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    Marktkommentar  1848  0 Kommentare Dr. Ernst Konrad (Eyb & Wallwitz): Das Comeback der Schwellenländer

    Bereits im Oktober 2014 beschäftigten sich die Makroperspektiven von Eyb & Wallwitz mit den Aussichten für die Schwellenländer. Zumindest die Aktienmärkte gaben ihnen recht, resümiert Dr. Ernst Konrad .

    ​Im Oktober 2014 beschäftigten sich die Makroperspektiven von Eyb & Wallwitz mit den Aussichten der sogenannten „Fragile Five“, also den Ländern Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und der Türkei. Unser Fazit war, dass das Chance-Risiko-Verhältnis für Kapitalanlagen in den Schwellenländern vor dem Hintergrund eines steigenden US-Dollars insgesamt unattraktiv ist. Besonders negativ waren wir für Brasilien und die Türkei gestimmt.

    Die relative Wertentwicklung über die letzten beiden Jahre (jeweils in Euro) hat uns zumindest für die Aktienmärkte rechtgegeben: Während Aktien aus den Industrieländern seither um knapp 19% zulegten, waren es in den Schwellenländern nicht einmal 5%. Gleichzeitig verloren die Märkte in Brasilien und der Türkei jeweils um mehr als 10%. Auf der Anleiheseite zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Mit Papieren aus Schwellenländern konnte man im Schnitt 27% verdienen, mit Anleihen aus Industrieländern „nur“ 18%.

    Auch wenn man das Gefühl nicht los wird, dass sich in den Schwellenländern aktuell alles um Korruptionsskandale (Brasilien, Südafrika) oder große politische Umwälzungen (Türkei) dreht, kann man leicht übersehen, dass gerade die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) seit einiger Zeit eine deutliche wirtschaftliche Erholung erleben. Diese ist nicht nur insgesamt für das weltwirtschaftliche Wachstum von Bedeutung, sondern hebt sich auch wohltuend von den Debatten um die unsichere konjunkturelle Lage und die möglichen geldpolitischen Reaktionen in Europa und den USA ab.

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    Konjunkturbelebung und Stabilisierung der Rohstoffpreise

    Seit einigen Monaten nehmen die Schwellenländer konjunkturell wieder an Fahrt auf. Verantwortlich hierfür ist nicht zuletzt China. Nach einem schwachen ersten Quartal haben sich sowohl die Frühindikatoren wie auch die tatsächlichen Wirtschaftsdaten stabilisiert. Die chinesische Regierung hat die „Lufthoheit“ über die Währungsentwicklung zurückgewonnen, die Kapitalflucht hat sich deutlich verlangsamt ($32 Mrd. im August, nach jeweils über $50 Mrd. im Juni und Juli). All das hat dazu beigetragen, dass sich die Wahrscheinlichkeit für ein sogenanntes „Hard Landing“ über die letzten Monate deutlich verringert hat. Im Gegensatz zu den Notenbanken in den Industrieländern ist die chinesische Zentralbank auch noch nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. Eine Senkung der „Lending Rate“ vom aktuellen Niveau von 4,35% ist weiterhin eine Option.

    Auch der Ausblick für die Rohstoffpreise, insbesondere für Öl, hat sich wieder aufgehellt: Dank der geschilderten Stabilisierung in China wird die Nachfrage nach Öl nicht wie befürchtet einbrechen, selbst wenn das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern weiter rückläufig sein sollte. Gleichzeitig ist das (Über)-Angebot bei weitem nicht mehr so groß wie noch 2015, da vor allem Nigeria und Venezuela weiterhin mit Produktionsausfällen zu kämpfen haben und eine Ausweitung der Förderung in Libyen angesichts der instabilen politischen Verhältnisse unwahrscheinlich ist.

    Insgesamt haben sich die Aussichten für die Schwellenländer also in den letzten Monaten sukzessive verbessert: Einkaufsmanagerindizes oberhalb der 50-Punkte-Marke und das Schließen der seit mehreren Jahren zu beobachtenden Lücke zu den Industrieländern sprechen für weitere Mittelzuflüsse (vgl. Grafik 1).

