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    Verfassungsgericht zum OMT-Programm  2743  1 Kommentar "Kehrtwende" zur Staatsfinanzierung oder "äußerst kluge" Entscheidung? Reaktionen...

    Whatever it takes? Aber immer doch! Die Europäische Zentralbank (EZB) überschreitet nicht ihre Kompetenzen, wenn sie im Rahmen des so genannten OMT-Programms Staatsanleihen auch mit deutscher Beteiligung von Notleidenden Eurostaaten kauft. Das hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden. Die EZB müsse sich jedoch in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 16. Juni 2015 freigelegten Rahmen bewegen. Dann beinträchtige das Programm der Outright Monetary Transactions „gegenwärtig auch nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages“  und bewege sich nicht „außerhalb der der Europäischen Zentralbank zugewiesenen Kompetenzen“,  so heißt es in der heute veröffentlichten Begründung (mehr dazu hier).

    Kehrtwende mit zahnloser Beschränkung

    Clemens Fuest; Präsident des Münchener ifo-Instituts, kritisiert: „Die Richter haben gegenüber ihrem Vorlagebeschluss von 2014 eine Kehrtwende vollzogen und es nicht gewagt, die Europäische Zentralbank (EZB) beim Kauf von Staatsanleihen stärker in die Schranken zu weisen als der Europäische Gerichtshof (EuGH).“ Und ergänzt: „Das ist schade, denn es ist offensichtlich, dass das OMT-Programm in erster Linie das fiskalische Ziel verfolgt, hoch verschuldeten Staaten den Zugang zu Krediten zu erhalten. Die damit verbundenen Risiken tragen die deutschen Steuerzahler mit, ohne dass der Bundestag zugestimmt hat. Die Schranken für eine Beteiligung der Bundesbank durch die Bedingungen des EuGH fallen viel zu schwach aus und hätten vom Bundesverfassungsgericht geschärft werden müssen. Die verlangte dauerhafte Beobachtung der EZB durch Bundestag und Bundesregierung auf Risiken für den Bundeshaushalt ist eine zahnlose Bestimmung.“

    Verfassungsgericht erteilt EZB keinen Freifahrtschein

    „Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist kein Freifahrtschein für das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank“, erklärt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Die Entscheidung zeige, dass die Deutsche Bundesbank sich an unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen wie dem OMT-Programm nur beteiligen kann, wenn bei deren Durchführung die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Maßgaben, wie u. a. eine Begrenzung des Kaufvolumens, beachtet werden. „Grundsätzlich sollten bei unkonventionellen Maßnahmen der EZB - wie etwa dem Kauf von Staatsanleihen - die möglichen Nebenwirkungen sorgfältig abgewogen werden“, so Kemmer.

    Freibrief für Schuldenmacher in Europa

    "Die Entscheidung der Karlsruher Richter über das OMT-Programm der  Europäischen Zentralbank (EZB) ist ein Freibrief für Schuldenmacher in Europa. Damit sendet das höchste deutsche Gericht ein falsches Signal an die Euro-Krisenländer aus. Statt notwendiger Reformen können sie ihren Marsch in die Verschuldung fortsetzen,“ kritisiert Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft. Und ergänzt zur EZB: „Die EZB hat ihr Mandat klar überschritten. Es ist ordnungspolitisch nicht vertretbar, das Konkursrisiko der Euro-Krisenländer auf die Steuerzahler der soliden Partner in der Euro-Zone abzuwälzen. Der Mittelstand bleibt dabei, dass die EZB nicht eigenmächtig solche  Risiken für den Steuerzahler eingehen und direkt in nationale Haushalte eingreifen darf.“

    Kein guter Tag für die Demokratie in Europa

    „Mit seinem heute verkündeten OMT-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht seiner „Ja-aber-Rechtsprechung“ eine neue Variante hinzugefügt: Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) das evident rechtswidrige Handeln der EZB in einem skandalösen Fehlurteil für rechtmäßig erklärt hatte, während das Bundesverfassungsgericht zuvor entschieden hatte, dass alles dafür spreche, dass die EZB ihre Kompetenzen überschreite, finden die Karlsruher Richter jetzt nicht den Mut, sich dem EuGH entgegenzustellen. Stattdessen versuchen sie, sich gesichtswahrend aus der Affäre zu ziehen, indem sie einschränkende Bedingungen für die Durchführung des OMT-Programms in das EuGH-Urteil hineinlesen. Der juristische Trick des Bundesverfassungsgerichts besteht nun darin, diese Bedingungen für die deutschen Staatsorgane – und das heißt vor allem: für die Bundesbank – verbindlich zu machen. So wird ein unmittelbarer Konflikt mit dem EuGH vermieden und das geltende Recht jedenfalls partiell durchgesetzt,“ so einer der Beschwerdeführer Dr. Peter Gauweiler und sein Prozessvertreter, Professor Dr. Dietrich Murswiek (Universität Freiburg).

    Brauchen permanentes Stimmrecht für Deutschland

    „Das heutige Verfassungsgerichtsurteil hat gezeigt, dass der Krisenpolitik der EZB auf dem Rechtsweg nur schwer beizukommen ist. Umso mehr ist die Politik jetzt aufgefordert, sich einer Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen der EZB zu widmen. Denn es ist grotesk, dass Deutschland im EZB-Rat nur wenig Mitspracherecht hat, obwohl die deutschen Steuerzahler mit Abstand das größte Haftungsrisiko für die wirtschaftspolitischen Interventionen der EZB tragen,“ fordert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V. Und zu aktuell praktizierten Stimmrotation im EZB-Rat: „Die aktuellen Abstimmungsregeln im EZB-Rat müssen dringend reformiert werden. Es kann nicht sein, dass Deutschland zeitweise gar kein Stimmrecht hat und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann alle fünf Monate auf die Ersatzbank muss. Ich fordere für Deutschland ein permanentes Stimmrecht! Auf jeden Fall muss sichergestellt werden, dass die Europäische Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft funktioniert und nicht als verkappte Transferunion!“

    Eine „äußerst kluge“ Entscheidung

    "Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine äußerst kluge Entscheidung getroffen, weil es die Europäische Union vor einer institutionellen Krise bewahrt und zugleich Grenzen für das Handeln europäischer Institutionen, in diesem Fall der EZB, aufzeigt", sagte der Wirtschaftsweise Lars Feld der "Rheinischen Post". Allerdings werde das Urteil "kaum zu mehr Vertrauen der Bundesbürger in die EZB-Politik führen, obwohl es den umstrittensten Teil der Krisenpolitik der EZB, nämlich das OMT-Programm nicht als verfassungswidrig einstuft", so Feld. 





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