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    EZB-Geldpolitik  4872  1 Kommentar Grundkurs Geldpolitik von Mario Draghi: Die Hintergründe der niedrigen Zinsen

    In den letzten Wochen verschärfte sich die Kritik am geldpolitischen Kurs der Europäischen Zentralbank deutlich. Sowohl Politiker und Ökonomen als auch Öffentlichkeit und Medien kritisierten die erneute Senkung des EZB-Leitzinses auf nunmehr null Prozent. Zudem wurde das Volumen der monatlichen Anleihekäufe ausgeweitet und der Zins für Einlagen von Banken bei der EZB bzw. der Bundesbank auf - 0,4 Prozent p.a. weiter abgesenkt. Grund genug für den EZB-Präsidenten Mario Draghi, der breiten deutschen Öffentlichkeit in einem Interview mit der Bild-Zeitung die Gründe und die Notwendigkeit der extrem expansiven geldpolitischen Ausrichtung der Notenbank darzulegen.

    In dem Ende April erschienenen einseitigen Artikel verweist Draghi auf die politische Unabhängigkeit der EZB und erläutert, dass die Zinsen auch deshalb niedrig sind, weil das Wachstum in der Eurozone relativ schwach ist. Richtig, in einem moderat wachsenden Umfeld besteht kein erhöhter Bedarf an Investitionskapital, weshalb mit Erspartem keine hohen Zinsen zu verdienen sind. Kapital ist nun einmal derzeit kein knappes Gut, entsprechend ist dessen Preis niedrig.

    Zudem verweist der Notenbankpräsident auf die nach wie vor bestehende Gefahr einer Deflation. Die EZB ist der Preisniveaustabilität verpflichtet, was einer Inflationsrate von „unter aber nahe zwei Prozent“ entspricht. Auch das ist ein Grund für die niedrigen Zinsen. Damit gibt Draghi auch die Antwort auf die Frage, wann die kurzfristigen Zinsen wieder steigen werden: wenn das Wachstum stärker ist und die Inflation dem EZB-Zielwert näher gekommen ist – also nicht kurzfristig.

    Sicherlich ist das extrem tiefe Zinsniveau insbesondere auch auf die krisenbekämpfenden Maßnahmen der Notenbank zurückzuführen. Diese Politik hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Eurozone die Turbulenzen der letzten Jahre bis heute überstanden hat. Das mag man angemessen finden oder nicht, aber diese volkswirtschaftlichen Grundzusammenhänge dürfen bei der Beurteilung der EZB-Politik nicht außer Acht gelassen werden. Die jetzt notwendigen Reformen müssen von den jeweiligen Nationalstaaten auf Ebene der Politik auf den Weg gebracht werden. Dass diese nur zögerlich erfolgen, liegt nicht in der Hand der Notenbank.

    Schlussendlich empfiehlt Mario Draghi den deutschen Anlegern, nicht ausschließlich auf das Sparbuch zu setzen, sondern auch andere Anlagemöglichkeiten zu nutzen. Tatsächlich sollte im Moment jeder schnell und konstruktiv durchdacht die Optimierung seiner finanziellen Situation in Angriff nehmen, anstatt diese ausführlich zu beklagen. Es hilft nichts, man muss jetzt das Beste daraus machen.

    Daher ist das Interview Draghis sehr zu begrüßen. Jeder sollte die grundlegenden Hintergründe der Nullzinspolitik verstehen und vor allem die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Insofern ist zu hoffen, dass sich möglichst viele den Appell des EZB-Präsidenten zu Herzen genommen haben und sich selbst intensiv mit ihren persönlichen finanziellen Planungen beschäftigen oder sich gut beraten lassen.

    Auf jeden Fall wird die EZB ihre Politik nicht aufgrund eines zunehmenden politischen und öffentlichen Druckes aus Deutschland grundlegend verändern. Da die Unabhängigkeit einer Notenbank von nationalstaatlichen Politiken die grundlegende Bedingung für Stabilität einer Währung und dies in unser aller Sinne ist, ist das auch gut so. (Gastbeitrag von Carsten Mumm, Leiter der Vermögensverwaltung bei der Privatbank Donner & Reuschel)





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