Gekommen, um zu bleiben
Erfrischend optimistisch: Wells Fargo errichtet 300-Millionen-Pfund-Zentrale in London
Banken und Konzerne packen ihre Koffer, um sich nach dem Brexit einen anderen Platz in Europa zu suchen. Zu schwerwiegend sind die befürchteten wirtschaftlichen Folgen. Wells Fargo dagegen bleibt gelassen. Und schließt den größten Immobiliendeal seit dem Referendum ab.
Lloyds, Goldman Sachs, JP Morgan, Easyjet, Ryanair, Vodafone - sie alle wollen gehen. Weil sich Großbritannien für den Austritt aus der EU entschieden hat, fürchten viele Unternehmen die negativen Folgen einer eingeschränkten Personenfreizügigkeit sowie eines eingeschränkten Zugangs zum EU-Binnenmarkt. Gerade für Banken sind diese schon jetzt spürbar. Wegen der erhöhten Unsicherheit und dem damit verbundenen Wachstumsrückgang wurde der Ausblick fast aller in London ansässigen Geldinstitute von der Ratingagentur Moody's Ende Juni auf "negativ" herabgestuft.
Eine US-Großbank bleibt davon offensichtlich unbeeindruckt. Nach Informationen der "Financial Times" hat das Finanzdienstleistungsunternehmen Wells Fargo nun den größten Immobiliendeal seit dem Brexit-Referendum abgeschlossen und dabei eine Londoner Immobilie für 300 Millionen Pfund erworben. Der in der Nähe der London Bridge gelegene 11-Geschösser soll demnächst als neues europäisches Hauptquartier dienen.
Bisher waren die 850 in London stationierten Mitarbeiter an vier verschiedenen Standorten verteilt, nun sollen sie alle in der fast 22.000 Quadratmeter großen Zentrale zusammenkommen. Zwar haben die Geschäfte Wells Fargos in Übersee eine eher geringere Bedeutung - 95 Prozent der Umsätze werden immer noch in der US-amerikanischen Heimat erwirtschaftet. Dennoch ist das Institut nach Marktkapitalisierung die größte Bank der Welt.
Für manche könnte dieser Schritt daher ein Zeichen sein, die City of London mit ihrem Status als wichtigstes Finanz-Drehkreuz in der EU noch nicht aufzugeben. Am Ende, so die Botschaft aller Bankhäuser, hänge die Zukunft Londons aber einzig von den Austrittsverhandlungen mit der EU ab.
Sollten die Institute tatsächlich die für sie wichtigsten Grundfreiheiten verlieren, so dürften laut einer Studie des Immobilienmarktforschungsunternehmens DealX in kurzer Zeit fast 2,5 Millionen Quadratmeter an Büroflächen frei werden. Laut den Prognosen von Green Street Advisors könnten diese innerhalb von drei Jahren nach dem endgültigen Austritt sogar um 20 Prozent im Wert fallen.
Besonders bitter wäre dieser Preisverfall für Goldman Sachs. Auch wenn die Investmentbank im Vorfeld alles daran gesetzt hatte, den Brexit abzuwehren, ließen sich die Banker nicht lumpen, kurz zuvor noch ein hübsches neues Hauptquartier im Herzen Londons errichten zu lassen. Baupreis: 500 Millionen Dollar.