Erfahrungaustausch mit Grönland
Brexit-Verhandlungen: Setzt schon mal den Kaffee auf, die Sache könnte länger dauern...
Großbritannien ist nicht die erste Insel, die mit der EU auf Kriegsfuß steht. Weil sie der Überfischung ihres Meeres vonseiten der Union Einhalt gebieten wollten, wandten sich die Grönländer schon im Jahr 1985 vom Kontinent ab. Die Verhandlungen waren vergleichsweise einfach. Und dauerten drei Jahre.
David Cameron hat seiner Nachfolgerin Theresa May einen gewaltige To-Do-Liste hinterlassen. Bis sie den wichtigsten Punkt - nämlich den des EU-Austritts - abhaken kann, dürfte es nach Ansicht grönländischer Politiker länger dauern, als manche glauben.
Die nordischen Inselbewohner wissen genau, wovon sie reden. Sie waren selbst einmal Teil der EU und obwohl sie eigentlich zu Dänemark gehören, wurden ihnen im Jahr 1979 ausreichend Souveränitätsrechte zuerkannt, um eigenständig über den EU-Verbleib entscheiden zu dürfen. Dies taten sie dann auch im Jahr 1982, in Form einer Volksabstimmung. Das Ergebnis fiel ähnlich knapp aus, wie beim jüngsten Brexit-Referendum: 53 Prozent der Wähler befürworteten den sogenannten Gröxit, aus Ärger über den exzessiven Fischfang Europas vor ihrer Haustür.
Zwei Jahre? Keine Chance...
Zum eigentlichen Austritt kam es aber erst im Jahr 1985, also drei Jahre später. Schneller ging es eben nicht mit den Verhandlungen, die der ehemalige dänische Außenminister und Verhandlungsführer Uffe Ellemann-Jensen heute als "recht einfache Angelegenheit" beschreibt. "Bei Großbritannien wird das Ganze viel länger dauern", sagte er dem Nachrichtendienst "Bloomberg". Es sei unmöglich vorherzusagen, wie lange genau. Eines steht für den Dänen aber fest: "Es ist ausgeschlossen, dass das Königreich die Sache innerhalb von zwei Jahren beenden kann, so wie es der Artikel 50 vorsieht."
Lars-Emil Johansen, ehemaliger grönländischer Wirtschaftsminister und damaliger Verhandlungspartner von Ellemann-Jensen hat ebenfalls eine Botschaft für Großbritannien. Er warnt vor möglichen politischen Unruhen, die im Laufe der Austrittsgespräche in seinem Land aufkeimten. So sei die Vereinbarung über den EU-Ausstieg von einem Großteil der Bevölkerung massiv unter Beschuss genommen worden. "Man glaubte, wir hätten uns für unsere Fischereirechte zu stark unter Wert verkauft", erzählte Johansen.
Erste Verzögerungstaktiken
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Es sind nicht nur die Dänen bzw. Grönländer, die die Causa Brexit als längerfristiges Projekt betrachten. Zustimmung bekommen sie auch von ihren nordeuropäischen Kollegen aus Finnland. Nach Ansicht des finnischen Finanzministers Petteri Orpo liege nämlich eine große Gefahr im Verhalten der restlichen 27 Mitgliedsstaaten, die sich möglicherweise nicht darauf einigen können, wie man die Briten nun gehen lässt. Hier werde es noch "eine längere Zeit Unsicherheit im Euroraum geben und mit einem höheren Wachstumsrisiko für die EU und Finnland einhergehen", erklärte Orpo.
Indes denkt der frisch gewählte Bürgermeister Londons, Sadiq Kahn, schon jetzt über mögliche Verzögerungstaktiken nach. Wenn es nach ihm ginge, sollte das Königreich den Artikel 50 erst nach den Wahlen in Deutschland und Frankreich 2017 auslösen. Er befürchtet einen drastischen Wegfall von Arbeitsplätzen, wenn der Prozess übereilt eingeleitet wird.
Schon jetzt würden die anderen europäischen Hauptstädte damit anfangen, die Londoner Unternehmen zu umwerben, um möglichst viele Arbeitsplätze für sich zu gewinnen. Dass das tatsächlich die bittere Realität ist, können Sie hier und hier nachlesen.