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    Marktkommentar Japan  1786
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    Vom „Abe-Neid“ zur „Japan-Prämie“

    Jesper Koll, CEO von WisdomTree Japan, veröffentlicht in seinem Blog regelmäßig Analysen über Japan. Im nachfolgenden Beitrag äussert er sich über die wirtschaftspolitischen Auswirkungen von Abes Sieg bei den Oberhauswahlen. Aus seiner Sicht dürfte sich die Erwartung, dass politisches Kapital vorrangig für die Verfassungsreform eingesetzt wird, jedoch als ein großes Missverständnis der grundlegenden Philosophie Abes und seiner Vision für Japan erweisen, denn ohne eine starke Wirtschaft bleibt die Verfassungsreform bedeutungslos.

    Premierminister Abe hat jüngst einen entscheidenden Sieg in den Oberhauswahlen erzielt. Seine Regierungskoalition hat jetzt eine „Super-Mehrheit“ in beiden Häusern des Parlaments, das heißt, de facto mehr als zwei Drittel der Parlamentssitze (1). Im Gegensatz zu vielen westlichen Demokratien, die in eine Phase von Machtvakuum und Führungsschwäche eingetreten sind, präsentiert sich das „Team Abe“ als der unangefochtene Sieger unter den demokratisch gewählten politischen Führern weltweit. Der „Abe-Neid“ geht jetzt in der globalen politischen Elite um. Wenn entsprechend meinen Erwartungen das „Team Abe“ in den nächsten drei bis vier Monaten eine starke wirtschaftspolitische Leistung zeigt, könnte sich eine „Japan-Prämie“ in den japanischen Märkten für Risikoanlagen entwickeln. Aus meiner Sicht wird Japan bedeutende, kreative und koordinierte Anreize bieten. Dies beinhaltet eine Stimulierung, die 2 % des BIP entspricht, den Beginn des „Drohnengelds“ in Form direkter Geldtransfers an bestimmte Gruppen von Haushalten und die faktisch unmittelbare Finanzierung durch die Bank of Japan (BoJ).

    Wie wird Premier Abe seine historisch vollkommen neue parlamentarische Macht nutzen?

    Zahlreiche Kommentare zeigen Bedenken, dass der Premierminister sich jetzt auf eine seiner Herzensangelegenheiten, die Verfassungsreform, konzentrieren wird. Technisch bietet ihm die Zweidrittelmehrheit diese Möglichkeit. Es trifft zu, dass Abe fest davon überzeugt ist, dass Japan eine Verfassung verdient, die das eigene Volk geschrieben hat, statt der aktuellen, die den Japanern von den Amerikanern nach dem Pazifischen Krieg verordnet wurde. Abe ist in dieser Angelegenheit sehr offen und es steht außer Frage, dass die Verfassungsreform ein wichtiger Punkt auf seiner Agenda für Japan bleibt (2).

    Aus meiner Sicht dürfte sich die Erwartung, dass das politische Kapital vorrangig für die Verfassungsreform eingesetzt wird, jedoch als ein großes Missverständnis der grundlegenden Philosophie Abes und seiner Vision für Japan erweisen. Premier Abe modelliert die Grundlage und Vision seiner Philosophie auf dem Kampfruf aus der Meiji-Epoche „Fukoku Kyohei“ - „Starkes Land, starke Armee“. Es geht hier nicht um ein Nullsummenspiel von Entweder-Oder, sondern um eine sehr wechselseitige Beziehung: Ohne eine starke Wirtschaft bleibt die Verfassungsreform bedeutungslos.

    Globale Ambitionen

    Nach unserem Verständnis ist ihm bewusst, dass die Verfassungsreform ein hohes Risiko enthält, dass sowohl im Inland als auch aus dem Ausland politisch zurückgeschossen wird, wenn die Wirtschaft weiterhin stagniert. Abe verfolgt das Ziel, dass Japan ein Land wird, das Bewunderung und Respekt durch die Eliten Asiens und der Welt auf sich zieht. Das ist ohne eine starke Wirtschaft nicht möglich. Weder Amerika noch China würden einen Führer respektieren, der Wachstum und Wohlstand verspricht, aber niemals liefert. Aus globaler Machtperspektive würde Japan zurück in die Bedeutungslosigkeit fallen, wenn die „Abenomics“ versagen.

