Anfang vom Ende oder Neubeginn?
"Manchmal ist eine Scheidung besser" - Die Brexit-Gelassenheit von EU-Politikern
Kurz vor der Brexit-Entscheidung überschlagen sich die Nachrichten aus der Wirtschaft hinsichtlich eines bevorstehenden Horrorszenarios. Die Stimmen aus der Politik sind dagegen weniger hysterisch. Auf EU-Ebene hoffen manche auf einen Neubeginn des Staatenverbundes.
Die Aktienmärkte werden in nur sechs Monaten um 15 Prozent zusammenbrechen. So lautet die düstere Prognose der amerikanischen Großank Morgan Stanley, sollte sich Großbritannien für den Brexit entscheiden. Auch andere Institute befürchten massive Verluste, es wurden Millionenbeträge in den Lobbykampf um einen Verbleib in der EU gesteckt (mehr dazu hier).
Doch während die Finanzmärkte mittlerweile panisch im Kreis rennen, wirken die Stimmen aus der Politik dagegen unerwartet gefasst. in Brüssel scheint die Problematik eines möglichen Austritts Großbritanniens nicht ganz so hoch bewertet zu werten, tatsächlich sehen einige hier sogar die Möglichkeit für einen kompletten Neuanfang der EU.
"Manchmal ist eine Scheidung besser, als ein Nebeneinanderleben mit zu vielen Kompromissen", sagte die Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Reding der Wochenzeitung "Die Zeit". So wie jetzt könne es nicht weiter gehen. Sie glaubt stattdessen an ein geeintes Kerneuropa mit weniger Mitgliedsländern - ein Vorhaben, was möglichst schnell umgesetzt werden müsse.
Auch der heutige Fraktionschef der Liberalen im EU-Parlament und frühere belgische Premierminister Guy Verhofstadt lässt Optimismus durchblicken: "Warum sollten wir Angst haben vor dem Brexit? Wenn es passiert, können wir das zum Anlass nehmen, Europa neu zu gestalten." Den aktuellen Stand der Union wolle er so jedenfalls nicht weiter erleben.
Bitte, gerne... dürfte wohl die Antwort des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok, lauten. Er warnt lediglich davor, den Briten nach dem Austritt eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen, die andere Mitgliedsstaaten ebenfalls dazu veranlassen könnte über eine Abkehr von der Union nachzudenken.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) äußerte sich Im Gespräch mit der "Zeit" wiederum recht verhalten zu den möglichen Brexit-Folgen. Sie glaubt, dass Europa an sicherheitspolitischer Bedeutung und Einfluss verlieren werde, da hiermit eine "zentrale transatlantische Klammer" verloren ginge. Daneben würde im UN-Sicherheitsrat künftig nur noch eine Stimme für Europa sprechen - bisher sind es noch zwei.
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