Argumentation auch klingt, so wenig hält sie der Realität stand, da wohl jeder Mensch in seiner Kindheit einmal einen Baum mit einem in dessen Richtung geworfenen Stein erreicht hat.

    Die Anleger und vor allem die der angelsächsisch geprägten Welt sind in genau dieser Denkweise gefangen, was das Wachstum im Euroraum betrifft. Sie gehen davon aus, dass dieser niemals ein ausreichendes Wachstumstempo und -niveau erreichen kann, wenngleich er sich Quartal um Quartal seinen Zielen nähert. Dies erklärt, warum diese Anleger den europäischen Aktien den Rücken kehren (einer Anlageklasse, die nun schon in der 13. Woche Kapitalabflüsse verzeichnet).

    Dabei ist die Eurozone seit einem Jahr der einzige Währungsraum, der ein überdurchschnittliches makroökonomisches Wachstum vorweisen kann. Von den größten Skeptikern immer wieder angeführt werden die externen Faktoren (Ölpreisverfall, schwacher Euro und niedrige Zinsen), deren Abklingen den zaghaften Aufschwung langsam, aber sicher im Keim ersticken werde. Heute fällt jedoch auf, dass es die internen Faktoren sind, die die Rolle der Wachstumsmotoren übernommen haben, selbst in Frankreich: eine starke Binnennachfrage, die Beschleunigung der Kreditvergabe, die nahezu so schnell wie in den Vereinigten Staaten sinkende Arbeitslosigkeit und das Anziehen der Industrieinvestitionen.

    Unsicherheit verbleibt bezüglich des Referendums über den Brexit, der diesen positiven Trend doch noch abwürgen könnte. Bislang jedoch haben weder die Brexit-Aussichten noch die Flüchtlingskrise noch die Terroranschläge der wirtschaftlichen Dynamik des Euroraums etwas anhaben können. Grund, die Welt durch eine rosarote Brille zu sehen, besteht freilich nicht, denn es stehen zahlreiche politische Stichtage an, die jeweils mit einer Reihe an Risiken einhergehen. In Brasilien wird mit der vom Senat beschlossenen vorläufigen Amtsenthebung von Dilma Rousseff gerade ein neues Kapitel aufgeschlagen, wobei der Gedanke an die verschlungenen Linien und Arabesken, die Eingang in das Geschichtsbuch der einzigen portugiesischsprachigen Demokratie Südamerikas finden dürften, nicht unbedingt beruhigt. Zumindest haben Brasiliens politische Entscheidungsträger und Wirtschaftslobbys erkannt, welche desaströsen Folgen das an eine Telenovela erinnernde Polit-Chaos in ihrem Land hat, unter das dringend ein Schlussstrich gezogen werden musste, wenn möglich in Form eines Happy Ends. Seit Jahresbeginn steht die Neugewichtung der brasilianischen Titel auf dem Programm, insbesondere im Fonds "Infrastructures". Womöglich ist es für ein Engagement in diesem Land noch nicht zu spät. Nun darf die nicht gewählte Übergangsregierung nur nicht über die Modalitäten der Umsetzung der schwierigen Reformen stolpern, auf die das Land angewiesen ist.

    Igor de Maack, am 13. Mai 2016




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    Marktkommentar Igor de Maack (DNCA): wöchentlicher Kommentar zu den Märkten (13. Mai 2016) Mit seinen Forderungen nach einer Schuldenentlastung steht Griechenland einmal mehr auf der europäischen Tagesordnung. Da kann es hilfreich und womöglich heilsam sein, zur Entschlüsselung der Welt der Wirtschaft und der Märkte einige große griechische Denker heranzuziehen.