    Letztendlich ist ein Nationalismus, der sich auf wirtschaftliche Stagnation stützt, weder eine Bedrohung noch eine Chance für die Außenwelt. Ohne einen Erfolg der „Abenomics“ fehlt Abe schlicht und einfach die Finanzierung für seine nationalen Ambitionen. Je schwächer die Wirtschaft sich entwickelt, umso größer wird Japans Abhängigkeit von internationalem Kapital, ausländischer Technologie und Arbeitskräften werden.

    Glaubwürdigkeit im eigenen Land

    Auch im Inland würde eine nationalistische Agenda und eine schwerfällige Konzentration auf die Verfassungsreform bedeutungslos werden, wenn die „Abenomics“ scheitern. Wenn Abe keinen „Wohlfühlfaktor“ für die betroffenen Menschen und Unternehmen schaffen kann, werden sie sich zwangsläufig früher oder später gegen ihn wenden. Schließlich ist Japan eine funktionierende Demokratie mit zahlreichen kommunalen, regionalen und nationalen Wahlen. Wenn die „Abenomics“ die Erwartungen nicht erfüllen, würde eine gegen Widerstand durchgesetzte Verfassungsreform rasch die Machtaneignung einer einzigen Partei bloßstellen und zwangsläufig die Oppositionskräfte einigen und ermutigen.

    Wenn überhaupt, dann hat der deutliche Sieg der „Abenomics“ bei den Wahlen am Sonntag die Latte für Abe als wirtschaftliche Führungskraft höher gesetzt. Jetzt hat er keine Ausreden mehr und muss diesen „Wohlfühlfaktor“ liefern, den er den betroffenen Wählern und Unternehmen versprochen hat. Der Druck liegt an - die Regierungszeit Abes endet in zwei Jahren (September 2018).

    Abes Agenda - Verbindung der Bank of Japan (BoJ) und des Finanzministeriums (MoF) in einem Paket

    Ab jetzt ist die wirtschaftspolitische Agenda relativ einfach. Zunächst hat die Ausdehnung der Fiskalpolitik die größte Bedeutung. Premier Abe hat bereits angeordnet, ein zusätzliches Anreizpaket zusammenzustellen. Hier liegt die Bedeutung nicht nur in der Größe, sondern in der tatsächlichen Verknüpfung der Fiskalexpansion mit den geldpolitischen Anreizen. Nahezu alle Wirtschaftsberater von Abe stimmen zu, dass Geldpolitik allein zunehmend wirkungslos geworden ist, um Wachstum anzukurbeln. Der Knackpunkt liegt darin, dass das „Team Abe“ tatsächlich die BoJ-Agenda mit derjenigen des MoF verknüpft. In anderen Worten: Der nächste Zug der BoJ muss zwangsläufig die De-facto-Finanzierung des bevorstehenden Ergänzungshaushalt sein.

    An dieser Stelle ist zu bemerken, dass - anders als in früheren Jahren - Japan keine unerwarteten Steuereinnahmen hat, um die zusätzlichen Aufwendungen zu finanzieren. Die einzige Option ist daher eine Defizitfinanzierung, wenngleich in Japan eine Möglichkeit außerhalb der Bilanz existiert: Zusätzliche öffentliche Investitionen können durch das Fiskalische Investitions- und Kreditprogramm (FILP) über die Begebung sogenannter „Zaito-Bonds“ finanziert werden (3). Der Unterschied zu Defizit-Anleihen liegt technisch darin, dass diese projektbezogen sind und nicht aus Steuereinnahmen getilgt werden dürfen. Auf dem Anleihenmarkt werden die „Zaito-Bonds“ jedoch genau wie andere JGBs gehandelt und die BoJ darf „Zaito-Bonds“ kaufen. Wenn man von einem Ergänzungshaushalt von rund 8-10 Billionen Yen bzw. 1,5 % bis 2 % des BIP ausgeht, dürfte die BoJ ihre auf quantitative Stimuli ausgerichtete Bilanz von derzeit 80 Billionen Yen auf 88-90 Billionen Yen ausweiten.

