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    Marktkommentar  689  0 Kommentare Pioneer: Politik beherrscht die Märkte?

    Die makroökonomische Situation in der Eurozone ist aktuell nicht rosig, aber auch nicht schlecht. Was Sorgen bereitet, sind vor allem die politischen Herausforderungen. Ob Brexit, Wahlen in Spanien oder die Fiskalpolitik der Eurozone: Wir erläutern, was all dies für Anleger bedeuten kann.

    So instabil, wie sich das Wetter im Frühsommer zeigt, so unklar ist auch das makroökonomische Szenario in der Eurozone: Seit Jahresbeginn kennzeichnet die Finanzmärkte zwar deutliche Volatilität, doch es gibt auch positive Signale - etwa die starke Binnennachfrage. Normalisieren sich die Märkte, oder mehren sich die Herausforderungen? In Sachen Wachstum jedenfalls geht es leicht bergauf: Im ersten Quartal wuchs das BIP der Eurozone um 0,5% im Vergleich zum Vorjahr; das ist besser, als erwartet. Jedoch prognostizieren unsere Indikatoren in den kommenden Monaten eine leichte Abkühlung. Diese sollte aber nur vorübergehend sein, wenn sich seitens der politischen Entwicklung nicht zu viele Turbulenzen ergeben. Die Binnennachfrage bleibt der Motor des Wachstums, die Bruttoanlageinvestitionen sollten sich deutlich verstärken. Allerdings wird wohl der Nettoexport das Wachstum 2016 negativ beeinflussen. Die Inflationsrate dürfte niedrig bleiben, aber im zweiten Halbjahr eventuell leicht ansteigen - so wie auch der Ölpreis. Erst gegen Ende 2017 ist mit einer Annäherung der Teuerungsrate an das EZB-Ziel von zwei Prozent zu rechnen. Alles in allem keine schlechten Rahmenbedingungen.

    Doch es gibt Gegenwind, vor allem politischer Natur. Und diese Herausforderungen bringen ernste Risiken für das "Projekt Europa". Abgesehen von den Problemen des Bankensektors sehen wir für die kommenden Monate politische Themen wie den möglichen Brexit oder die Griechenlandkrise sowie ein fiskalisches "Rauschen" als die wichtigsten Einflussgrößen auf die Finanzmärkte. Die damit verbundenen Unsicherheiten belasten natürlich den mittelfristigen Ausblick.

    Was würde ein Brexit genau bedeuten?

    Die Diskussionen rund um den möglichen EU-Austritt der Briten haben die dortige Wirtschaft bereits deutlich belastet, was sich auch in einem leicht rückläufigen BIP-Wachstum zeigt. Sollte der Brexit abgewendet werden können, sehen wir dennoch die Fundamentaldaten im Vereinigten Königreich grundsätzlich intakt. Ein positiver Impuls für das zweite Halbjahr wäre dann die wahrscheinlichste Variante. Wir glauben auch, dass sich die Briten letztlich knapp für den Verbleib in der EU entscheiden werden. Zum einen erkennen sie bereits negative Auswirkungen eines möglichen Brexits auf die Wirtschaft, zum anderen zeigen sich einige mögliche Probleme erst jetzt, kurz vor der Abstimmung: Premier Cameron würde den Brexit politisch vermutlich nicht überstehen und eine stabile Regierung danach erscheint nur schwer umsetzbar. Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der staatlichen Integrität Großbritanniens, zumal Schottland klar für einen Verbleib in der EU ist und diesen auch in einer Volksabstimmung bestätigen lassen könnte. Auch die Kosten eines Austritts werden immer klarer: Das britische Finanzministerium hat den Verlust pro Jahr und Haushalt auf durchschnittlich 4300 Britische Pfund geschätzt. Das Beispiel Norwegen zeigt, dass sich die Briten selbst nach dem Austritt noch an EU-Vorschriften halten müssten - ohne diese mitbestimmen zu können. Ein Bericht der OECD befürchtet zudem, dass im Falle eines Brexits die Direktinvestitionen aus dem Ausland zurückgehen. Dies würde sich negativ auf den Handel, die Innovationskraft und langfristig die Produktivität des Landes auswirken.

