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    Börsen-Zeitung  439  0 Kommentare Ist das schon alles gewesen?, ein Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

    Frankfurt (ots) - Ist das schon alles gewesen? Das muss man sich
    fragen, wenn man sich die Reaktionen der Kapitalmärkte auf das
    britische Votum für einen Austritt aus der Europäischen Union
    (Brexit) ansieht.

    Während kontinentaleuropäische Politiker und auch britische
    Brexit-Gegner keine Gelegenheit auslassen, die britischen Wähler
    zumindest verbal für ihre Entscheidung abzustrafen, indem sie die
    Zukunft in möglichst düsteren Farben malen, machen die Märkte auf
    Tiefenentspannung. Die starken Verluste und die extreme Nervosität
    haben gerade einmal zwei Handelstage angehalten. Die Erholung, die
    daraufhin einsetzte, hat sich bislang als recht tragfähig erwiesen.

    So steht der FTSE 100 mittlerweile auf einem höheren Niveau als
    unmittelbar vor der Entscheidung. Im bisherigen Jahresverlauf hat er
    7,2 Prozent zugelegt. Vergleicht man dies mit der Performance anderer
    europäischer Aktienindizes, so könnte man meinen, dass eher ein
    "Gexit" oder noch naheliegender ein "Italexit" auf dem Programm
    steht: Der Dax hat im Vergleich zu seinem Stand vom Jahresanfang 9,4
    Prozent eingebüßt, der FTSE Mib sogar 22,3 Prozent.

    Nun ist das Bild sicher nicht vollständig, wenn man neben den
    Aktien nicht auch die anderen Märkte betrachtet. An den
    Renditeniveaus von Staatsanleihen aus Kernstaaten wie Deutschland
    oder den USA lässt sich schon eine Flucht in Qualität ablesen. Zudem
    stehen Yen und Schweizer Franken unter starkem Aufwertungsdruck, das
    Pfund hat noch keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, seine
    hohen Verluste nach dem Brexit-Votum auszugleichen. Zudem hat der
    Goldpreis seit Jahresanfang kräftig zugelegt. Angesichts eines
    Niveaus von rund 1330 Dollar je Feinunze lässt sich aber kaum von
    tiefgreifender Panik an den Finanzmärkten sprechen.

    Für die erstaunliche Ruhe an den Aktienmärkten gibt es mehrere
    Gründe. So glaubt die Mehrheit der Marktteilnehmer schlicht nicht an
    das von vielen EU-Politikern gezeichnete Bild einer völligen
    Abnabelung Großbritanniens von der Union mit desaströsen
    Konsequenzen. Das Szenario einer künftigen Sonderstellung der Briten
    nach dem Vorbild der Schweizer wird letztlich für wesentlich
    wahrscheinlicher gehalten.

    Dahinter steckt folgendes Kalkül: Mit einer ökonomischen
    Abstrafung Großbritanniens würden sich auch EU-Kernländer wie
    Deutschland selbst erheblich wehtun. Letztlich ist es kaum denkbar,
    dass eine harte Trennung von Großbritannien gegen den Widerstand der
    Bundesregierung möglich wäre. In Berlin wiederum haben Branchen wie
    die Autoindustrie und die Banken einen besonderen Einfluss und ein
    großes Interesse daran, dass sich an den ökonomischen Realitäten
    möglichst wenig verändert. Wenn sich die öffentliche Aufregung in
    Europa in ein paar Monaten gelegt hat, so glaubt man an den Märkten,
    dürfte in den Hinterzimmern in Brüssel eine für alle Seiten
    akzeptable Lösung ausgehandelt werden.

    Zudem sehen mittlerweile die Fundamentaldaten am deutschen und
    europäischen Aktienmarkt wieder recht attraktiv aus. Gemessen am
    Kurs-Gewinn-Verhältnis ist das Bewertungsniveau deutlich niedriger
    als an den US-Börsen. Nach der Korrektur, die übrigens auch ohne
    Brexit zu erwarten gewesen wäre, sind die erwarteten
    Dividendenrenditen mit 3,5 Prozent für den Dax und 4,2 Prozent für
    den Euro Stoxx 50 wieder deutlich angestiegen. Demgegenüber sind die
    Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen auf ein neues
    Allzeittief gesunken. Es mangelt also nach wie vor an alternativen
    Anlagemöglichkeiten.

    Auf absehbare Zeit dürfte zudem die Gewinnentwicklung der
    Unternehmen stabil bleiben. An eine Rezession im kommenden Jahr als
    Folge der Brexit-Entscheidung glaubt kaum jemand - sonst würde der
    Dax bereits jetzt deutlich unter Druck geraten, weil seine
    Mitgliedskonzerne rund 53 Prozent ihrer Umsätze in Europa erzielen.
    Nicht wenige Analysten raten gegenwärtig dazu, die niedrigen Kurse
    für Käufe zu nutzen. Außerdem ist man sich sicher, dass die
    Notenbanken bei Bedarf zur Unterstützung der Märkte herbeieilen
    werden.

    Allerdings gilt es eine Gefahr zu beachten: Sollte sich wider
    Erwarten doch abzeichnen, dass die Briten für ihre Entscheidung büßen
    sollen, wird die Erholung sofort in sich zusammenbrechen.

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