    Auf die Größe kommt es an

    Wie groß wird der Ergänzungshaushalt ausfallen? Die Regierungsökonomen schätzen die derzeitige Produktionslücke auf rund 5-6 Billionen Yen, also rund 1 % bis 1,2 % des BIP. Von dieser Größe muss man ausgehen. Vermutlich nicht zufällig schätzen die Technokraten, dass Wiederaufbauprojekte als Folge des jüngsten Erdbebens in Kumamoto sich auf rund 4-5 Billionen Yen summieren werden.

    Darüber hinaus könnte die Förderung der neuen „Industry 4.0“-Initiative von Abe - FINTEC, Robotik, Gesundheitswesen, F+E usw. - etwa 1-3 Billionen Yen ausmachen.

    „Drohnengeld“

    Zusätzlich konzentrieren sich die Abenomics auf die wirtschaftliche Inklusion der berufstätigen Armen, Frauen, armen Rentner und die Jugend. Direkte Geldtransfers an diese Gruppen sind jetzt Bestandteil der politischen Debatte. Während die Medien dies als „Helikoptergeld“ bezeichnen, ziehen wir den Ausdruck „Drohnengeld“ vor, da es sich um eine zielgenaue Platzierung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen handelt. Die technischen Details des Transfers von Geldern aus dem Haushalt bei diesen Zielgruppen müssen noch ausgearbeitet werden, jedoch dürfte von rund 1,5 bis 2 Billionen Yen direkter Transfers in die Privathaushalte ausgegangen werden.

    Wann ist damit zu rechnen?

    Die technischen Aspekte der Zusammenstellung dieses unorthodoxen Fiskalpakets - welches „Drohnengeld“ als Geldtransfer zu speziellen Zielgruppen unter den Privathaushalten einschließt - werden frühestens in vier bis sechs Wochen ausgearbeitet sein. Premier Abe scheint auch eine Kabinettsumbildung für Mitte August anzustreben (4). In diesem Fall liegt aus unserer Sicht der Schwerpunkt im Portefeuillezuschnitt des Finanzministeriums, dem Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Arbeit sowie auf dem Ministerium für wirtschaftliche Koordination. Außerdem steht eine Umbesetzung im Beitrat für Vorschriften und Regulierungen an, einschließlich der Führungskräfte aus der Privatwirtschaft. Aus unserer Sicht ist sich das „Team Abe“ der Notwendigkeit sehr bewusst, das öffentliche Image des Wirtschaftsführerteams neu zu beleben. Wie dem auch sei, es ist mit einer festen Zusage für spezifische Haushaltsausgaben wahrscheinlich erst zu rechnen, nachdem die neuen Ressort-Zuständigkeiten der Minister-Portefeuilles aufgeteilt sind.

    Daher gehen wir davon aus, dass alle Einzelheiten der zusätzlichen fiskalischen und geldpolitischen Anreize Anfang September bekannt werden - kurz bevor Premier Abe seine Rede auf der Jahresversammlung der UN hält. Aus unserer Sicht ist das „Team Abe“ fest entschlossen, der Welt zu beweisen, dass es eine starke wirtschaftspolitische Führung beansprucht. Japan wird bedeutende, kreative und koordinierte Anreize bieten - insgesamt eine Stimulierung, die 2 % des BIP entspricht, der Einsatz von „Drohnengeld“ in Form direkter Geldtransfers an bestimmte Gruppen von Haushalten und die faktisch unmittelbare Finanzierung durch die Bank of Japan.

    Wenn man zusätzlich bedenkt, dass japanische Aktien zuletzt preiswert notieren, hat man eine solide Begründung für höhere Allokationen in japanischen Aktien.


    (1) Yoko Wakatsuki und Juliet Perry, “Japanese Election: Shinzo Abe Declares Victory”, CNN (Juli 2016)

    (2) Yoko Wakatsuki und Juliet Perry, “Japanese Election: Shinzo Abe Declares Victory”, CNN (Juli 2016)

    (3) JiJi, „Japan Mulling Cut in Minimum Interest on ‚Zaito‘ Fiscal Loans“, The Japan Times (Juni 2016)

    (4) Isabel Reynolds und Andy Sharp, “After Convincing Election Win, Abe Set for Some Tough Battles”, Bloomberg (Juli 2016)

     

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