Brexit-Countdown
Die Börse bebt, der Euro bricht? Ein Brexit wird Schockwellen auslösen
Das für viele Bankanalysten scheinbar Unmögliche scheint einzutreten. Um 23. Juni könnten sich die Briten tatsächlich für einen Ausstieg aus der Europäischen Union entscheiden. Das hätte massive Folgen.
Bleiben oder gehen? Vor dieser wichtigen Frage steht Großbritannien. Die Frage macht die Investoren auch hierzulande sehr nervös. Nachdem sich in etlichen Umfragen abzeichnet, dass die Engländer tatsächlich für einen Ausstieg aus der EU stimmen könnten, ist der DAX bis auf rund 9.600 Punkte abgestürzt. Die Ängste der Investoren sind mehr als berechtigt. Im vergangenen Jahr gingen 7,5 Prozent der Exporte Deutschlands nach Großbritannien. Damit war das Land ein deutlich wichtiger Handelspartner als China, wo „nur“ 6,0 Prozent der Ausfuhren hingingen. Im Falle eines Brexit dürfte sich die britische Wirtschaft deutlich abkühlen und das britische Pfund deutlich fallen, weil die englische Notenbank erneut damit beginnen dürfte, kräftig Geld zu drucken.
In dem Umfeld trüben sich die Perspektiven für die Exportabhängigen deutschen Unternehmen deutlich ein. Die Analysten der UBS hatten bereits im Februar durchgerechnet, welche Auswirkungen ein Rückgang des Pfund um zehn Prozent gegenüber dem Euro und ein Rückgang der britischen Autoverkäufe um zehn Prozent auf die europäischen Autohersteller hätten. „Die Abwärtsrisiken beim Gewinn je Aktie für die Autohersteller belaufen sich auf 5 bis 17 Prozent“, schrieben die Experten der UBS. Die Ergebnisse von Daimler und BMW würden um jeweils 9 Prozent gedrückt, jene von Volkswagen sogar um 12 Prozent. Kein Wunder, dass gerade die Aktien der Autobauer zuletzt stark unter Verkaufsdruck waren. Betroffen wären aber letztendlich nicht nur die Autobauer, sondern etliche andere Exportabhängige Branchen.
Erhebliche Risiken für die Banken
Sollten die Briten tatsächlich für einen Austritt stimmen, könnte der Loslösungsprozess etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen, weshalb ein möglicher Austrittstermin Anfang 2019 wäre. Ein Austritt hätte erhebliche Folgen für die englische Wirtschaft, würde sie doch die Handelsprivilegien eines EU-Mitglieds, also den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, verlieren. Das sollte die dortige Wirtschaft enorm bremsen, vor allem der Finanzsektor, der sich bislang starker Auslandsinvestitionen erfreut. Zudem dürften auch die deutschen Banken deutlich belastet werden. Bafin-Chef Felix Hufeld warnt Großbanken vor einem möglichen Brexit. "Bei einem Brexit stehen vor allem Großbanken vor einem Problem. Sie haben die meisten Handelsaktivitäten mit beziehungsweise in London", so Hufeld gegenüber dem "Tagesspiegel". Die Researchfirma Axioma geht davon aus, dass im Falle eines Brexit europäische Aktien um bis zu 24 Prozent einbrechen könnten.
Das nächste Ziel ins Visier nehmen
Eine Abstimmung am 23. Juni für den Brexit wäre noch aus einem anderen Grund ein enormes Risiko für den DAX und den weltweiten Aktienmarkt: Denn dann werden Investoren beginnen, auf ein Auseinanderbrechen des Euro zu spekulieren, nach dem Motto: Wenn jemand aus der EU aussteigen kann, könnte jemand anderes versuchen, aus dem Euro auszusteigen. Am 26. Juni sind vorgezogene Neuwahlen in Spanien. Die Linkspartei Podemos und ihrer Partner dürften kräftige Stimmengewinne verbuchen. Was ist, wenn Podemos einen Schuldenschnitt fordert? Spanien hat horrende 1,1 Billionen Euro Schulden.
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Noch niedrigere Strafzinsen belasten die Börsen
Ein möglicher Brexit dürfte für ein weiteres Problem sorgen, denn die englische Notenbank und die EZB dürften darauf mit den üblichen Mitteln reagieren, sprich die Zinsen noch weiter senken und noch viel mehr Geld drucken. Dieser Schuss dürfte aber kräftig nach hinten losgehen, denn mit noch niedrigeren Zinsen entzieht man den Sparern noch mehr Kaufkraft, womit der Wirtschaft noch mehr Kraft entzogen wird als ohnehin schon.
Zudem belasten immer weiter sinkende Zinsen die Banken immer mehr. Denn wenn die Anleihenkurse immer weiter steigen, müssen die Kunden der Deutschen Bank, wie Versicherungen und Pensionsfonds, weniger mit Anleihen handeln. Das ist eine deutliche Belastung für die Deutsche Bank, ist sie doch eine der größten Anleihenhändler weltweit. Die Commerzbank leidet unter den sinkenden Zinsen, weil der Zinsüberschuss sowohl im Firmen- als auch im Privatkundengeschäft weiter unter Druck kommt. Dass sich der Rückgang der Bankaktien in den vergangenen Tagen beschleunigt hat, spricht Bände. Anleger sollten sich darauf einstellen, dass der DAX zumindest bis zum 23. Juni deutlich unter Druck bleiben könnte.
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