    Hohe Realrenditen bei rückläufiger Inflation

    Der Anstieg des Ölpreises seit seinem Tiefpunkt zum Jahreswechsel bei unter $30 auf mittlerweile wieder $45 hat außerdem zu einer deutlichen Aufwertung der „Rohstoff-Währungen“ wie des Brasilianischen Real ( 18%) oder russischen Rubel ( 10%) gegenüber dem US-Dollar geführt, wobei freilich erst ein kleiner Teil des seit 2014 zu beobachtenden Kursverfalls wieder aufgeholt wurde. Die Währungsentwicklung der letzten Monate hat außerdem für einen spürbaren Rückgang der Inflationsrate gesorgt (in Brasilien von 11% auf 9% und in Russland sogar von 14% auf 7%). Die Notenbanken gewinnen dadurch einen größeren Spielraum für Zinssenkungen. Die russische Notenbank hat den Leitzins bereits im Juni und September um jeweils 0,5% gesenkt. Die brasilianische Notenbank wird nach der Stabilisierung der innenpolitischen Verhältnisse und den „vertrauensbildenden Maßnahmen“ der neuen Regierung im Hinblick auf die Staatsfinanzen vermutlich in den nächsten Wochen nachziehen.

    Generell sind die Realrenditen in den Schwellenländern sowohl am kurzen wie am langen Ende gerade im Vergleich zu den Industrieländern (wo sie vielfach negativ sind!) sehr hoch. Am kurzen Ende ragen erneut Brasilien und Russland mit 5% bzw. 3% heraus, aber auch am langen Ende liegen die Realrenditen von Schwellenländeranleihen im Durchschnitt um mehr als 3% über dem Niveau der 10-jährigen US-Staatsanleihen und damit in der Nähe ihres Hochs der letzten 15 Jahre. Die attraktive Realverzinsung hat bereits so manchen Investor angelockt. Wir erwarten, dass der Zustrom ausländischen Kapitals weiter anhalten und sich auch auf das bislang vernachlässigte Segment der „Local Currency Bonds“ erstrecken wird. Denn trotz der jüngsten Rally sind die Währungen von Mexiko, Russland, Südafrika oder Brasilien im Vergleich zu ihrem 10-Jahres-Durchschnitt immer noch unterbewertet (vgl. Grafik 2).

    Rally des US-Dollars legt Pause ein

    Die Attraktivität einiger Schwellenländerwährungen hängt nicht zuletzt an der weiteren Entwicklung des US-Dollars. Nachdem die meisten Prognosen zu Jahresbeginn noch in Richtung eines deutlich festeren US-Dollars gingen, ist das Bild inzwischen gemischter: Die FED wird bei weitem die Zinsen nicht so aggressiv anheben wie noch vor Monaten gedacht, die US-Konjunktur schwächelt bereits wieder und die politische Unsicherheit im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im November sorgt für Zurückhaltung bei Unternehmen und Investoren.

    Hinzu kommt, dass die gigantischen Lockerungsmaßnahmen von BoJ und EZB keinen weiteren Aufwertungsdruck auf den US-Dollar erzeugen konnten. Gerade das Gegenteil ist passiert: Seitdem auch Japan zu negativen Notenbankzinsen übergegangen ist, hat sich der Yen um etwa 15% gegenüber dem US-Dollar aufgewertet und der Euro-Kurs ist trotz aller Anstrengungen der EZB nicht weiter gefallen.

    Einiges spricht also dafür, dass die seit 2014 anhaltende Rally der US-Währung zumindest eine Pause einlegt. In einer solchen Phase haben sich in der Vergangenheit vor allem Aktien, aber auch Anleihen aus Schwellenländern in der Regel besser entwickelt als aus den Industrieländern (vgl. Grafik 3).


    Last but not least: Bewertung

    Während ein günstiges makroökonomisches Umfeld in der Vergangenheit meist eine hinreichende Bedingung für steigende Aktien- und Anleihekurse in den Schwellenländern war, fehlt noch der Bewertungsaspekt als notwendige Bedingung.

    Der Renditeaufschlag für Anleihen in US-Dollar beträgt aktuell knapp 3,5% und entspricht damit in etwa dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre (vgl. Grafik 4). Für Anleihen in lokaler Währung ist er nochmals 1% größer.

    Berücksichtigt man, dass der Aufschlag für die meisten anderen „Spreadprodukte“ (vor allem Unternehmensanleihen aus dem Investment-Grade-Segment und zum Teil auch High Yield) absolut und im Vergleich zu ihren Durchschnittswerten deutlich niedriger liegt, sind Anleihen aus den Schwellenländern auch aus Bewertungssicht ein lohnendes Investment.

    Ähnliches gilt für die Aktienmärkte: Der Bewertungsabschlag gegenüber den Industrieländern liegt mit -25% in etwa auf dem durchschnittlichen Niveau der letzten 20 Jahre (vgl. Grafik 5).