    Sollte es im Juni zu einem Sieg der Brexit-Befürworter kommen, würde das die wichtigsten Assetklassen und -strategien unterschiedlich betreffen: Anleiheinvestoren würde die wahrscheinliche Stärkung anti-europäischer Bewegungen in anderen Ländern zu einer defensiven Ausrichtung hinsichtlich Peripherie-Bonds zwingen. Auch könnte sich die Bank of England gezwungen sehen, die Zinsen zu erhöhen, um die eigene Währung "zu verteidigen". Aus Multi-Asset-Sicht gilt es, auf kurze Sicht eine erhöhte Volatilität in Risiko-Anlagen (z.B. Aktien) im Auge zu haben. Ähnliches gilt für europäische Aktien, für die mit Ausschlägen nach oben und nach unten zu rechnen wäre, abhängig davon, wie sich die Umfragen bewegen. Deshalb beobachten wir den Markt genau und fokussieren uns auf Unternehmen mit überlegenem Geschäftsmodell.

    Europaskepsis nimmt auch in anderen Ländern zu

    Unterdessen ist es um Griechenland etwas ruhiger geworden: Am 25. Mai haben sich die Euro-Finanzminister und der Internationale Währungsfonds (IWF) über weitere Kredite für Griechenland geeinigt; das Land wird 10,3 Milliarden Euro ausgezahlt bekommen. Strittig ist immer noch die Frage der Schuldenerleichterungen: Während der IWF deutliche Erleichterungen fordert, lehnt die Bundesregierung einen Schuldenschnitt ab.

    Doch neben Großbritannien und Griechenland stehen auch die Länder, in denen vor kurzem gewählt wurde auf der politischen Agenda: In Portugal, Irland und Spanien schwindet die Zustimmung zu traditionellen pro-europäischen Parteien und die EU-Skeptiker sind im Aufwind - ein Umfeld, das die Märkte mit Unsicherheit und infolgedessen mit schwankenden Kursen quittieren. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Neuwahlen in Spanien am 26. Juni: Zum einen ist die Möglichkeit eines weiteren Patts gegeben, zum anderen wird das Bündnis von Podemos und der Vereinten Linken immer beliebter. Letzteres könnte dazu führen, dass im Ergebnis die Europaskeptiker mehr Gewicht haben, oder zumindest, dass die Märkte negativ auf das Wahlergebnis reagieren.

    Fiskalpolitik zu zögerlich?

    Mehrfach haben wir bereits betont, dass Geldpolitik allein die Weltwirtschaft nicht von niedrigem Wachstum und niedriger Inflation befreien wird. Fiskalpolitik könnte die Nachfrage strukturell stärken. Doch tut sie das in der Eurozone? Im Vorwort zu ihren Frühjahrsprognosen bezeichnete die EU-Kommission die aktuelle Fiskalpolitik als leicht expansiv und erwartet eine neutrale Ausrichtung für 2017. Der Report war insgesamt vorsichtig formuliert, nicht pessimistisch. Diese "Neutralität" kaschiert allerdings, dass drei der vier größeren EU-Länder Probleme mit dem von der EU-Kommission empfohlen Pfad in der Fiskalpolitik haben. Frankreich ist aktuell stark im Defizit und will noch zwei Jahre Auszeit von der geforderten Höchstgrenze von 3% Staatsverschuldung. In Spanien und Italien ist die Situation noch komplizierter: Spanien verfehlte das für 2015 angestrebte Ziel von 4,2% mit 5,1% deutlich und hinkt auch in den Jahren 2016 und 2017 voraussichtlich hinter den Zielmarken her. Die EU-Kommission kommt zu dem Schluss, dass das Maß an Fiskalpolitik, das benötigt würde, um das bestehende Defizit auf Wunschgröße zu bekommen, hohe Downside-Risiken bergen würde. Italien hat weniger ein Defizit-Problem, als vielmehr einen zu hohen öffentlichen Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftskraft der letzten 15 Jahre.

    Die drei Beispiele werfen die Frage auf, ob eine Ausweitung der Fiskalpolitik ratsam wäre. Die Antwort muss wohl lauten, dass die öffentlichen Ausgaben auf einen gesunden Pfad zurückgeführt werden und zugleich negative Auswirkungen auf die Wirtschaft minimiert werden müssen. Allerdings ist es nicht einfach, einen flexiblen Ansatz zu befürworten, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, dass die Fiskalpolitik weitgehend "unreguliert" ist. In jedem Fall ist die Zeit aus unserer Sicht reif, um intensiv über den fiskalpolitischen Weg in der Eurozone zu diskutieren. Die beste Lösung erscheint uns ganz klar die Einsetzung eines Finanzministers für die Eurozone - doch leider sind wir von einer solchen Lösung noch weit entfernt!




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