    Gleichzeitig hat sich die Gewinnentwicklung gegenüber den Industrieländern, die seit 2011 im freien Fall war (vgl. Grafik 6), in den letzten Monaten stabilisiert. Außerdem werden die Unternehmensgewinne im Gegensatz zu den USA, Europa oder Japan auch im laufenden Jahr zumindest leicht zulegen.

    Ein weiterer positiver Aspekt sind die internationalen Kapitalbewegungen. Seit einigen Monaten ziehen die Zuflüsse in die Schwellenländer wieder an, inzwischen auch auf der Aktienseite (vgl. Grafik 7). Angesichts der großen Abhängigkeit von Kapitalimporten ist dies eine willkommene Unterstützung für die dortigen Börsen.

    Die Risiken

    Neben den üblichen Risiken aus dem politischen Umfeld, wie jüngst in der Türkei oder Brasilien, spielt vor allem die Entwicklung der chinesischen Volkswirtschaft eine entscheidende Rolle. Schwächeln die dortigen Finanzmärkte, trifft es typischerweise die übrigen Schwellenländer umso stärker. Zum einen erfolgt die Transmission eines „Schocks“ in China über fallende Rohstoffpreise und damit geringere Exporterlöse für die Rohstoffexporteure unter den Schwellenländern. Zum anderen ziehen Investoren aus den USA und Europa in einer solchen Situation sehr schnell ihr Kapital ab und sorgen für fallende Kurse an den dortigen Finanzmärkten. Dieses Phänomen war zuletzt Mitte 2015 zu beobachten, als sich die Börsenturbulenzen in China mit einem Kursverlust von über 40% in Windeseile unterschiedslos auch auf alle anderen Schwellenländer übertrugen. Aktuell schätzen wir diese Gefahr zwar als gering ein. Trotzdem muss man immer damit rechnen, dass Politikfehler ein „Hard Landing“ der Realwirtschaft mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Finanzmärkte auslösen können.

    Das zweite große Risiko liegt in der weiteren Politik der FED. Sollte diese die Zinsen aggressiver anheben als aktuell von den Marktteilnehmern erwartet, wird wieder mehr Kapital in die USA fließen und den US-Dollar stärken. Unter einer solchen Entwicklung würden die Schwellenländer wie 2014 und 2015 besonders leiden (vgl. oben). Dieses Risiko halten wir aktuell allerdings auch für gering, da die FED momentan alles tut, um die Kapitalmärkte bei Laune zu halten und deshalb im Zweifelsfall lieber zu spät als zu früh an der Zinsschraube drehen wird.

    Fazit

    Prinzipiell sollten Anleger immer die Schwellenländer im Blick haben. Man darf aber nicht der Illusion verfallen, dass dort über Jahre hinweg überdurchschnittliche Renditen zu erzielen sind. Die Abhängigkeit von Kapitalzuflüssen aus dem Ausland sorgt immer wieder für ausgeprägte Kursschwankungen. Als Investor muss man einerseits gute Nerven und andererseits auch Geduld haben, wenn man sich dort engagiert. Das gilt zwar prinzipiell für alle Kapitalanlagen und besonders Aktien, aber eben in erhöhtem Maße für das Segment der Schwellenländer.

    Aktuell sprechen sowohl das sich verbessernde makroökonomische Umfeld wie auch die relative Bewertung gegenüber den Finanzmärkten der Industrieländer für eine Investition in Schwellenländer. Vor allem Anleihen in Lokalwährung und Aktien erscheinen uns attraktiv. Allerdings handelt es sich immer nur um Beimischungen, also keine „Core-Investments“. Um Klumpenrisiken zu vermeiden bietet sich eine Umsetzung über spezialisierte Fonds an, die auch zum Teil mit einem Abschlag zu ihrem Nettoinventarwert zu erwerben sind. Diese Vehikel haben wir bereits in der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt.

    Lesen Sie den Kommentar von Dr. Ernst Konrad auch hier. 




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    Verfasst von Asset Standard
    Marktkommentar Dr. Ernst Konrad (Eyb & Wallwitz): Das Comeback der Schwellenländer Bereits im Oktober 2014 beschäftigten sich die Makroperspektiven von Eyb & Wallwitz mit den Aussichten für die Schwellenländer. Zumindest die Aktienmärkte gaben ihnen recht, resümiert Dr. Ernst Konrad .